Unsichtbare Gefahr

Größter Verursacher von Mikroplastik ist Reifenabrieb

Größter Verursacher von Mikroplastik ist Reifenabrieb

Größter Verursacher von Mikroplastik ist Reifenabrieb

Apenrade/Aabenraa
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Die Schleswigsche Partei in der Kommune Apenrade führte einen Info- und Diskussionsabend zum Thema Mikroplastik durch. Foto: Karin Riggelsen

Haben die kleinsten Kunststoffteilchen schon das Apenrader Trinkwasser erreicht? „Nein“, lautet die gute Nachricht der hiesigen Versorgungsgesellschaft „Arwos“. Heißt das, dass sich die Apenrader keine Gedanken um das Thema machen müssen? „Nein, das wiederum auch nicht“, lautet hier die Antwort.

„Eine Untersuchung des dänischen Umweltministeriums hat ergeben, dass 60 Prozent der Umweltbelastung durch Mikroplastik in Dänemark von Reifenabrieb, Farbe, Schuhen und Kleidung stammen“, leitete Theis Kylling Hommeltoft am Donnerstagabend seinen Vortrag ein.

Die Schleswigsche Partei Apenrade hatte  im Vorfeld ihrer monatlichen Fraktionssitzung zum Informations- und Diskussionsabend zum Thema Mikroplastik ins Rathaus eingeladen.

 

Schüler von zwei Klassen des deutschen Gymnasiums in Apenrade waren interessierte Zuhörer. Foto: Karin Riggelsen

 

Gymnasiasten im Publikum

Trotz WM-Handballs mit entscheidenden Gruppenspielen von sowohl der deutschen als auch der dänischen Mannschaft hatten doch einige Interessierte den Weg in die Katakomben des Rathauses gefunden.

Darunter waren auch zwei Schulklassen des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig. Hommeltoft leitete den Themenabend in seiner Eigenschaft als Vermittlungsmitarbeiter  der Apenrader Versorgungsgesellschaft „Arwos“ mit einem aufschlussreichen Vortrag ein.

Auch wenn der ganze Bereich Mikroplastik und dessen Auswirkungen auf die Umwelt und den Menschen noch gar nicht ausreichend erforscht worden sind, so konnte Hommeltoft die Zuhörer in einigen Belangen zumindest beruhigen.

Effektive Klärwerke

99 Prozent der Mikroplastikpartikel aus dem Abwasser werden hierzulande in den Klärwerken herausgefiltert. Das Wasser, das also aus den Klärwerken in die Auen, Bäche, Flüsse und Förde geleitet wird, enthält maximal ein Prozent dieser winzig kleinen Kunststoffpartikel.

Allerdings setzen sich diese Mikropartikel im Schlamm der Klärwerke ab, und der wiederum wird auf die umliegenden Felder als Dünger aufgebracht. Bevor ein Aufschrei durch die Lande geht: Theis Kylling Hommeltoft konnte eine Untersuchung vorlegen, dass bei Landwirtschaftsflächen, die mit Klärwerkschlamm gedüngt wurden, nur 15 Mikrogramm Mikroplastik pro Kilo Erdreich gemessen wurden.

„Kurioserweise ist der Mikroplastikgehalt bei Landwirtschaftsflächen, auf die kein Klärwerkschlamm aufgebracht wurde, höher“, verblüffte Hommeltoft seine Zuhörer. Woran das liegt, konnte er auch nicht eindeutig erklären, denn dieses Feld ist ebenfalls nicht ausreichend erforscht.

Vom Winde verweht

Allerdings sind die mikroskopisch kleinen Mikroteilchen so leicht, dass sie mit dem Wind verteilt werden. „In Honig, zum Beispiel, sind hohe Konzentrationen von Mikroplastik festgestellt worden“, so der Vermittlungsmitarbeiter.

„Wäre ein Verbrennen des Klärschlamms dann eine Alternative?“, lautete eine Frage aus dem Publikum an den Referenten. „Ja, eigentlich schon. Aber dann auch wieder nicht. Phosphor, der in dem Klärschlamm enthalten ist, ist ein wichtiger Nährstoff für den Boden. Phosphor wird beim Verbrennen zerstört“, lautete Hommeltofts Antwort.

