Regionaltag

Steen Bo Frandsen: Grenzregion ist festgefahren

Steen Bo Frandsen: Grenzregion ist festgefahren

Steen Bo Frandsen: Grenzregion ist festgefahren

Pattburg/Padborg
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Peter Hansen (rechts) war auch bei der Podiumsdiskussion zum Abschluss des deutsch-dänischen Regionaltages in Pattburg dabei. In der Bildmitte Steen Bo Frandsen und ganz links Kjeld Thrane. Foto: Volker Heesch

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Der Spezialist für internationale europäische Regionen sieht in der EU einen Schlüssel zur Befreiung der oft von den nationalen Regierungen übersehenen „Übergangsregionen“. Historische Einheit Schleswig sollte ihre Alleinstellungsmerkmale in den Vordergrund bringen.

Während des Regionaltages der deutsch-dänischen Region Sønderjylland-Schleswig hat der Spezialist für europäische Grenzregionen, Professor Steen Bo Frandsen, Süddänische Universität Sonderburg, ein kritisches Urteil über die aktuelle Situation der deutsch-dänischen Grenzregion gefällt.

Stärken des Grenzlandes nutzen

Zugleich nannte er in einem Vortrag aber auch Chancen, dass sich die dänischen und deutschen Partner auch in Anknüpfung an die Stärken der 1920 im Fahrwasser des Nationalismus in jeweils zwei jeweils „einfarbige“ Teile geteilten Region, die ehemals ein von Sprachenvielfalt, kultureller Mischung und Bewegung geprägtes Gebiet war. „Gerade solche Übergangsgebiete haben in Europa stets für Fortschritt gesorgt“, so der Wissenschaftler, der die heutige Situation im deutsch-dänischen Grenzland mit den Worten beschrieb, man lebt überwiegend parallel und spricht nicht miteinander.

Der Wissenschaftler Prof. Steen Bo Frandsen hat sich in den vergangenen Monaten mehrfach kritisch zum Umgag mit der Gegenwart und der Geschichte der deutsch-dänischen Grenzregion zu Wort gemeldet. Er war auch beim Regionaltag in Pattburg dabei. Foto: Volker Heesch

 

„Die Grenze muss nicht weg“, so Frandsen, der aber auch in den heutigen Verhältnissen Voraussetzungen sieht, um die Grenzregion gemeinsam voranzubringen. „Es geht nicht darum, immer nur darüber zu reden, wie gut alles ist“, meinte er in Anspielung an Ansprachen von Königin und Bundespräsident. Dabei habe man gerade im Pandemiejahr 2020 feststellen können, dass es zwar weiter die Tendenz in den Hauptstädten gebe, Grenzregionen zu übersehen. Zugleich habe es aber in der Zeit der geschlossenen Grenzen Bewegung aus der Grenzregion heraus gegeben, in der die Menschen voneinander abgeschnitten waren und der Alltag unnormal war.

Grenzregion als Kompetenzzentrum nutzen

Die Grenzregion sei wieder als Übergangsgebiet sichtbar geworden. Frandsen forderte dazu auf, die Position als Übergangsregion positiv zu nutzen. „Das ist hier der spannende Charakterzug“, meinte er und rief dazu auf, endlich die Alleinstellungsmerkmale der deutsch-dänischen Grenzregion zu erkennen. „Dazu zählt, dass man in Dänemark immer weniger Deutsch sprechen kann. Hier kann man das nördlich der Grenze. Wir könnten die Region in Dänemark zum Kompetenzcenter für Deutsch machen“, so der Wissenschaftler, der außerdem neue Initiativen für die weit hinter den Möglichkeiten zurückgebliebene Zusammenarbeit der Universitäten in Sonderburg (Sønderborg) und Flensburg (Flensborg) forderte.

