Stadtgeschichte

Mit Schutzengel und Lederhose von Lensnack

Mit Schutzengel und Lederhose von Lensnack

Mit Schutzengel und Lederhose von Lensnack

Apenrade/Aabenraa
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Carl Rosenvold (l.), Kurt Seifert und Birthe Merete Jessen Foto: Ilse Marie Jacobsen

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Eine Frau und zwei Männer aus Apenrade arbeiten an einem neuen Erinnerungsbuch: 23 gebürtige Apenraderinnen und Apenrader erzählen von ihren Kindertagen an der Förde. Im Herbst wird das neue Werk veröffentlicht.

Womit haben sich die kleinen Kinder in Apenrade vor 60 oder 70 Jahren ihre Freizeit verbracht, und was passierte auf den verschiedenen Straßen? Darüber werden sich die Apenraderinnen und Apenrader und auch andere in Kürze ein gutes Bild machen können.

Das „Makrelen"-Team, die Initiatorin Birthe Merete Jessen, der Lehrer Kurt Seifert und Zahnarzt Carl Rosenvold, arbeiten an einem Buch, das nicht zuletzt die älteren Einwohnenden der Fördestadt vielleicht auf eine Zeitreise in die jungen Jahre schicken wird. Bei einigen wird das Werk bestimmt auch ein paar herzhafte Lachanfälle auslösen. Die drei Makrelen sind das Apenrader Stadtwappen. 

Apenrade von anno dazumal

23 gebürtige Apenraderinnen und Apenrader haben eingewilligt, dass sie ein für sie wichtiges Erlebnis aus ihren Kindertagen beschreiben. Diese Erinnerungen werden in dem Buch zu einem unterhaltsamen und witzigen, aber auch lehrreichen Lesestoff. In dem Erinnerungsbuch erhalten die Leserinnen und Leser ein Stück Apenrade von anno dazumal.

Für Birthe Merete Jessen war es nicht zuletzt wichtig, auch Mitglieder der deutschen Minderheit dabeizuhaben. Das Buch soll im Herbst erscheinen.

Die Manuskripte müssen die Erzählform des Einzelnen haben – ungeachtet der Ausdrucksform.

Birthe Merete Jessen, Buchinitiatorin

Authentisch und gegenwärtig

Das Team verfügt bislang über 16 der insgesamt 23 Manuskripte. Die Initiatorin Birthe Merete Jessen will die Berichte möglichst so veröffentlichen, wie sie bei ihr eintrudeln.

„Anfangs habe ich einen Buchverlag kontaktiert. Dieser schlug vor, dass alle Manuskripte von einem Lektor umgeschrieben werden, damit die Texte gleichmäßig werden. Ich habe mich bedankt – und das nachdrücklich abgelehnt. Die Manuskripte müssen die Erzählform des Einzelnen haben – ungeachtet der Ausdrucksform. Natürlich müssen die Texte überprüft werden – von einem Korrekturleser und mir –, und vielleicht muss auch etwas abgeändert werden. Aber die Essenz der Berichte muss authentisch und gegenwärtig sein“, so die Autorin.

Das „Makrelen“-Team

Bei einem Interview im Medienhaus berichten die drei Mitglieder des „Makrelen“-Teams von ihrem Apenrade zu Kinderzeiten. Birthe Merete Jessen, Kurt Seifert und Carl Rosenvold trafen beim deutschen Onlinemedium „Der Nordschleswiger“ erst zum zweiten Mal aufeinander. Ihre Begeisterung für das Projekt konnten sie gar nicht verbergen. Die unterhaltsamen Geschichten und Erinnerungen flogen gewissermaßen durch das Sitzungszimmer.

Ein Bulle im Garten

Birthe Merete Jessen erzählt im Buch von einem gerade für Eltern wohl unglaublich haarsträubenden Ereignis. Bei der ganz in der Nähe ihres Elternhauses liegenden Schlachterei war ein aufgebrachter Bulle aus der Einzäunung ausgebrochen.

„Ich stand mit meinem Puppenwagen vorn im Garten, und ich war fünf oder sechs Jahre alt. Ein Angestellter der Schlachterei rannte dem Bullen hinterher, der bei uns durch die Gartenluke pflügte. Der Mann rief mir zu, dass ich aufpassen sollte. Das hätte schieflaufen können – meine Mutter war in der Küche. Ich kann es noch genau erinnern: Ich war wie paralysiert“, erinnert sich Birthe Jessen.

Das Mädchen konnte sich nicht rühren – aber das Tier blieb schnaufend vor ihr stehen. „Da konnte der Mann dem Tier wieder einen Strick um den Hals legen. Dann bin ich hinein zu meiner Mutter gerannt“, so Birthe Jessen.

