So wohnt die Minderheit

Das Luxuskollegium

Das Luxuskollegium

Das Luxuskollegium

Hellerup
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Für Tobias Klindt, Ronja Hallmann und Siri Jürgensen ist das Collegium 1961 in Hellerup ein Stück Nordschleswig in der Großstadt. Foto: Walter Turnowsky

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Studierendenwohnheim, Internat oder WG: Das Zusammenleben in der Minderheit sieht ganz unterschiedlich aus. „Der Nordschleswiger“ hat die verschiedenen Einrichtungen besucht und stellt diese in einer kleinen Serie vor. In diesem Teil erzählen Siri Jürgensen, Tobias Klindt und Ronja Hallmann über ihr neues Zuhause im Kollegium in Hellerup.

Wer das Viertel, in dem das Collegium 1961 in Hellerup liegt, kennt, der weiß es, wer sich ihm nähert, merkt es schnell: Hier wohnen nicht die ärmsten Einwohnerinnen und Einwohner der Hauptstadt. Die Villa schräg gegenüber dem Kollegium ist soeben für 45,5 Millionen Kronen verkauft worden.

Das Kollegium liegt im Nobelviertel in Hellerup. Foto: Walter Turnowsky

Heimat in der Fremde

Die vornehme Nachbarschaft ist jedoch nicht der Grund, weshalb die Bewohnerinnen und Bewohner es als Luxuskollegium bezeichnen. Es sind die Möglichkeiten, die es ihnen bietet. Vor allem bietet es den zehn Studierenden ein kleines Stückchen Nordschleswig nach dem Umzug in die Großstadt. Als der Bund Deutscher Nordschleswiger das Haus vor mehr als 60 Jahren kaufte, war es günstig zu haben.

„Wenn ich hier wohne, ist das immer noch ein Stück Heimat, weil man ein paar Leute hat, die man kennt und eine Stelle, die sich sehr wie zu Hause anfühlt. Wenn alles andere, die Stadt und das Studium, sich neu anfühlt, dann ist es schön, dass sich zumindest eine Sache sehr ‚tryg‘ anfühlt“, erklärt Ronja Hallmann ihre Motivation, sich das Kollegium der Minderheit auszusuchen.

Deutsch in Kopenhagen

Die Haderslebenerin wohnt seit einem Jahr hier. Da ist Siri Jürgensen aus Apenrade (Aabenraa) nach vier Jahren schon Veteranin im Collegium 1961. Auch für sie war der Gedanke an ein Stück zu Hause die Motivation, sich um einen Platz zu bewerben.

„Leute aus meiner Familie haben hier auch gewohnt und hatten gute Erfahrungen damit. Daher fühlte es sich gut an als die erste Anlaufstelle“, erzählt sie.

Tobias Klindt geniest es, weiterhin Deutsch und Sønderjysk sprechen zu können. Foto: Walter Turnowsky

Tobias Klindt hatte keine Zweifel, dass er zusagen würde, sollte er in Hellerup ein Zimmer bekommen können.

„Man kann immer noch im Alltag Deutsch sprechen, wenn man hier zu Hause ist – und auch Sønderjysk. Das geht im Studium nicht so“, sagt er mit einem Lachen.

Zugehörigkeit zur Minderheit entscheidet

Bei der Vergabe der Plätze in den drei Studierendenwohnheimen des Collegium 1961 entscheidet die Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit, wie der Generalsekretär des Bundes Deutscher Nordschleswiger, Uwe Jessen, erläutert.

Somit zählt der Besuch der deutschen Schulen und des Deutschen Gymnasiums als Pluspunkt.

Wer in den Verbänden und Vereinen der Minderheit aktiv ist, verbessert dadurch seine Chancen.

Doch auch Kinder von Eltern aus der Minderheit, die weggezogen sind und daher nicht die deutschen Schulen besucht haben, haben die Möglichkeit, einen Platz zu bekommen, sofern einer frei ist.

„Unser nicht sehr gut verborgene Hintergedanke ist, die jungen Menschen an die Minderheit zu binden“, so Jessen.

Einführung in das Großstadtleben

Der Uker ist vor zwei Jahren mitten in der Corona-Krise eingezogen. Da war es besonders wertvoll, dass nach dem Online-Unterricht Menschen in der Nähe waren, die er vom Deutschen Gymnasium in Nordschleswig schon kannte oder zumindest wusste, wer sie sind.

