Schule

Er neu, sie lange dabei: Zwei Lehrkräfte im Gespräch

Er neu, sie lange dabei: Zwei Lehrkräfte im Gespräch

Er neu, sie lange dabei: Zwei Lehrkräfte im Gespräch

Florian Schaaf
Florian Schaaf
Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:
Marc Haverstreng und Bodil Reinmann haben etwas zu lachen. Foto: Florian Schaaf

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Wie verschafft man sich Respekt, was sollte grundsätzlich anders laufen, und welche Tipps ergeben sich aus dem langjährigen Schulalltag? Eine neue und eine erfahrene Grundschullehrkraft tauschen sich aus.

Bodil Reinmann ist eine erfahrene Grundschullehrerin, Marc Haverstreng hat neu angefangen. Dadurch ergeben sich unterschiedliche Perspektiven auf die Schule und das Leben. „Der Nordschleswiger“ hat die beiden für ein Gespräch getroffen.

Bodil arbeitet seit 20 Jahren an deutschen Schulen in Nordschleswig als Lehrerin. Lange war sie in Rothenkrug (Rødekro), später in Lunden und nun seit vier Jahren an der Deutschen Privatschule Apenrade (DPA). Sie ist 62 Jahre alt und hat damals in Hamburg und Kanada auf Lehramt studiert.

Marc hat in diesem Schuljahr frisch an der DPA begonnen und vor eineinhalb Jahren sein Studium in Niedersachsen beendet. Er ist 28 Jahre alt und hat ein Jahr in Mecklenburg-Vorpommern als Lehrer gearbeitet, bevor es ihn aus privaten Gründen nach Nordschleswig gezogen hat.

Wie hat sich Schule in den vergangenen Jahren verändert?

Bodil: Die Schüler haben sich verändert.

Marc: Ich merke, dass durch das Internet sehr viele Themen, die früher später anstanden, heute schon früher Thema werden. Das merkt man sowohl an der Sprache als auch an Verhaltensweisen, die teilweise übernommen werden aus dem Internet. Damit muss man lernen, umzugehen. Die Schüler werden früher erwachsen bei bestimmten Themen.

Bodil: Eine große Herausforderung ist auch das Handy – dieses Fixiert-sein auf das Handy.

Es ändert sich halt alles. Wir Menschen ändern uns, und die Sprache ändert sich. Es ist ein Prozess.

Bodil Reinmann, Lehrerin

 

Marc: Beispielweise auch die Motorik. Ich habe letztes Jahr Sport unterrichtet: Dadurch, dass die Kinder mehr Tore auf der Playstation als auf dem Fußballplatz schießen, bleiben gewisse Fähigkeiten und Fertigkeiten ein Stück weit auf der Strecke. Früher ist man noch auf den Bäumen herumgeklettert.

 

Bodil: Es ändert sich halt alles. Wir Menschen ändern uns, und die Sprache ändert sich. Es ist ein Prozess.

Marc: Und wenn man einen Prozess begleitet, ist es schwierig, den Unterschied festzumachen.

 

Was sollte sich ändern in der Schule?

Marc: Ich hatte es früher häufig, dass es vom Lehrer abhängig war, wie man ein Fach gefunden hat. Beispielsweise: Man war in einem Fach sehr interessiert, hatte dann nach dem Jahreswechsel einen neuen Lehrer, und dann war Lieblingsfach plötzlich nicht mehr das Lieblingsfach. Das fand ich immer ganz, ganz schlimm.

Bodil: Das wird sich, glaube ich, nie ändern.

Marc: Aber es ist ein Punkt, bei dem ich sage: Ich möchte dafür sorgen, dass sich jeder Schüler in dem Fach wohlfühlt und dass insbesondere die, die in dem Fach schon ein Interesse haben, noch stärker gefördert werden.

Ich hatte es früher häufig, dass es vom Lehrer abhängig war, wie man ein Fach gefunden hat. Das fand ich immer ganz, ganz schlimm.

Marc Haverstreng, Lehrer

 

Dazu gehört natürlich die Unterrichtsgestaltung: es so zu präsentieren, dass es ansehnlich ist. Interaktive Gestaltung. Wir haben hier super Medien in der Schule: Es gibt überall Internet, die Schüler haben iPads und Laptops. Wir haben sehr viele Möglichkeiten, den Unterricht so zu gestalten, dass er nicht langweilig wird und jeder ein großes Interesse an dem Fach entwickeln kann.

 

Bodil: Und die Schüler da abholen, wo sie stehen – mit ihren ganzen Stärken und Schwächen. Dann kann man aus jedem Schüler ganz viel „herausholen“. Wenn man sie nicht in eine Jacke zwängt, sondern offen bleibt. Und das geht. Es gibt Kinder, die haben es richtig schwer, aber es ist immer eine Freude zu sehen, wie sie sich entwickeln und was aus ihnen wird.

Marc: Da gibt es das schöne Wort „Differenzierung“: für jeden den Unterricht so gestalten, dass er ihm gut folgen kann.

 

Wie unterscheiden sich die Schulsysteme in Deutschland und Dänemark?