Podiumsdiskussion mit Ideen

„Da gab es bürokratische Probleme, dass dänische Studierende ihre Examen nicht auf deutschem Boden ablegen durften“, berichtete er und forderte dazu auf, dort zu kooperieren, wo die Zusammenarbeit funktioniert. Dazu zähle auch das große Interesse in Deutschland am Dänischen, das südlich der Grenze viel stärker genutzt werden sollte. Der Regionaltag schloss mit einer Podiumsdiskussion, an der neben Steen Bo Frandsen der konservative Stadtratsvertreter Kjeld Thrane, Hadersleben (Haderslev), der Vorsitzende der Europa-Union, Michael Montag, Tarp, und das Mitglied des Europa-Parlaments, Rasmus Andresen (Bündnis 90/Die Grünen), Flensburg teilnahmen.

 

Der grüne Europa-Parlaments-Abgeordnete Rasmus Andresen rief zu guten Projekten im Rahmen der neuen Interregförderung auf. Foto: Volker Heesch

 

Rasmus Andresen meinte, dass die deutsche und dänische Minderheit sich während der Grenzschließungen klar positioniert hätten. „Da hätten sich auch die großen Parteien in der Region klar zu Wort melden müssen“, so Andresen, der dazu aufrief, die in den kommenden Jahren zur Verfügung stehenden Interregmittel der Grenzregion für die gemeinsamen Anliegen einzusetzen. Der Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), Hinrich Jürgensen, meldet sich mit der Frage zu Wort, ob es der Region Sønderjylland-Schleswig an Aggressivität gemangelt habe, als es um den Protest gegen die Grenzschließungen ging. Er frage sich, ob dort nicht mehr Vertreter der Wirtschaft und der Wissenschaft sitzen sollten.

Einsatz für Umwelt vorgeschlagen

Das Regionsratsmitglied Vibeke Syppli Enrum (Einheitsliste) griff die Kritik auf und forderte, dass sich die Region für dringende Probleme wie die Belastung der deutsch-dänischen Gewässer engagieren müsse, die gerade wieder von Sauerstoffschwund heimgesucht werden.  Der Venstre-Regionspolitiker Preben Jensen pflichtete ihr bei. „Bisher geht es bei uns meist um Grenzpendler, Kultur und Arbeitsmarkt. Da muss mehr passieren“, so Jensen. Michael Montag meinte, es dürfe sich nicht wiederholen, dass einfach die Grenze dichtgemacht wird.

Fördergebiete zu groß?

Steen Bo Frandsen meinte zur Interregförderung, ihm sei aufgefalleni, dass inzwischen die Fördergebiete so eingerichtet seien, dass Bereiche profitieren, die gar nicht mehr zur Grenzregion zählen. Das passe aber auch dazu, dass man im Jubiläumsjahr nur die Grenze feiert, aber nicht an die Teilung einer zusammenhängenden Region erinnert“, stichelte der Wissenschaftler. Das griff Jürgensen mit dem Hinweis auf, dass er zum Jubiläum die Anfertigung eines gemeinsamen deutsch-dänischen Geschichtsbuches vorgeschlagen habe. So etwas fand bei den Politikern aber kein Gehör. „Dazu wird sich bestimmt jemand finden“, meinte daraufhin Steen Bo Frandsen.

Kreispräsident für mehr deutsch-dänische Kontakte

Der Kreispräsident des Kreises Schleswig-Flensburg, Ulrich Brüggemann (CDU), schlug vor, dass sich nach den Erfahrungen mit den Grenzschließungen die Akteure in der deutsch-dänischen Grenzregion viel mehr persönlich treffen sollten, um sich besser untereinander kennenzulernen. „Wir haben als Politiker auch in Kiel unsere Meinung gesagt“, erwähnte er, das sei aber nicht durch die Presse gegangen. Einen großen Einsatz habe auch der schleswig-holsteinische Minderheitenbeauftragte Johannes Callsen (CDU) geleistet. Ejler Schütt (Liberale Allianz) meinte, es sollte untersucht werden, ob man nicht wie bei den Freikommuneprojekten eine „freie“ Region arbeiten lassen könne. Kjeld Thrane schlug vor, mehr interessante Projekte durchzuführen. Er habe auch den Eindruck, dass es nach dem Engagement der Gründergeneration der Region Sønderjylland-Schleswig inzwischen an Personen fehlt, für die die Zusammenarbeit über die Grenze eine Herzensangelegenheit ist.         

 

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