Leitartikel

„Gordischer Grenzhandelsknoten“

Gordischer Grenzhandelsknoten

Gordischer Grenzhandelsknoten

Nordschleswig/Apenrade
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Der Grenzhandel wird aus dänischer Sicht oft einseitig dargestellt. Doch daran rüttelt ein neuer Grenzhandels-Bericht. Es ist doch vieles nuancierter, als angenommen, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

In dieser Woche gab es wieder einmal einen Bericht zum Grenzhandel. Wer hier lebt, kennt diese Berichte, denn es gibt sie schon seit Jahrzehnten, seit das Institut für Grenzregionsforschung in Apenrade Ende der 70er Jahre die ersten Studien machte.

Dennoch ist der neueste Bericht des Steuerministeriums diesmal anders, denn statt nur darauf zu zielen, was die Dänen südlich der Grenze einkaufen, hat das Ministerium diesmal versucht, die Gesamtlage zu beschreiben, nämlich dass der Grenzhandel in beide Richtungen geht und auch Einnahmen bringt, wenn Deutsche, Norweger und Schweden in Dänemark einkaufen.

Betrachtet man den Grenzhandel isoliert und berechnet nur, was die Dänen bei Fleggaard, Calle und Co. südlich der Grenze einkaufen, gehen dem Handel jedes Jahr 5,4 Milliarden Kronen verloren. Doch auch in dieser Rechnung gibt es einige Unbekannte: Zum einen wäre der Verbrauch nicht so groß, wenn die Waren alle in Dänemark eingekauft würden (oder hast du jemals jemanden in SuperBrugsen mit 15 Kisten Bier, 10 Kilo Matador Mix und 20 Ritter Sport gesehen?). Und schließlich werden im Grenzhandel auch jede Menge dänische Waren verkauft, die in Brauereien und Schokoladen- und Lakritz-Produzenten in Dänemark für Beschäftigung sorgen.

Es ist offensichtlich, dass der Kaufmann oder Supermarkt in Nordschleswig den Kunden nachweint – vor allem, wenn es um Bier, Wein und Spirituosen geht. Doch umgekehrt leben dieselben Läden in Helsingør oder Frederikshavn gut vom umgekehrten Grenzhandel. Obwohl es also regionale Unterschiede gibt, geht die Rechnung auf nationaler Ebene fast auf.

Außerdem gibt es auch Geschäfte in Nordschleswig, die am deutschen Eintages-Tourismus verdienen – sogar die grenznahen Supermärkte, die zwar kein Bier verkaufen, dafür aber jede Menge deutsche Kunden haben, die andere Waren kaufen. Also geht die Rechnung auch hier fast auf.

Alles in allem lassen die Dänen beim Grenzhandel 10,75 Milliarden Kronen im grenznahen Ausland, während unsere Nachbarn in Dänemark für 10,5 Milliarden Kronen einkaufen. Also sogar ein kleines Plus für die dänische Wirtschaft in Höhe von 250 Millionen Kronen.

Das Steuerministerium wäre aber kein Steuerministerium, wenn es nicht auch die dahinter liegenden Steuer-Effekte berechnen würde, und so lautet das Endergebnis, dass Dänemark durch den Grenzhandel jährlich eine Milliarde Kronen verliert.

Nach jedem Grenzhandels-Bericht steht man vor demselben gordischen Knoten, weil es einfach keine leichten Lösungen gibt. Werden die Abgaben für Bier und Wein weiter gesenkt, steigen vielleicht die Steuereinnahmen und ein Teil des Grenzhandels kann zurückgewonnen werden. Doch dadurch entstehen andere Probleme, zum Beispiel im Gesundheitsbereich durch den Mehrverbrauch an ungesunden Waren.

Stellen wir daher fest: Der Grenzhandel ist gekommen, um zu bleiben. Das sieht man allein daran, dass viele sogar eine stundenlange Autofahrt auf sich nehmen und beim Einkauf südlich der Grenze, gesamt gesehen, gar nichts sparen.

Die Fahrt über die Grenze ist ein Ausflug und ein Erlebnis – ein Stück dänische Kultur eben. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern – und auch nicht daran, dass es in Nordschleswig einige Branchen gibt, die den Grenzhandel verdammen, während andere sich die Hände reiben. Denn auch beim Grenzhandel gibt es zwei Seiten der Medaille.      

 

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