Marc: Ich habe letztes Jahr an einer Schule in Mecklenburg-Vorpommern unterrichtet, und da gibt es schon eine große Lücke zwischen den Schülern. Es ist schwieriger dort, vernünftig zu differenzieren. Der Lehrplan ist sehr strikt ausgerichtet auf gewisse Themen, sehr engmaschig auch.

Es gibt einen großen Druck, alles vernünftig durchzunehmen, und da wird man nicht jedem Schüler gerecht. Das ist hier ein bisschen einfacher und dadurch auch kindgerechter.

Bodil: Hier müssen wir auch unsere Ziele erreichen und haben unsere Lehrpläne, nach denen wir uns ausrichten müssen. Aber das erste Ziel ist die 9.-Klasse-Prüfung – und die machen alle. Hier stecken wir nicht jeden gleich in eine Schublade: Das ist ein Hauptschüler, das ein Realschüler und das ein Gymnasiast.

Dinge, die verbessert werden könnten, gibt es immer, aber da ist nichts, wo ich sagen würde, da brennt es.

Bodil Reinmann, Lehrerin

 

Dann haben sie hier so tolle Möglichkeiten: Du kannst zum Beispiel eine Ausbildung machen und gleichzeitig dein Abitur machen – es gibt so viele verschiedene Systeme. Denen wird die Welt geöffnet in meinen Augen, die haben so viele Möglichkeiten.

 

Marc: Die Ausstattung der Schule ist überragend hier, die Möglichkeiten für eine Betreuung bestimmter Schüler ist super, es gibt gute Nachhilfemöglichkeiten, es gibt ein Hausaufgaben-Café, es gibt eine super Digitalisierung und technische Ausstattung.

Bodil: Dinge, die verbessert werden könnten, gibt es immer, aber da ist nichts, wo ich sagen würde, da brennt es.

 

Welche Chancen oder Probleme ergeben sich aus der Digitalisierung?

Marc: Die Schüler können selbstständig viel lernen und recherchieren.

Bodil: Beim Lockdown war das perfekt mit Microsoft Teams. Beim ersten Lockdown war das noch etwas holprig, aber nachher … Und das ist ganz toll: Wenn wir jetzt Schüler haben, die vielleicht mal länger krank sind, können die immer dazugeschaltet werden, Hausaufgaben können so abgegeben werden. Das eröffnet ganz viele Möglichkeiten.

Marc: Kommunikation zu den Eltern und Schülern ist gut möglich – und auch zwischen uns Kollegen ist der Weg kurz.

Bodil: Die Handys sind schon ein Nachteil – dass die immer gleich parat sind. Die Kinder sind kaum vom Schulhof, und schon sitzen sie da übers Handy gebeugt.

Marc: Es ist eine Überflutung von Reizen, es lenkt ab, dieses permanente Erreichbar-sein. Wenn man es teilweise sieht, dass Kinder schon Probleme haben, ein normales Gespräch zu führen … Sie schreiben halt nur über ihre Handys.

Bodil und Marc stehen an verschiedenen Stellen ihrer Karriere – trotzdem waren sie sich oft einig. Foto: Florian Schaaf

 

 

 

Wie verschafft ihr euch Respekt bei den Kindern?

Marc: Sicheres und positives Auftreten. Wie man mit den Schülern spricht, so kommt es meistens auch zurück. Wenn man mit den Kindern vernünftig umgeht, der Unterricht gut geplant ist und man auf dem Pausenhof auch mal einen Spaß zusammen machen kann, ist man schon auf einem guten Weg, dass der Respekt ganz automatisch kommt.

Bodil: Authentisch sein, auch mal einen Fehler zugeben. Man ist nicht allwissend als Lehrer. In der einen Klasse gibt es ein neues Smartboard, und dann habe ich da so Sechstklässler, die sind dann meine Experten, und die helfen mir dann – das macht mich menschlich.

Authentisch sein, auch mal einen Fehler zugeben. Man ist nicht allwissend als Lehrer.

Bodil Reinmann, Lehrerin

 

Und wenn man das, was man macht, gerne macht: Das spüren sie. Die merken das auch, wenn es einem mal nicht gut geht und gehen darauf ein – auf ihre Art. Man muss authentisch sein, und wenn man das nicht ist, merken die das.

 

 

Bodil, welche Tipps hast du an deinen jungen Kollegen?

Bodil: Immer die Ruhe bewahren. Sich nicht verrückt machen lassen. Sich nicht erdrücken lassen von dem ganzen Material, das es gibt – weniger ist manchmal mehr. Man hat leicht die Tendenz: Hier ist noch was Tolles, und da ist noch was Tolles, und dann verliert man leicht den Fokus.

Marc: Das waren auf jeden Fall schon sehr gute Tipps. Ich hatte am Anfang so einen Haufen von Büchern da liegen und wusste gar nicht mehr, wo oben und unten ist. Manchmal ist es wirklich so: Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Da zehrt man dann auch ein bisschen von der Erfahrung der Kollegen.

Bodil: Einfach die Ruhe bewahren, das ist alles gar nicht so schlimm. Man ist immer vorbereitet, und man kann auch immer was. Und man muss offen und flexibel sein: Wenn man jetzt was vorbereitet hat und merkt, das läuft überhaupt nicht, dann muss man es einfach gehen lassen – nicht mit Gewalt durchboxen.

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