Nerzfarm in Krusau

Jens Wistoft aus Kitschelund: „Für mich ist die Zucht endgültig Geschichte“

Jens Wistoft: „Für mich ist die Zucht endgültig Geschichte“

Für Jens Wistoft ist die Nerzzucht endgültig Geschichte

Krusau/Kruså
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Im Herbst 2020 musste Jens Wistoft alle seine Nerze keulen. Seitdem ist seine Nerzfarm verwaist und wird es vermutlich noch ein paar Jahre bleiben. Foto: Marle Liebelt

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Zwar dürfen Nerzbetriebe ab Januar wieder züchten. Das aber kommt für den Züchter Jens Wistoft nicht infrage. „Der Nordschleswiger“ hat ihn auf seiner verwaisten Farm in Krusau besucht. Dabei erzählt er von seiner Beziehung zur Zucht und warum er meint, dass sich die Pelzproduktion und die Liebe zum Tier nicht ausschließen.

Etwas abgelegen vom Aabenraavej, mitten zwischen Feldern, ist es still. Erst auf den letzten Metern der Anfahrt taucht die Nerzfarm aus dem Nebel auf. Jens Wistoft öffnet das Eingangstor einer großen Halle, und vor ihm liegen Reihen mit Tausenden von Käfigen – kein Wasser, kein Stroh, kein Geruch, keine Geräusche. 

Mehr als drei Jahrzehnte lang hat der Landwirt hier jedes Jahr aufs Neue Nerze gezüchtet. „Damals – das war 1985 – hat mein Kollege hier mit 200 Muttertieren angefangen, und ich bin eingestiegen.“ Bis vor zwei Jahren arbeiteten hier vier Mitarbeiter in Vollzeit, mit jährlich inzwischen rund 24.000 Nerzen, deren Pelze Wistoft in die ganze Welt verkaufte.

„Die Tiere bestimmen dein Leben, du richtest dein ganzes Jahr nach ihrem Rhythmus aus“, sagt Wistoft. Er beschreibt den ganzen Prozess und die Zucht sehr nüchtern: „Ich hatte hier 4.000 Muttertiere. Die Welpen werden im April geboren, dann trinken sie von der Mutter, das Fell wächst. Erst zum Schluss kommt die Farbe durch, das ist ungefähr im November – dann werden sie gepelzt.“ Heißt: Ihnen wird das Fell samt Hautschicht abgezogen. Dann beginnt der Prozess von Neuem.  

Besser gesagt, begann. Im Herbst 2020 mussten die dänischen Nerzzüchter alle Tiere keulen. Der Grund: Es wurde angenommen, dass sie Mutationen des Coronavirus auf den Menschen übertragen. Die Erkenntnis, dass es sich um eine Fehleinschätzung handelte, erreichte die Züchter zu spät. Zwischen 15 und 17 Millionen Nerze wurden in Dänemark getötet.

Seitdem herrscht eisige Stille in den Käfigen der Nerzfarmen. Am Mittwochmorgen nimmt Wistoft den „Nordschleswiger“ mit in die Reihen seiner verwaisten Farm, und irgendwie passt die Stimmung, in die dieser kalte und neblige Herbstmorgen die Farm hüllt, zum Thema. 

Es fällt schwer, sich vorzustellen, wie hier Jahr für Jahr Tiere in Massen gezüchtet wurden, um nach wenigen Monaten für die Pelzproduktion zu sterben. 

Die Käfige auf der Nerzfarm in Krusau sind seit nun fast zwei Jahren verwaist. Foto: Marle Liebelt

„Ich liebe die Tiere“

Für Wistoft war das Routine – kaum nachvollziehbar für den Laien. Wie kann man süßen, kleinen Babys das Fell über die Ohren ziehen? „Ein Problem unserer Branche war immer, Laien zu vermitteln, warum wir das tun. Aber es ist unser Geschäft. Wir arbeiten mit Nutztieren“, sagt der Landwirt. Auch wenn es sich viele nicht vorstellen können, „ich liebe die Tiere“. 

