Leserinnenbeitrag

„Eine Tour durch die Nachbarschaft für die gute Sache“

Eine Tour durch die Nachbarschaft für die gute Sache

Eine Tour durch die Nachbarschaft für die gute Sache

Claudia Knauer
Claudia Knauer
Apenrade/Aabenraa
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Claudia Knauer war Sonntag für die Spendenaktion der dänischen Krebshilfe in ihrer Nachbarschaft unterwegs. Foto: Claudia Knauer

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Claudia Knauer war Sonntag für die jährliche Spendenaktion der dänischen Krebshilfe unterwegs. Dabei macht sie sich nicht nur Gedanken über die Krebshilfe, sondern auch über ihre Nachbarschaft.

Wer neu ist in Dänemark, ist es nicht gewohnt, dass es am Wochenende an der Haustür klingelt und den Hausbewohnern eine Sammelbüchse für die eine oder andere gute Sache und ein bisschen erklärendes Papier entgegen gereckt wird. Sie wirken leicht erschreckt. Alteingesessene kennen es und hatten in den guten alten (?) Zeiten eine Schale mit Münzen stehen, in die hineingegriffen werden konnte. Heute zückt man das Smartphone und überweist via Mobilepay.

Und das kann sich auszahlen, so zumindest meine Erfahrung nach meiner diesjährigen Runde für die dänische Krebshilfe. Jedes Jahr wieder überwinde ich meine natürliche Scheu, an fremden Türen zu klingeln und um Geld für Forschung und Betreuung der Erkrankten und ihrer Angehörigen zu bitten. Ein wenig übergriffig ist es schon, finde ich, aber auch spannend und erhellend.

Ich stelle zum Beispiel fest, dass jetzt die Tochter eines ehemaligen Vorstandsmitglieds von mir nebenan wohnt – mit dem schönen Nebeneffekt, dass Mutter und Tochter spenden. Natürlich per Smartphone.

Das gilt auch für die Nachbarn von gegenüber. Auch hier geben Mutter und Tochter digital Geld. Die nächsten auf meiner Route geben nichts, denn sie sind Mitglied der Krebshilfe und ich erinnere mich rechtzeitig daran, dass wir Deutsch miteinander sprechen. Dann kommen viele Häuser, in denen keine/r aufmacht. Einfahrt um Einfahrt pilgere ich entlang, ohne dass auch nur die kleinste Münze in der Büchse klimpert. Manche sind nicht da, andere wollen wohl nicht. Das ist auch in Ordnung. Was weiß ich denn, was das Symbol der Krebshilfe auslöst? Vielleicht schmerzhafte Erinnerungen.

Dann endlich bei alten Bekannten kommen die ersten Münzen in die Sammelbüchse und gleich nebenan wird wieder mit dem Smartphone gespendet und ich erhalte ein „Danke, dass du das machst.“ Das motiviert doch. Außerdem gießt es dieses Jahr nicht. Vorteil auf meiner Seite.

Nach einem ausführlichen Schnack mit einer edlen Spenderin geht’s raus aus Apenrade. Hinter dem Ortsschild liegen noch ein paar Häuser und eine Anwohnerin hält sogar mit dem Auto an, um etwas in die Büchse zu stecken. Das letzte Haus vor dem Wald fordert mich jedes Mal. Der Anstieg ist so hoch wie die Auffahrt weit und nie ist jemand da, der etwas geben möchte. Schade, denn dem Äußeren nach zu urteilen, sollten hier einige Kronen fließen können. Nächstes Jahr versuche ich es wieder. Da bin ich hartnäckig. Aber die Erfahrung zeigt ohnehin, dass in dem Haus mit den vier Autos davor die Spendenbereitschaft tendenziell geringer ist als anderswo. Ausnahmen bestätigen selbstverständlich die Regel.

Ein Haus ist mir besonders ans Herz gewachsen, weil ich weiß, dass ich da immer freundlich empfangen werde. In diesem Jahr werde ich sogar hereingebeten und erfahre, dass die erwachsene Tochter vor drei Jahren an Krebs gestorben ist. Ich erzähle von meiner Schwägerin, die noch im Hospiz meinen Bruder geheiratet hat und drei Tage danach einschlief. Hier gehe ich mit Tränen in den Augen.

So ein Gang durch die Nachbarschaft ist erhellend. Was ist nicht alles passiert. Die bekannte Weberin baut entweder komplett um oder ist verzogen und die alte Dame, die immer noch von unserem Bücherbus beliefert wurde, hat ihr Haus der Nichte übergeben, die wiederum die Schwester unseres ehemaligen Nachbarn ist, der jetzt die Straße hoch wohnt und weder Münzen noch Mobilepay hat. Die Welt ist klein.

Ich treffe Menschen, die ich vor allem mit ihren Hunden kenne und denke, ach hier wohnt der Berner Sennenhund und dort der Mops. Gut, dass ich keine Angst vor Hunden hab.

Viele geben kleine und größere Beiträge und die allermeisten sind nett und freundlich. Nur wenige weisen mich unfreundlich ab, vielleicht haben sie einfach einen schlechten Tag. Und einem tut es sogar leid, denn als ich auf dem Rückweg noch einmal bei ihm vorbeikomme, steckt er Münzen und einen Schein in die Sammelbüchse.

Anderthalb bis zwei Stunden an einem Sonntagsvormittag im April – sie sind es wert, investiert zu werden. Für die gute Sache und weil ich meine Nachbarschaft mal wieder ein wenig besser kennengelernt habe.

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