Dachziegel-Fund

Expertin: „Marke Reichsadler“ war unüblich

Expertin: „Marke Reichsadler“ war unüblich

Expertin: „Marke Reichsadler“ war unüblich

jrp
Apenrade/Aabenraa
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Dieser Ziegel wurde kürzlich an der Apenrader Förde gefunden und sorgte für viele Fragezeichen. Foto: Jan Peters

Dr. Ina Germes-Dohmen ist Expertin auf dem Gebiet historischer Ziegel. Sie hat auf Nachfrage des „Nordschleswigers“, woher der Ziegel, der an der Apenrader Förde gefunden wurde, stammt und wie er dorthin gekommen ist, einige überraschende Antworten.

Der Fund eines historischen Dachziegels mit der Bezeichnung „Marke: Reichsadler“ an der Apenrader Förde bei Hoptrupholz/Hoptrupskov warf so einige Fragen bei den Findern auf: Woher kommt der Ziegel? Wie ist er in die Apenrader Förde gelangt? Wie alt ist er?

Hauke Grella, der Leiter des Deutschen Museums Nordschleswig hatte zwar einiges zu erzählen und Vermutungen, doch alle Fragen konnten er nicht beantworten.

„Der Nordschleswiger“ hat deshalb bei einer Expertin für historische Dachziegel nachgehorcht. Dr. Ina Germes-Dohmen ist promovierte Historikerin und heute tätig als freie Autorin, Lektorin und Journalistin. Ihre Promotion hat sie in „Geschichtlicher Landeskunde der Rheinlande“ absolviert. Sie hat unter anderem als Museumspädagogin am Städtischen Kramer-Museum in Kempen und als Mitarbeiterin der Essener Domschatzkammer gearbeitet. Außerdem hat sie das Buch über die „Geschichte der Westdeutschen Dachziegel- und Röhrenindustrie 1885 – 1935“ geschrieben.

Die Antwort

„Zunächst einmal lassen Sie mich meine Überraschung ausdrücken, dass ein Dachziegel aus Bracht am Strand gefunden worden ist. Wie er dorthin gekommen ist, darüber lässt sich herrliches Seemannsgarn spinnen. Auf jeden Fall scheint er, wenn man die Erosionsspuren sieht, länger im Wasser gelegen zu haben.

Das ist sicher

Die Westdeutschen Tonwerke erhielten im Juli 1900 die Genehmigung in der damals selbstständigen Gemeinde Bracht, heute ein Ortsteil von Brüggen, eine Dampffalzziegelfabrik zu gründen. Dies war also eine mechanische Fabrik, die mit einer Dampfmaschine betrieben wurde und die damals  sehr begehrten Falzziegel produzierten. Das moderne Werk mit 16 Einzelöfen, das in der Sektion Heidhausen lag,  ging im April 1901 in Betrieb.

Der Briefkopf des Ziegelherstellers in Bracht Foto: Dr. Ina Germes-Dohmen

Die Westdeutschen Tonwerke waren in der Region das 21. Ziegelwerk, das seit 1885 gegründet wurde, und das siebte am Standort Bracht, wobei fünf der Konkurrenten im Hauptort lagen und nur ein Mitbewerber in Heidhausen. Schon vier Jahre nach der Inbetriebnahme wurde das Werk ein Raub der Flammen, kein Einzelschicksal in dieser Branche. Der Betrieb wurde wieder aufgebaut und produzierte weiter. Der Ton zur Produktion kam aus dem Gemeindewald, wo sich sehr guter Dachziegelton fand. Wie alle Brachter Firmen überstand man den Ersten Weltkrieg so leidlich und begann das neue Jahrzehnt vergleichsweise optimistisch.

1921 stellten die Westdeutschen Tonwerke  auf Ringofenbetrieb um, womit man kostengünstiger Ziegel brennen konnte. In der guten Zeit der 1920er Jahre produzierten die Westdeutschen Tonwerke zwischen 4 und 5 Millionen Ziegel  jährlich. Doch die Weltwirtschaftskrise  brach denn auch diesem Betrieb das Genick. 1928  musste die Firma einen hohen Verlust verzeichnen. Anfang 1930 stellte die Firma Westdeutsche Tonwerke auf Beschluss der Gesellschafter den Antrag auf Liquidation. Der größte Brachter Konkurrent,  die Firma Steinzeugröhren- und Dachziegelwerke, übernahm den Betrieb samt ca. 65 Arbeitern und Geschäftsführung.

Zum Ziegel

Also auf den Namen ist per Stempel in der Ziegelform der Name des Ziegelei eingeprägt. Das war üblich.

WESTD. THONWERKE
BRACHT GmbH
DAMPFFALZZIEGELFABRIK
BRACHT RHLD

Abgesetzt wurden die Brüggener Ziegel durchaus auch bis Nord- und Ostdeutschland (auch wenn das Hauptabsatzgebiet im Rhein- und Münsterland lag), da sie qualitativ sehr gut waren. Mag also sein, dass der Ziegel in Schleswig-Holstein auf einem Dach war und dann auf irgendeinem Weg ins Meer geriet.

Was Sie besonders interessiert, nämlich der Name ,Marke Reichsadler‘, kann ich leider überhaupt nichts zu sagen. Denn einen Dachziegel mit einem Markennamen zu bezeichnen, war komplett unüblich! Ich kenne das nicht. Es gab Modelle: Muldenziegel, Doppelmuldenfalzziegel, Hohlfalzziegel, Bouletziegel. Aber eine bestimmte Marke und auch diese spezielle (mit dem eingestempelten Reichsadler daneben) ist mir leider unbekannt.

Dach mit Doppelmuldenpfalzziegeln Foto: Privat

Die Vorderseite würde zeigen, um welches Modell es sich handelt. Denn der Ziegel wirkt sehr dick. Ich vermute, es ist ein Doppelmuldenfalzziegel. Hatte also mindestens eine Kopffalz, die man auch noch sehen kann und auch mindestens eine Seitenfalz.

So sähe das von oben aus, so lassen sich die zwei Mulden gut erkennen, aber auch dass das Wasser ganze Arbeit geleistet und vieles abgerieben hat.

Das heißt, Ihr Ziegel war ursprünglich größer. Heute hat ein Doppelmuldenfalzziegel  die Maße 400 x 255mm, aber in der Geschichte gab es auch kleinere und größere Modelle.“

 

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