Ein ganz großer Mikroplastiklieferant ist Kleidung. Bei jedem Waschgang gelangen etliche Kunststoffpartikel ins Abwasser. „Schaut euch nur den Flusenfilter eurer Wäschetrockner an, und ihr bekommt einen kleinen Eindruck davon, wie viele Textilpartikel sich beim Waschen lösen“, so der Arwos-Mann. Viele der heutigen Bekleidungsartikel sind aus Kunststoff oder enthalten Kunststoff.

Ist das getrennte Kanalisationssystem womöglich ein Fehler?

In den vergangenen Jahren hat die Kommune Apenrade beziehungsweise Arwos viele Millionen in die Erneuerung des Kanalisationsnetzes investiert. Vielenorts ist bereits Regenwasser vom Abwasser getrennt worden.

„Ist es denkbar, dass Apenrade durch die Einführung des Trennsystems die Ausleitung von Mikroplastik sogar verstärkt hat?“, fragte Carsten Jürgensen. Es gebe hierfür zwar keine Untersuchungen, die dies belegen würden, aber ja, meinte auch Theis Kylling Hommeltoft, das sei durchaus möglich. Allerdings könne man die Vorteile des Trennsystems nicht von der Hand weisen.

„Bei Perioden mit viel Niederschlag verhindert das Trennsystem ein Überlaufen der Abwassersysteme“, gab er zu bedenken. Darüber hinaus gebe es in Apenrade sieben Regenwasserauffangbecken, die jeweils durch ihre Sandschichten offensichtlich einen glänzenden Mikroplastikfilter darstellen.

 

Carsten Jürgensen
Carsten Jürgensen ist nicht nur gewähltes Vorstandsmitglied, sondern seit einiger Zeit auch Angestellter der Versorgungsgesellschaft. Foto: Karin Riggelsen

 

Einwandfreies Trinkwasser

„Das Apenrader Trinkwasser ist komplett mikroplastikfrei“, lautete die (gute) Nachricht Hommeltofts an seine Zuhörer. Auch der Dürresommer im vergangenen Jahr hat dem Trinkwasser der Fördestadt nichts anhaben können, während anderenorts verstärkt Schadstoffe festgestellt wurden.

Die Frage, ob Arwos selbst Untersuchungen durchführt beziehungsweise durchführen lässt, konnte Hommeltoft mit einem ganz klaren Nein beantworten. Das gehöre zum Aufgabenbereich des Umweltministeriums und sei wohl auch ein zu teures Unterfangen, um dies aus dem eigenen Haushalt bewerkstelligen zu können.

„Es sei denn, wir werden vom Stadtrat beauftragt“, so der Referent. In dem Falle sei dann aber eine Gebührenanhebung notwendig.

Recycling von Plastik: Dänemark schneidet schlecht ab

„Ich habe gerade in einem Artikel gelesen, dass Dänemark eines der Länder ist, die am wenigsten Plastik recyceln. Kann das sein? Wenn ja, warum ist das so?“, fragte Christoph Andresen.

Hommeltoft hatte darauf keine verifizierte Antwort parat, aber Carsten Jürgensen hatte eine Vermutung: „Vielleicht liegt es daran, dass wir über so gute Verbrennungsanlagen verfügen.“ Das sei sicherlich eine gute Erklärung. Darüber hinaus sei es ein Problem, dass Verpackungsmaterial meist aus verschiedenen Plastikarten besteht.

Der Vermittlungsmitarbeiter erläuterte die vertrackte Situation am Beispiel einer normalen Trinkflasche. „Die Flasche besteht aus einer Plastikart. Das Etikett aus einer anderen. Der Deckel ist wiederum eine andere Plastikart. Hinzu kommt dann noch, dass der vermaledeite kleine Ring am Flaschenhals nur schwer abgeht“, so Hommeltoft.

Warum Apenrade eigentlich im Laufe der Vergangenheit so viele Regenwasserauffangbecken angelegt hat, wusste Theis Kylling Hommeltoft eigentlich nicht, wie er zugab. Seit Donnerstagabend ist er schlauer.

„Die Kommune Apenrade hatte früher einmal einen vorausschauenden Ausschuss für Technik und Umwelt“, klärte ihn der amtierende Stadtratsabgeordnete Erwin Andresen von der Schleswigschen Partei augenzwinkernd auf. Andresen war einst Vorsitzender dieses Ausschusses.

Theis Kylling Hommeltoft lieferte beim Themenabend der SP aufschlussreiche Informationen. Foto: Karin Riggelsen
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