Geschichte

Vor 150 Jahren schwerste Ostseesturmflut in Nordschleswig

Vor 150 Jahren schwerste Ostseesturmflut in Nordschleswig

Vor 150 Jahren schwerste Ostseesturmflut in Nordschleswig

Apenrade/Aabenraa
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An der Schiffbrücke, am früheren Zollgebäude, erinnert diese Gedenkplatte an die schwere Sturmflut 1872, die vor 150 Jahren Apenrade kurzzeitig in eine Insel verwandelte. Foto: Volker Heesch

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Die historische Zeitschrift „Sønderjysk Månedsskrift“ erinnert an die Katastrophe am 12. und 13. November 1872. In Apenrade weist eine Gedenkplatte auf die hohen Wasserstände am Hafen hin.

Am 12. und 13. November 1872 hat die schwerste bekannte Ostseesturmflut die Ostseeküsten in Dänemark und Deutschland verwüstet.

Viele Todesopfer entlang der Küsten

Die Naturkatastrophe, bei der 271 Menschen ums Leben gekommen sind, hatte auch in Nordschleswig schlimme Folgen. In Apenrade erinnert eine Gedenkplatte am früheren Zollgebäude an der Schiffbrücke (Skibbroen) daran, dass auch die Fördestadt vor 150 Jahren in bis dahin nie bekanntem Umfang überschwemmt worden ist. Die historische Zeitschrift „Sønderjysk Månedsskrift“ erinnert in ihrer neuen Ausgabe, Heft 7/2022, in einem Beitrag an die Folgen der schweren Sturmflut. Diese entstand infolge lang anhaltender stürmischer westlicher Winde, die von einem Orkan mit nordöstlicher Windrichtung abgelöst wurden. Nachdem sich der Wind auf östliche Richtung drehte, wurden die Fluten in die westliche Ostsee gedrückt.

Aus Apenrade liegen keine Fotos von den Zerstörungen nach der Sturmflut 1872 vor. Es hat dort vermutlich ähnlich wie in Flensburg am Hafen ausgesehen, wo Wilhelm Dreessen das Foto an der Schiffbrücke aufgenommen hat. Foto: Wilhelm Dreessen

 

Im Artikel wird die Katastrophe anhand von mündlichen Überlieferungen aus Hellesö (Hellesø) auf Nordalsen beschrieben. Im heutigen Nordschleswig kamen bei der schweren Sturmflut sieben Menschen ums Leben. Viele Küstenbewohnerinnen und bewohner verloren ihr Hab und Gut.

Apenrade von Wasser umringt

In Apenrade wütete die Ostsee besonders schlimm. Viele Menschen retteten sich in Hafennähe auf Dachböden. Das Wasser drang weit in die Niederungen südlich und östlich der Stadt vor. Nach einem Dammbruch bei Kielseng lag Apenrade wie eine Insel ganz von Wasser umgeben. Das Gaswerk im Hafenbereich wurde schwer beschädigt, viele Schiffe wurden losgerissen und landeten außerhalb der Hafenbecken. Viele landwirtschaftliche Betriebe am Stadtrand verloren ihr Vieh. Es trieben überall Kadaver, heißt es im Beitrag von „Sønderjysk Månedsskrift“. Fotos von den Verwüstungen in Apenrade liegen nicht vor, im Heft sind aber Abbildungen von der Flensburger Schiffbrücke zu sehen, wo die Verwüstungen vermutlich denen in Apenrade entsprachen.

Dieses Foto vom Neujahrstag 1905 zeigt, wie weit Ostseesturmfluten die niedrig gelegenen Ortsbereiche in Apenrade überschwemmen können. Abgebildet sind das damalige Kreishaus, der Kleinbahnhof und die Gebiete bis zur Anhöhe Lindsnakke. Foto: Museum Sønderjylland

 

In Apenrade, wo aktuell Baumaßnahmen wie die Errichtung eines Schöpfwerkes an der Mühlenaumündung die zunehmenden Überschwemmungsgefahren bannen sollen, erinnert ein Gedenkstein an den historisch hohen Wasserstand 1872.

Das Ostseewasser stieg auf 3,30 Meter über Normall Null.  

An der Hausecke des 1853/1854 erbauten Zollhauses markiert eine Gedenkplatte den Wasserstand von vor 150 Jahren. Etwas weiter unten an der Wand sind weitere Marken zu sehen, die an weitere Sturmfluten in Apenrade erinnern. Beim Blick auf das unter Denkmalschutz stehende Gebäude in etwas Abstand wird deutlich, dass das Wasser 1872 fast auf die halbe Höhe des Portals auf der rechten Hausseite angestiegen war. In Apenrade stieg das Wasser auf 3,30 Meter über den mittleren Wasserstand (Normal Null).

Die Platten an der Hausecke des ehemaligen Zollgebäudes zeigen, wie weit der Pegelstand von 1872 die Marken anderer Sturmfluten übertroffen hat. Foto: Volker Heesch

 

Es sorgten auch über fünf Meter hohe Wellen für schwere Verwüstungen. Mehrere Tausend Häuser und über 10.000 Nutztiere sind entlang der gesamten Ostseeküste zerstört worden. In Dänemark sind 1872 bei dem Orkan 109 Seeleute ertrunken. 

Am Zollgebäude reichte das Wasser 1872 bis auf halbe Höhe bis zur Dachrinne. Die Innenräume waren völlig überflutet. Die Menschen retteten sich auf die Dachböden. Foto: Volker Heesch

 

Im Heft 7 der „Sønderjysk Månedsskrift“ 2022 sind weitere Artikel enthalten. Unter anderem ein Beitrag Arne Mays über Axel Rudolph, einen „falschen Leutnant aus Apenrade“, der es 1917 geschafft hatte, aus russischer Kriegsgefangenschaft mit einem Rot-Kreuz-Zug ins neutrale Dänemark zu gelangen. Der Sohn dänischer Eltern machte als Hochstapler und Literat „Karriere“. Er erinnert ebenso wie der Artikel Jens Peter Jensens über den Sanitätsdienst im Ersten Schleswigschen Krieg 1848-1850 an Kriegsereignisse vor über 160 und 100 Jahren.

Das Heft ist erhältlich über „Historisk Samfund for Sønderjylland“, www.hssdj.dk oder Tel. 74 62 46 83. 

 

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