Leitartikel

„Ausbildungsangebote für alle Landesteile“

Ausbildungsangebote für alle Landesteile

Ausbildungsangebote für alle Landesteile

Apenrade/Aabenraa
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Die dänische Regierung will dezentralisieren. „Nordschleswiger“-Redakteur Volker Heesch hält Initiativen zur ausgeglichenen Versorgung aller Landesteile Dänemarks mit Bildungsangeboten für erforderlich.

Vor knapp zwei Wochen hat die sozialdemokratische Regierung Vorschläge präsentiert, 7.500 Ausbildungsangebote aus größeren Städten in kleinere Orte zu verlegen. Die nordschleswigsche „Metropole“ Sonderburg soll danach künftig den Nachwuchs zum Abschluss „Maskinmester“ führen, in Hadersleben wird es möglich, Ergotherapeutin oder Ergotherapeut zu werden. Am Universitätsstandort Esbjerg ist künftig ein Jurastudium möglich.

Das klingt vernünftig, denn Absolventinnen und Absolventen in diesen Fächern werden schließlich landesweit benötigt. Allerdings hatte sich beispielsweise die Kommune Tondern, die über 200 Jahre Sitz von Lehrerausbildung war, vergeblich Hoffnungen gemacht, ebenfalls mit einer neuen Ausbildung beglückt zu werden. Und was Sonderburg als Campus der Süddänischen Universität angeht, hätte man sich im Zuge der von der Regierung angestrebten Re-Dezentralisierung vor allem von längeren akademischen Studiengängen eine Wiederbelebung der grenzüberschreitenden deutsch-dänischen Studienangebote gewünscht.

Dazu vielleicht der Hinweis, dass viele Grenzpendlerinnen und -pendler aus Deutschland Jobs nördlich der Grenze übernehmen, weil dänische Leute nicht bereit sind, in die Region nördlich der Grenze zu ziehen. 

Ein Problem besteht in vielen Fachbereichen darin, dass dezentral benötigte Spezialistinnen und Spezialisten im wahrlich kleinen Land Dänemark heutzutage nicht bereit sind, nach einem Studium in Kopenhagen oder Aarhus nach „Udkantsdanmark“ versetzt zu werden, das im Vergleich mit größeren Ländern meist nicht besonders weit vom Ausbildungsort entfernt liegt. Und was man beispielsweise als Nordschleswiger mit Heimatverbundenheit in einer interessanten Grenzregion und vielseitiger Natur ohnehin nicht als Deportation in die Verbannung auffassen kann, wie es aktuell in kritischen Reaktionen von Universtäten und „University Colleges“ dargestellt wird, die Studienplätze abgeben sollen.

Gerade während der Homeoffice-Strategie im Verlauf der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass im Zeitalter der Digitalisierung sehr viele Dinge auch ohne Präsenz in den Metropolen funktionieren.

In Verbindung mit der Präsentation der neuen Dezentralisierungsoffensive hat das Forschungs- und Ausbildungsministerium beklagt, dass der Weg zur Ausbildung, zum Krankenhaus oder zur Polizei länger geworden ist. Sogar der Leerstand vieler Geschäfte wird erwähnt. Und es heißt, dass die Hälfte der Einwohnerschaft Dänemarks außerhalb der großen Städte des Landes lebt, die trotz Schaffung von Großkommunen im europäischen Bereich ohnehin kaum als Metropolen einzustufen sind.

Nach der Initiative für eine Re-Dezentralisierung der Universitäten und anderer Bildungsstätten hat das Kinder- und Unterrichtsministerium eine Untersuchung präsentiert, dass die laut Regierung fehlgeschlagene Zentralisierungswelle in Dänemark auch die gymnasiale Schulbildung bedroht. Die demographische Entwicklung mit Einwohnerrückgang beispielsweise auch in nordschleswigschen Kommunen könnte zur Schließung von Gymnasien führen, obwohl viele bereits einen „Udkantstilskud“ bekommen, weil die Zuteilung der Zuschüsse nach der Zahl der Schülerinnen und Schüler, das „Taxameter“-Prinzip, vor allem kleineren Schulen die Basis entzieht.

Es wird berichtet, dass der Drang in die „Metropolen“ auch Schülerinnen und Schüler erfasst habe, die statt im „provinziellen“ Heimatort lieber in einer Großstadt das Gymnasium absolvieren möchten. Es klingt hoffnungsvoll, dass die Erosion eines landesweit ausgeglichenen Ausbildungsangebots auf akademischem wie schulischem Gebiet gestoppt werden soll. So wie Studierende von Auslandsaufenthalten in bestimmt oft sehr provinziellen Bildungsstätten profitieren, tut es Großstädtern ebenso gut, für einige Jahre von Kopenhagen nach Sonderburg oder Odense umzuziehen, wie es Tingleffern oder Hoyeranern bekommt, einige Jahre Stadtluft zu schnuppern. Wichtig ist, dass die Politikerinnen und Politiker dazu einen Weg zwischen zu viel Kirchturmpolitik und Selbstherrlichkeit eingefahrener Universitätsmilieus finden. 

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