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Chorprobe mit Minderheiten-Charakter: Ein Erfahrungsbericht

Nordschleswiger Chorprobe: Ein Erfahrungsbericht

Nordschleswiger Chorprobe: Ein Erfahrungsbericht

Carlotta Miede
Carlotta Miede
Apenrade
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Diese Woche hat der Minderheitenchor zur offenen Probe „Nimm einen Freund mit" eingeladen. Foto: Karin Riggelsen

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Der Chor der Musikvereinigung Nordschleswig bietet diese Woche sein Mitsing-Event „Nimm einen Freund mit“ an. Damit möchte der Chor Neuzugänge und Interessierte einladen, an einer Probestunde teilzunehmen. Carlotta Miede hat für den „Nordschleswiger“ ihre musikalische Seite entdeckt.

So gut wie alle Stühle des Stuhlkreises sind besetzt. Auf ihnen sitzen die unterschiedlichsten Menschen. Unter ihnen eine Nordschleswigerin, die es nach 22 Jahren wieder in die Heimat gezogen hat. Eine Familie – Vater, Mutter, Sohn – aus Pattburg (Padborg), die heute das erste Mal dabei ist. Eine adrette ältere Dame aus Loit (Løjt) mit schicker Brille und eine junge Frau in den Mittzwanzigern, die die Probe besucht, wann immer sie in der Heimat ist. Das sind nur ein paar Beispiele für die Vielfältigkeit der Teilnehmenden. Ich, ausgezeichnet durch meine Unmusikalität, sitze dazwischen und weiß nicht so richtig, was mich erwartet.

Die Dirigentin und Musikerin Susanne Heigold leitet seit 2013 die Musikvereinigung Nordschleswig. Foto: Karin Riggelsen

Vorn: Die engagierte Dirigentin

Susanne Heigold steht auf der Tribüne. Eine kleine Frau mit einer großen Stimme und sprudelnder Energie. Sie begrüßt alle Neuankömmlinge mit einem einladenden Lächeln und merkt sich sofort jeden Namen. Ich fühle mich sehr schnell willkommen und gut aufgenommen.

„Der Chor ist eine richtig gute Gemeinschaft“, erzählt Karen. Sie war zu ihrer Schulzeit bereits Mitglied im nordschleswigschen Chor, ist dann aber nach Deutschland gezogen und jetzt nach dem Tod ihres Mannes nach über 30 Jahren in die Region zurückgekehrt. Heute Abend ist sie die mitgenommene Freundin, oder vielmehr Tochter, ihres Vaters, der selbst schon seit Längerem im Chor singt. Jeder werde mit offenen Armen aufgenommen, sagt sie. Trotzdem habe der Chor Probleme, Nachwuchs zu finden.

Ich frage mich, warum. Zugegeben, wenn man sich umschaut, sieht man ein Meer aus grausilbernen Haarschöpfen, nur gelegentlich durchbrochen von einem Braun oder Blond. Aber wenn man sich umhört, dann hört man die jugendliche Energie, die die Gruppe versprüht. Ein Teil dieser Energie stammt natürlich auch von Susanne Heigold, die mit ihrer Art zu dirigieren klarmacht, dass es vorrangig ein Miteinander ist und der Spaß an der Musik im Vordergrund steht.

Eine einnehmende Gruppendynamik

Es ist ein schönes Gefühl, inmitten einer Gruppe von ungefähr 40 Menschen zu sitzen, die zwar aus unterschiedlichen Ecken kommen mögen, aber egal ob Deutsch, Dänisch, Dänisch-Deutsch oder Deutsch-Dänisch, durch ihren gemeinsamen Gesang verbunden sind.

Für den „Nordschleswiger" nahm Carlotta Miede (3. v.r.) an einer Probe des Chores der deutschen Minderheit teil. Foto: Karin Riggelsen

Ich bin bei Weitem keine Sängerin, doch zusammen mehrstimmig ein klassisches Lied zu singen macht einfach Spaß. Die Stimmung ist entspannt, und jede Stimmgruppe wird von Susanne Heigold individuell unterstützt. Dabei ermuntert sie die Singenden auch, bewusst falsche Noten zuzulassen. „Versucht nicht, alles perfekt zu machen. Traut euch, falsch zu singen und dafür entspannter zu sein.“

Der Chor ist überall unterwegs

Trotzdem, oder gerade deswegen, hat der Chor grundsätzlich ein hohes Niveau. Liesa, fast 25 und ehemalige Schülerin des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig, ist für ihre Ausbildung nach Deutschland zurückgekehrt. Aber wenn sie ihre Familie besucht und Zeit hat, nimmt sie an den Proben teil. „Der Chor macht richtig große Dinge. Wir waren schon in Hamburg und Berlin, singen auf Beerdigungen, geben Kirchenkonzerte. Dieses Stimmenvolumen in einer Kirche – das wirkt noch mal ganz anders.“ Der Chor ist auf klassische Musik fokussiert, singt aber auf Deutsch und Dänisch, manchmal sogar auf Latein. „Sogar ein Lied auf Sønderjysk war schon dabei“, merkt Liesa an.

Nordschleswig von vorne bis hinten

Diese spezielle Minderheitennote, die Sprachenvielfalt, ist während der Probe präsent. Susanne dirigiert und erklärt zwar auf Deutsch, aber den Takt anzählen und der ein oder andere Witz zwischendurch finden auch auf Dänisch und Sønderjysk statt.

An diesem Abend habe ich mein verstaubtes musikalisches Ich herausgeholt, auf den Stuhl gesetzt und ein paar mehr oder weniger korrekte Noten schmettern lassen. Ob daraus eine musikalische Karriere wird, wer weiß, aber ich habe das Chorsingen und die Freude, die es bringt, definitiv unterschätzt.

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