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LHN-Chef: Wir erleben in der Landwirtschaft sonderbare Zeiten

LHN-Chef: Erleben in der Landwirtschaft sonderbare Zeiten

LHN-Chef: Erleben in der Landwirtschaft sonderbare Zeiten

Tingleff/Tinglev
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Poul Erik Hedegaard (54) ist seit dem 1. Mai Chef des Landwirtschaftlichen Hauptvereins für Nordschleswig (LHN). Foto: Volker Heesch

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Der Direktor des Landwirtschaftlichen Hauptvereins für Nordschleswig, Poul Erik Hedegaard, kann sich nach Übernahme des Spitzenpostens über eine überwiegend gute Ernte der vom Verein betreuten Höfe freuen – doch viele Unsicherheiten überschatten die kommenden Monate.

Knapp vier Monate nach Übernahme des Geschäftsführerpostens beim Landwirtschaftlichen Hauptverein für Nordschleswig (LHN) kann sich Poul Erik Hedegaard über eine überwiegend gute Ernte im Mitgliederkreis des LHN freuen. „Wir befinden uns aber auch in einer sonderbaren Zeit. Niemand kann voraussagen, wie sich die Lage in den kommenden Monaten entwickelt.

Spitzenposten in gut bekanntem Umfeld

Es ist schwierig, die Finanzen vorauszuplanen“, so Hedegaard, der unterstreicht, dass für ihn die Übernahme des Spitzenpostens von Tage Hansen keine große Umstellung gewesen ist, da er nicht nur seit 28 Jahren beim LHN tätig, sondern auch seit Jahren Teil des Leitungsteams war, dem als Kundenchef weiter Hans Henrik Post und Rikke Festersen als Verwaltungschefin angehören.

Geschäftsführer Poul Erik Hedegaard (54, l.) und sein 50-jähriger Kollege im Leitungsteam des LHN, Hans Henrik Post Foto: Volker Heesch

 

Post betont, dass die nordschleswigschen Landwirte aktuell von den schlechten Ernten in Teilen Deutschlands profitieren. „In Frankreich ist es ganz katastrophal“, fügt Hedegaard hinzu und berichtet, dass die Dürre jetzt auch in Nordschleswig zu spüren ist, denn auf trockenen Standorten entwickelt sich der Mais sehr schlecht. „60 Prozent der Energie des Mais stecken in den Kolben“, so Hans Henrik Post, der über Details der Ernte erläutert.

Bei vielen Feldfrüchten 2022 optimale Erträge in Nordschleswig

„Bei einigen Feldfrüchten wie der Wintergerste hatten wir in diesem Jahr fast perfekte Wachstumsbedingungen“, so Post, der seit rund acht Jahren für den LHN tätig ist. „Die Erträge sind deutlich besser als im Durchschnitt, mit großen Getreidekernen“, berichtet er, erwähnt aber auch, dass beim Weizen hierzulande die Backweizenqualität meist nicht erreicht wird, weil die Stickstoffquoten hier als begrenzender Faktor wirksam sind.

 

Die Ernte wurde in diesem Jahr in Nordschleswig problemlos eingebracht. Wegen der Trockenheit entfallen Kosten für die Getreidetrocknung. Foto: Volker Heesch

 

Hedegaard berichtet, dass die Landwirte beim LHN von der momentan enormen Nachfrage beispielsweise beim Mais profitieren, weil die Lieferungen aus anderen Regionen stocken.

Putin spukt bei Planungen

„Doch bei den Planungen spukt ständig eine Person Namens Putin herum, deren Treiben niemand abschätzen kann“, so Hans Henrik Post, der daran erinnert, dass die aktuell guten Erlöse der Landwirte in Nordschleswig teilweise gleich durch enorme Kostensteigerungen auf den Höfen wieder flöten gehen. „Der Kunstdünger schlägt mit Verteuerung zu Buche, beim Diesel hat es teilweise eine Verdreifachung der Preise gegeben“, so Hedegaard, der ebenso wie Hans Henrik Post selbst im Nebenerwerb einen Bauernhof bewirtschaftet.

