Gedenken

„Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart“

Die stillen Minuten beim Fest

Die stillen Minuten beim Fest

Knivsberg /Knivsbjerg  
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Der Kranz liegt für die Gedenkfeier bereit. Foto: Walter Turnowsky

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Die Kranzniederlegung bei der Gedenkstätte war mit einigen stillen Minuten verbunden während des ansonsten so bunten Knivsbergfestes.

Der Wind rauscht leicht in den Buchen bei der Gedenkstätte. Aus der Ferne hört man die munteren Stimmen der Kinder und die Ansagen bei den Sportveranstaltungen. Eine Viertelstunde früher hat der Vorsitzende des Deutschen Jugendverbandes für Nordschleswig, Jasper Andresen, den Kranz vor der Gedenkstätte niedergelegt.

Einzeln oder zu zweit kommen Menschen vorbei und studieren still die Namen auf den Gedenktafeln. Namen, hinter denen sich viele Geschichten und viel Geschichte verbirgt, wie der Leiter des Deutschen Museums, Hauke Grella, bei einem Rundgang eine Stunde nach der Gedenkfeier berichten wird.

Jasper Andresen nach der Kranzniederlegung Foto: Karin Riggelsen

Die Gedenkfeier selbst hatte Pastor Matthias Alpen als eine Friedensandacht gestaltet. Er berichtete, die Kirchen in Nordschleswig seien von der Synode der Nordkirche gefragt worden, ob sie ihre Arbeit noch als Friedensarbeit verstehen.

„Je länger wir über die Frage nachdachten, ob kirchliche Arbeit heute noch Friedensarbeit ist, desto spannender wurde es, darüber zu schreiben und in die Tiefe zu gehen. Denn tatsächlich sind wir zu dem Schluss gekommen, dass viele Aspekte unserer Arbeit auch heute noch, 101 Jahre nach der Neufestlegung der Grenze, Friedensarbeit sind oder beinhalten“, so Alpen.

Matthias Alpen hielt eine Friedensandacht. Foto: Karin Riggelsen

Als Friedensarbeit bezeichnete er den Umgang mit den zum Teil komplizierten, von den politischen Veränderungen geprägten Familiengeschichten des Grenzlandes. Man müsse Schmerzpunkte aufsuchen, Vergangenheit nicht verschweigen.

Die Bedeutung des Gedenkens verdeutlichte er mit einem Zitat des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker: „Es geht nicht darum, Vergangenheit zu bewältigen. Das kann man nicht. Sie lässt sich nicht nachträglich ändern und ungeschehen machen. Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.“

Stille und nachdenkliche Minuten während des Festes Foto: Karin Riggelsen

Wie treffend dieses Zitat an genau diesem Ort gewählt war, zeigte der historische Schnelldurchlauf über den zur Gedenkstätte gewandelten Ehrenhain. Als dänische Historiker in den 90er Jahren nachwiesen, dass drei der Personen, derer gedacht wurde, als Kriegsverbrecher verurteilt worden waren, beschloss der Vorstand des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), die Namen von den Gedenktafeln zu entfernen. Später wurden weitere zwei Namen entfernt.

In einem Fall, berichtete Grella, war in den Dokumenten des BDN vermerkt worden, er sei an den Folgen des Krieges verstorben. Recherchen hätten jedoch ergeben, dass er von den Alliierten wegen Kriegsverbrechen verurteilt und hingerichtet worden ist. Die Beschlusslage des BDN ist, dass die Namen von Personen, die wegen Kriegsverbrechen verurteilt worden sind, entfernt werden.

Hauke Grella erzählte im Schnelldurchlauf die Geschichte der Gedenkstätte. Foto: Walter Turnowsky

„Das Komplizierte ist jedoch der Umgang mit den Grauzonen“, so Grella.

Er wies darauf hin, dass einige deshalb nicht verurteilt wurden, weil sie bereits während des Krieges gestorben sind. Er kenne ungefähr zehn Fälle, wo dies nach seiner Einschätzung zutrifft.

Grella nannte das Beispiel eines Mannes, der in einem Konzentrationslager als Wächter gearbeitet hatte und sich unmittelbar nach Kriegsende das Leben nahm.

Die Gedenkstätte wird ein zentraler Bestandteil des Knivsbergs als historischer Lernort sein. Foto: Max Hey

Hauke Grella plädiert dafür, dass man diese Namen nicht entfernt, sondern Geschichte vermittelt.

„Dies soll weiterhin eine Stätte des Gedenkens sein, aber wir arbeiten daran, dass auch eine Vermittlungsebene geschaffen wird“, meint der Museumsleiter.

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