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Musikschulleiterin: „Der Musikunterricht ist in der Krise“

Musikschulleiterin: „Der Musikunterricht ist in der Krise“

Musikschulleiterin: „Der Musikunterricht ist in der Krise“

Apenrade/Aabenraa
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Wer ein Musikinstrument erlernt, erweitert seine kreativen Fähigkeiten. Foto: Karin Riggelsen

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Bis vor einigen Jahren war die Musikschule ein Ort, an dem die Menschen lernten, Instrumente zu spielen. Heute haben die Lehrerinnen und Lehrer ein breites Aufgabenfeld. Welche Aufgaben das sind, erklärt die Apenrader Musikschuldirektorin.

Gitarren- und Geigenklänge schallen am späten Dienstagnachmittag aus einem offenen Fenster der Apenrader Musikschule und sind auf der Nygade zu hören. Die obersten großen Fenster des historischen Gebäudes im modernen Antlitz sind erleuchtet. Dort übt ein bunt zusammengesetztes Orchester. Es ist Leben in der Schule.
 

Die Apenrader Musikschule liegt in der Nygade. Foto: Karin Riggelsen

„Die beliebtesten Instrumente sind die Gitarre und das Klavier“, erzählt Edna Rasmussen. Beide Instrumente liefen sich im Wechsel den Rang ab, schmunzelt sie. Sie leitet die Schule seit der Kommunalreform im Jahr 2007. Seither habe sich im Musikschulbereich viel getan, sagt Edna Rasmussen.

Neue Aufgaben für die Musikschulen

Zuvor hatten die Musikschulen die Aufgabe, vor allem jungen Menschen beizubringen, ein Instrument zu spielen. „Die Kernaufgabe hat sich sehr verändert. Unser Aufgabenfeld hat sich in den vergangenen fünf, zehn Jahren erweitert“, erklärt Rasmussen und fährt fort, „Heute machen wir Angebote für Tagesmütter, Kindergärten und Schulen“, sagt sie.

Doch warum ist die Musikschule so wichtig?

„Für mich ist die Musik eine zusätzliche Sprache, die man bekommt und in der man sich ausdrücken kann“, erklärt Edna Rasmussen. „Musik ist etwas für alle, doch wir sehen besonders bei Kindern mit besonderen Herausforderungen, dass es für sie sehr positive Auswirkung hat, wenn sie sich durch die Musik ausdrücken können. Außerdem wird die Gehirnhälfte animiert, die für die Kreativität verantwortlich ist. Unsere Kreativität wird also gefördert und andere Kompetenzen werden benutzt, wenn wir uns mit Musik beschäftigen“, fährt sie fort.

Und Musik habe in sich einen Wert, denn sie mache glücklich, ist sich die Musikschulleiterin sicher. Und das hat schließlich auch einen ökonomisch-gesellschaftlichen Wert, „denn wir bilden kreative Menschen aus, und die sind auf dem Arbeitsmarkt in hohem Maße gefragt. Diese Kompetenzen werden bei uns gefördert“, erklärt Rasmussen.

Mit vereinten Kräften die Unterrichtsqualität halten

Besonders an den Volksschulen sei der Einsatz der knapp 30 Musiklehrerinnen und -lehrer, die die Musikschule beschäftigt, wichtig, denn „nicht alle Schulen haben eine Fachlehrkraft, und das bedeutet, dass es dort keinen oder nur einen sehr begrenzten Musikunterricht gibt. Die Schulen haben es schwer, die Unterrichtsqualität aufrechtzuerhalten. Mit unserem Beitrag geben wir einen Boost“, erklärt sie.

Musikschulleiterin Edna Rasmussen hält seit 2007 die Zügel der Institution in der Hand. Foto: Karin Riggelsen

„Das Angebot für Volksschulen haben wir in den vergangenen Jahren verdoppelt“, berichtet Edna Rasmussen. Die Mitarbeitenden der Musikschule kommen meist für einen begrenzten Zeitraum in die Schulen und unterrichten Musik. Das Angebot ist für Schulen und Tagesinstitutionen in der Kommune kostenlos.

Musikschule für alle

Damit alle Kinder und Jugendlichen in den Genuss einer musikalischen Ausbildung kommen können, gibt es verschiedene Zuschüsse. Je nach Einkommen der Eltern sind diese Zuschüsse gestaffelt. Zudem gibt es eine sogenannte Freiplatzordnung für Kinder, deren Eltern finanziell besonders herausgefordert sind.