Sie berichtete ihrer Mutter von ihrem schockierenden Erlebnis – die Mutter hat ihrer kleinen Tochter Birthe aber wahrscheinlich nicht ganz geglaubt. Erst als der Vater, der das Gas- und Wasserwerk leitete, nach Hause kam und von einem geflüchteten Bullen berichtete, wurde ihr klar, dass ihr Töchterchen ihr keine Fantasiegeschichte aufgetischt hatte. Das Tier hatte bei der Schlachterei eine Pforte zerstört und war verschwunden. „Ich muss damals einen Schutzengel gehabt haben“, so die Initiatorin.

„Das ist meine Geschichte. Aber andere haben ja genauso großartige Sachen zu erzählen“, so Birthe Jessen.

Bericht war schon fertig

Die Initiatorin benötigte einen abgeschlossenen Artikel, um bei verschiedenen Stiftungen Mittel beantragen zu können. Dabei konnte ihr der frühere Lehrerkollege ihres Mannes Jens Uwe an der Deutschen Privatschule Apenrade, Kurt Seifert, helfen. Er hat Birthe Jessen ruckzuck einen fertigen Bericht über seine Kindheit auf dem Lindsnakkevej überreicht.

Carl Rosenvold (l.) fotografiert die Schreiberinnen und Schreiber des Erinnerungsbuches. Das Foto ist vom Pressetermin beim „Nordschleswiger“ - in der Mitte sitzt Kurt Seifert, rechts Birthe Merete Jessen. Foto: Ilse Marie Jacobsen

Kurt Seifert gibt der Initiatorin recht: „Wir müssen so viele Gegenden und Gruppen wie möglich von damals darstellen. Dazu gehört dann ja auch die Minderheit.“ Er will nicht so viel verraten, nur die Überschrift: „I Lederhosen på Lensnack“. In Kurt Seiferts Augen war die Lindsnakke-Gegend ein ganz besonderer Bereich. So fühlten die Nachbarn des Waldes, des Strandes und der Stadt es damals.

Kind flog aus dem Fenster

Birthe Jessens Schutzengel-Geschichte lässt Carl Rosenvold an eine andere Geschichte aus seinen sehr jungen Jahren denken. Auch er muss im Alter von lediglich zwei Jahren einen solchen gehabt haben. Die Mutter hatte in der Küche gearbeitet und dabei ihren kleinen Buben nicht im Blick gehabt.

Carl Rosenvold (2. v. l.) und einige Kinder von der Slotsgade beim Trommelkonzert im Hinterhof des Unternehmens Rosenvold in der Søndergade. Die Trommeln wurden aus leeren Tonnen hergestellt. Foto: Privat

„Ich muss auf einige Möbel geklettert sein, und das Fenster war offenbar nicht verschlossen. Ich kann nichts von damals erinnern. Plötzlich fiel ich von oben aus dem Fenster. Eine Frau, die unten zufällig vorbeispazierte, merkte, dass etwas von oben geflogen kam. Sie hat mir an die Beine gegriffen, und mein Kopf berührte dann noch einen ihrer Schuhe. Ich bekam eine Gehirnerschütterung, die Frau einen geschwollenen großen Zeh. Sie konnte 14 Tage lang keine Schuhe tragen“, so Carl Rosenvold lächelnd.

Von Marbella nach Apenrade

Der gebürtige Apenrader, der viele Jahrzehnte in Marbella in Spanien lebte und arbeitete, ist vor zwei Jahren wieder in seine Heimatstadt zurückgekehrt. „Für mich war Apenrade ja eigentlich eher ein Provinzloch. Aber meine Frau, die aus Aarhus kommt, war völlig begeistert. So sind wir hergezogen“, meint der Zahnarzt. Sein Vater Carl Rosenvold ist heute 101 Jahre alt.

Carl Rosenvold hat eigentlich eine ganz andere Geschichte für das Buch abgeliefert: über seine Kindheit im früheren Rosenvold-Unternehmen in der Søndergade. Darüber hinaus fotografiert er sämtliche Schreiberinnen und Schreiber des Buches.

Birthe Merete Jessen hat in den vergangenen Jahren schon zwei Gemeinschaftsprojekte über ihre Heimatstadt und Nordschleswig herausgegeben: ein kulturhistorisches Backbuch des Jacob-Michelsens-Hofs und ein Kochbuch.

Das neue Erinnerungsbuch, zu dem auch prominente Apenraderinnen und Apenrader beitragen, wird Ende Oktober herausgegeben – rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft.

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