Beide LHN-Spitzenleute haben eigene Höfe

Während der an der Agraruniversität Kopenhagen ausgebildete Hedegaard bei Sonderburg (Sønderborg) einen eigenen konventionellen Betrieb hat, betreibt Post bei Fröslee (Frøslev) einen Ökobetrieb. „Wir konnten beobachten, dass sich in jüngster Zeit die Bioprodukte weniger stark verteuert haben als die konventionellen. Das liegt an den großen Preissprüngen für Kunstdünger“, erläutert der Landwirtschaftsberater, der nach einer landwirtschaftlichen Ausbildung und einem Bachelorstudium in Biologie an der Süddänischen Universität längere Zeit an der Landwirtschaftsschule in Gravenstein (Gråsten) unterrichtet hat. „Bei den Ökobetrieben muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Erträge oft nur 50 bis 66 Prozent des Umfangs konventioneller Betriebe erreichen.“

Sorge wegen Teuerung

Beide sind in Sorge, dass die heimischen Verbraucherinnen und Verbraucher angesichts der starken Verteuerung von Heizenergie, Strom und vielen anderen Dingen bei Nahrungsmitteln weniger Qualitätsprodukte kaufen. „Die Preissteigerungen bei der Milch gehen eben auch teilweise auf das Konto der teureren Energie“, so der LHN-Chef, der daran erinnert, dass nach der jahrelangen Phase mit niedrigen Erzeugerpreisen für die Milchviehhalter die jetzt besseren Einnahmen zur Konsolidierung der Milchbauernhöfe unbedingt nötig sind. „Schlecht geht es weiterhin vielen Schweinebauern“, so Post und weist darauf hin, dass es weiter starke Unterschiede zwischen den einzelnen Sparten gibt.

Trockenheit ein Problem

„Das Gleiche gilt für die Trockenheit. Bei mir in Fröslee ist am vergangenen Wochenende kein Tropfen heruntergekommen, während es in Sonderburg doch etwas nass geworden ist“, so der LHN-Mitarbeiter. Poul Erik Hedegaard berichtet, dass für die Lage der Landwirte nicht nur die klimatischen Bedingungen ausschlaggebend sind. „Auch die politischen Rahmenbedingungen spielen eine Rolle“, so der LHN-Chef und verweist auf aktuelle Auflagen hinsichtlich Flächenstilllegung, Rahmenbedingungen bei der Energieproduktion in der Landwirtschaft oder auch Honorierung von Naturschutzeinsatz vonseiten der Bäuerinnen und Bauern.

Partner schleswig-holsteinischer Kollegen

„Wir arbeiten ja eng mit dem Bauernverband in Schleswig-Holstein zusammen. Deshalb wissen wir, wie es dort läuft bei der Biogaserzeugung oder den Erlösen bei Installation von Solaranlage“, so Hedegaard. „In Dänemark hat man leider die Biogaserzeugung ebenso wie den Betrieb von Windparks größeren Unternehmen zugeschanzt, während in Schleswig-Holstein Biogas auf einzelnen Höfen gewonnen wird und Landwirte mehr Gewinn  von eigenen Fotovoltaikanlagen haben“, so Post. Hedegaard sieht in jüngster Zeit eine Kehrtwende in Dänemark. „Es sieht nach mehr Beteiligung der örtlichen Bewohner an den Gewinnen aus“, so der LHN-Chef, der bei einer solchen Neuausrichtung auch größere Bereitschaft der Menschen erwartet, Anlagen zur Nutzung von erneuerbarer Energie in der eigenen Nachbarschaft zu akzeptieren.