Konzentriert schaut Svenja von der Deutschen Privatschule Apenrade auf das Notenblatt und spielt die Melodie auf der Violine. Foto: Karin Riggelsen

Großer Wunsch der Musikschulleiterin

Und auch wenn sich das Angebot und die Angebotsvielfalt der Musikschule erweitert hat, hat Edna Rasmussen doch einen großen Wunsch: „Ich wünschte, wir könnten unsere Schülerinnen- und Schülerzahl so weit erhöhen, dass wir Kinder in der ganzen Kommune erreichen“, verrät sie. Noch gibt es nämlich Bereiche auf der Landkarte, von wo noch keine Menschen in die Schule kommen. Weiße Flecken auf der Karte nennt Edna Rasmussen diese Bereiche. Der Abstand zur Musikschule ist für diese Menschen zu weit, der Aufwand ist zu groß. „Wir sind eben Dänemarks neuntgrößte Kommune. Da ist es von Bülderup-Bau weit hierher“, erklärt sie. „Wir würden gerne wachsen, sodass wir tatsächlich eine Musikschule für alle sind – und auch für alle sichtbar sind“, sagt sie.

Eine Lösung, wie sich der Wunsch erfüllen lassen könnte, hat sie noch nicht, denn unter anderem die finanziellen Rahmenbedingungen lassen es nicht zu, dass das Angebot auch in die Randbezirke der Kommune getragen werden könnte.

Angebote für Schulen

„Musik i rygsækken“ und „Musik-Math“ sind nur zwei der vielen unterschiedlichen Angebote, die die Musikschule den Schulen macht. Es geht dabei nicht ausschließlich um Musikinstrumente. Es geht darum, Musik auf unterschiedlichste Art in den allgemeinbildenden Unterricht einzubinden. Zum Teil kommen die Schulkinder auch in die Musikschule und lernen hier Instrumente kennen. Das gesamte Angebot für Schulen ist auf der Internetseite der Musikschule zu finden. Über 900 Schülerinnen und Schüler haben die Musikerinnen und Musiker so im vergangenen Jahr erreicht. 

Fachlehrermangel

„Es fehlt an den Schulen an ausgebildeten Fachlehrerinnen und Fachlehrern“, meint Edna Rasmussen und nennt damit einen Hauptgrund, weshalb der Musikunterricht an den Volksschulen oft zu kurz komme. Der Unterricht der kreativen Fächer sei schon in den Lehrausbildungen runterpriorisiert worden, hat Rasmussen beobachtet. Sie selbst ist ausgebildete Musiklehrerin und verfolgt die Entwicklung auf diesem Gebiet seit Jahren.

Fehler im System

Der Fehler liege in der Finanzierung der Lehrerausbildung. „Man bekommt als Ausbildungsinstitution für jeden Lehramtsstudierenden die gleiche Summe. Es kostet jedoch mehr, einen Musiklehrer auszubilden, als beispielsweise einen Englischlehrer“, erklärt sie. Die Musikstudierenden bekommen zu wenig Wissen mit auf den Berufsweg, und das führe zu schlechterem Unterricht an den Schulen. „Wenn die neuen Lehrerinnen und Lehrer an die Schulen kommen, wählen sie Musik als Fach meist ab und unterrichten es nicht, weil sie sich darin am wenigsten vorbereitet fühlen“, erklärt sie.

Violinlehrerin Jette Skovbakke Steensen ist eine der 29 Lehrerinnen und Lehrer der Apenrader Musikschule. Foto: Karin Riggelsen

„Der Musikunterricht an den Schulen ist in der Krise“, meint Rasmussen. Das merke man an der Musikschule. Wo nämlich das fachliche Niveau an den Schulen stimme, von dort kommen auch viele Kinder an die Musikschule. Der Abstand der Schule zur Musikschule spiele dabei keine Rolle. „Die Schule kann noch so weit entfernt liegen: Wenn es einen guten Musiklehrer gibt, dann kommen die Kinder auch zu uns.“

Lösungsansatz

Um eine Lösung für das Problem anzubieten, ist ein Netzwerk aus Lehrkräften für Musik gegründet worden. 15 Lehrkräfte haben sich dafür kürzlich in der Musikschule getroffen. Sie werden jetzt weitergebildet und möchten sich im Netzwerk austauschen. „Auch eine neue Aufgabe, der wir uns als Musikschule angenommen haben“, so Rasmussen.

Dass die Kommune eine Musikschule hat, ist übrigens gesetzlich festgelegt. „Nach der Kommunalreform ist beschlossen worden, dass es in jeder Kommune eine Musikschule geben soll.“ Ein solches Gesetz sei europaweit einzigartig. Edna Rasmussen freut sich, dass im Stadtrat derzeit überlegt wird, neue Übungsräume für Hobbymusikerinnen und -musiker zu schaffen. „Wir haben ein gutes Verhältnis zu den lokalen Musizierenden und werden immer wieder von ihnen unterstützt, wenn wir Hilfe benötigen“, berichtet sie. „Mit neuen Übungsmöglichkeiten stärken wir das Musikleben in der Kommune.“

Die Apenrader Musikschule nimmt, wie auch die Musikschulen in Hadersleben (Haderslev), Sonderburg (Sønderborg) und Tondern (Tønder), am deutsch-dänischen Musikschultag teil. Der findet in diesem Jahr in Flensburg statt. 2024 ist die Apenrader Musikschule verantwortlich.

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