„Die anderen waren vielleicht schon ein bis zwei Jahre hier und konnten erzählen, wie es hier funktioniert, denn das ist doch etwas ganz anderes als ‚u fra Uch‘“, mein Klindt.

Jürgensen pflichtet ihm bei: „Es ist gut, dass die anderen verstehen können, wie es ist, als Nordschleswigerin oder Nordschleswiger nach Kopenhagen zu kommen. Denn dann kommt man wirklich nach ‚Flertalsdanmark‘ rüber. Wenn man gewohnt war, eine deutsche Schule zu besuchen, ist es doch sehr neu, in eine dänische zu gehen. Und da ist es cool, dass man hier Unterstützung findet.“

„Ich finde es sehr einfach, sich im Haus sehr zu Hause zu fühlen, weil wir gemeinsam haben, dass wir aus Nordschleswig kommen“, meint Hallmann.

Nach einem Jahr in dem kleineren und etwas billigeren Einzugszimmer konnte Ronja Hallmann in ein Zimmer mit eigener Dachterrasse einziehen. Foto: Walter Turnowsky

Viel Platz und großer Garten

Die Miete von nur 3.000 Kronen pro Monat macht das Kollegium nicht weniger attraktiv. Die sichere Anlaufstelle und die günstige Miete sind bei Weitem nicht die einzigen Attraktionen.

„Es ist ein sehr schönes und großes Haus. Nicht viele Leute, die ich kenne, haben einen großen Garten oder können ein großes Fest machen. Es ist doch auch sehr schön, dass wir viele Leute einladen können. Die meisten Leute zahlen ja sehr viel Miete für sehr wenig Platz“, so Hallmann.

„Es ist schon eher ein Luxuskollegium“, ergänzt Jürgensen.

Die Bewohnerinnen und Bewohner genießen den großen Garten. Foto: Walter Turnowsky

Der größte Luxus sind jedoch im Vergleich zu den großen dänischen Kollegien in Kopenhagen die Mitbewohnerinnen und Mitbewohner.

„Ich finde es sehr schön, wenn jemand in unserer Facebookgruppe schreibt: ‚Ich grille heute mit Freunden, wollt ihr mitmachen?‘“, berichtet Hallmann.

Neue Freundesgruppen

Mit viel Platz und dem Garten ist das Haus in Hellerup nämlich häufig der natürliche Treffpunkt mit Freundinnen und Freunden, die dann allmählich auch zum Bekanntenkreis der anderen zählen.

„Das ist auch etwas Besonderes. Das geschieht natürlich, weil wir die Rahmenbedingungen dafür haben, aber ich finde auch, dass wir sie gut ausfüllen“, meint Klindt.

Man trifft sich beim Frühstück oder zum gemeinsamen Film. Klindt hat zusammen mit zwei weiteren Bewohnern eine Kochgruppe. Will man mal jedoch seine Ruhe haben, macht man einfach seine Zimmertür zu.  Das große Haus macht es leichter, aufeinander Rücksicht zu nehmen und zum Beispiel das Fest in den Keller zu verlegen, wenn andere für ein Examen büffeln müssen.

Der Putzdienst geht die Reihe rum; jede und jeder ist eine Woche lang dran. Andere Verantwortungsbereiche sind aufgeteilt: Einige pflegen den Garten, einer leert den Postkasten, einer geht einkaufen. Es gibt zwei Hauswarte, Tobias Klindt ist der eine.

Für Siri Jürgensen war das Kollegium der perfekte Start in Kopenhagen. Foto: Walter Turnowsky

Auszug mit Wehmut

Er und Ronja Hallmann sind sich einig: Sie bleiben so lange wohnen, wie sie dürfen. Siri Jürgensen dürfte nach den geltenden Regeln nach den vier Jahren noch ein weiteres bleiben. In Zusammenhang mit einem Studienwechsel hat sie sich jedoch um einen anderen Platz beworben und ihn bekommen.

„Ich habe zunächst gesagt: ‚Dann ziehe ich von zu Hause aus‘, aber das bin ich ja eigentlich schon vor vier Jahren. Ich habe das Gefühl, dass hier ein neues Zuhause war, und es war daher auch mit etwas schwerem Herzen, als ich es den Leuten im Haus erzählen musste.“

Die junge Frau hofft und glaubt, dass sich ihre Nachfolgerin oder ihr Nachfolger im Collegium 1961 in Hellerup genauso wohlfühlen wird.

Der Artikel wurde 4. September um 20 Uhr um die Information ergänzt, dass das Haus seinerzeit günstig zu haben war. 

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