Herausforderung Klimawandel

Hedegaard und Post unterstreichen beide, dass der Klimawandel die Landwirte auch in Nordschleswig vor Herausforderungen stellt. Verteuerung von Futtermitteln habe schon viele Betriebe veranlasst, von Soja als Proteinlieferant per Importware auf Ackerbohnen aus eigener Produktion zu wechseln. „Vor einigen Jahrzehnten hieß es, dass Mais hier bei uns nicht wächst, inzwischen probieren einige sogar schon, hier Soja anzubauen“, so Hedegaard, der auch neue Aufgaben erwartet, sich durch mehr Windschutzanpflanzungen gegen Trockenperioden zu sichern.  Auch die Bewässerung ist vielfach unerlässlich

Interesse an Naturschutz

„Problematisch ist es aber auch, dass durch mehr Brachlegung Flächen zur Nahrungsmittelproduktion verloren gehen“, so Hans Henrik Post. Dabei betont er ebenso wie Hedegaard, dass im Prinzip viele Landwirte interessiert sind, etwas für Naturschutz zu tun. „Beim LHN haben wir eine eigene Umweltberatung, und viele Betriebe engagieren sich in der Naturpflege. Doch erforderlich sei es, dass die Gesellschaft diese Leistungen honoriert. „Man darf nie vergessen, dass jeder Bauernhof auch ein Geschäftsbetrieb ist, der von genügend Einnahmen abhängt“, so der LHN-Chefkundenberater Post. Hedegaard und Post beobachten, dass es in der jüngeren Generation großes Interesse an der Landwirtschaft gibt.

Jugend mit Interesse an der Landwirtschaft

„Es gab noch nie so viele Bewerberinnen und Bewerber an den Landwirtschaftsschulen, obwohl es leider auf dem Lande weiter viele junge Leute in die Städte zieht“, berichtet Post, begrenzender Faktor für den Landwirtschaftsnachwuchs ist meist das Problem, dass viele potenzielle Landwirte nicht genug Eigenkapital haben und nicht die erforderlichen Kredite von den Banken bekommen, um sich selbstständig machen zu können. „Beim LHN beobachten wir deshalb weiter einen Rückgang bei der Zahl der Betriebe, aber nicht bei der bewirtschafteten Fläche des Mitgliederkreises“, so Hedegaard.

 

Poul Erik Hedegaard ist schon seit Jahrzehnten im LHN tätig, deshalb kennt er die Zentrale des Vereins in Tingleff bestens. Foto: Volker Heesch

 

Der Verband könne sich gut behaupten, weil nicht nur Beratungsdienstleistungen auch für nicht landwirtschaftliche Betriebe geliefert werden, sondern auch viel Spezialservice bei LHN im Sortiment ist. „Wir zählen Landwirte südlich der Grenze zu unseren Kunden, denen wir beim Papierkrieg mit der Steuer oder den Agrarauflagen helfen, wenn sie dänisches Pachtland bewirtschaften.“ Neben Landwirten, die aus Deutschland oder den Niederlanden nach Nordschleswig kommen, um dort eigene Betriebe zu bewirtschaften, stehen sie auch Nicht-Landwirten zur Seite, die sich in Dänemark niederlassen wollen und Immobilien erwerben.

Helfer deutscher Neubürgerinnen und Neubürger

„Wir verspüren auch das gestiegene Interesse vieler Deutscher, nach Dänemark zu ziehen“, so Hans Henrik Post, der auch betont, dass im insgesamt sehr stabilen, über 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfassenden Team des LHN in Tingleff auch stets deutsche Kolleginnen und Kollegen angesichts des grenzüberschreitenden Wirkens des Landwirtschaftsvereins willkommen sind.

Gute Zusammenarbeit mit LHN-Vorsitzendem

Hedegaard und Post berichten über eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem LHN-Vorsitzenden Christian Kock und den örtlichen LHN-Repräsentanten. Unter dem Dach des LHN arbeite man sehr gut zusammen, das gelte auch für konventionelle und ökologisch wirtschaftende Bäuerinnen und Bauern. Stolz ist man immer noch darauf, dass man auf dem Gebiet der Ökolandwirtschaft schon vor Jahrzehnten Pioniereinsatz geleistet hat. Beim LHN ist man auch stolz darauf, dass mit Jørgen Popp Petersen ein früherer LHN-Vorsitzender als Politiker der Schleswigschen Partei (SP) zum Bürgermeister in Tondern gewählt worden ist. „Zusammenarbeit ist schon immer eine Stärke von Popp Petersen gewesen“, so LHN-Chef Hedegaard. 

 

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