Das ganze Jahr über verbrachte der Nerzzüchter viel Zeit mit den Tieren. „364 Tage ist es schön, und dann kommt der eine Tag, da ist es nicht schön.“ Wistoft vergleicht das mit einem Leben auf dem Hof. „Als Kind verbringst du auch viel Zeit mit den Tieren auf dem Hof, freundest dich mit ihnen an. Dann kommt der Tag, da wird dieses Tier geschlachtet. Das wird Normalität.“ 

In dieses ambivalente Verhältnis wachse man einfach hinein. Ein Tier zu lieben und es trotzdem zu nutzen, schließe sich aus Wistofts Sicht nicht aus. 

Jens Wistoft mit einer Auswahl an Nerzpelzen. Das Fell stammt von Jungtieren, die im Alter von etwa sechs Monaten „gepelzt“ wurden. Foto: Marle Liebelt

Das Keulen hat ein großes Loch in viele Existenzen gerissen

Das Geschäft mit Pelzen ist verrufen. Zum einen, weil es eben nicht den Hofcharakter hat, sondern Tausende Tiere in kleinen Käfigen gehalten werden. Hinzu kommt, dass diese Massentierhaltung nicht der Lebensmittelproduktion dient, sondern der von Luxusgütern. Aber aller Kritik zum Trotz: Für Dänemark war die Pelzproduktion ein großer Markt  – „an dem sehr viele Arbeitskräfte und Existenzen hingen“, sagt Wistoft. Das vorläufige Ende habe viele Züchter, Familien und Fachkräfte wie ein Schlag getroffen. 

Dass die Regierung nun verkündet hat, die Züchter könnten den Betrieb im kommenden Jahr wieder aufnehmen, davon hält Wistoft nicht viel. „Für mich ist das Thema durch. Und es ist okay.“ Er ist über 60, hat als Regionalpolitiker auch so schon viel um die Ohren und kann mit der Nerzzucht abschließen. 

Das gehe aber nicht allen so. „Die Entscheidung der Regierung bringt viel Unruhe rein. Ich glaube, es wäre besser gewesen, wenn sie einen Strich unter das Kapitel Nerzzucht gemacht hätte.“

Für die meisten Züchter käme eine Wiederinbetriebnahme nicht infrage, weiß Wistoft. Er ist Vorsitzender des regionalen Pelzzüchtervereins „Grænseegnens Pelsdyravlerforening“. 32 Nerzzüchter gibt es in Nordschleswig, und „keiner von ihnen plant, wieder eine Nerzzucht aufzubauen“. So etwas würde Jahre dauern – das war Wistoft schnell klar. Deshalb habe er die Entscheidung, nicht wieder zu züchten, früh getroffen. 

Farm bleibt vorerst verwaist

Warum aber steht in seiner Farm noch alles an Ort und Stelle, als könnten schon morgen wieder Tiere in die Käfige einziehen? Ganz einfach: Jens Wistoft muss nun die Enteignung abwarten. Denn der Staat übernimmt alle ehemaligen Nerzfarmen, die den Betrieb nicht wieder aufnehmen. 

Dazu werden alle Farmen auf ihren Wert geschätzt, um herauszufinden, wie hoch die Entschädigungszahlung sein muss. Das passiert in erster Instanz. In zweiter Instanz haben die Landwirte die Möglichkeit, die Schätzung anzufechten. Alles auf der Farm geht – wenn es dann so weit ist – in Staatseigentum über. „Das ist der Grund, warum wir Züchter die Farmen nicht längst zurückgebaut haben.“ 

Nach Wistofts Worten wird man sich optimalerweise in erster Instanz einig. Aber selbst dann wird dieser Prozess noch Jahre andauern, schätzt Wistoft. Bis dahin bleiben die Farmen verwaist, und Züchter wie Wistoft warten auf ihre Entschädigung.
 

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