Geschichte

Online-Gruppe löst Rätsel um Dampflok in Nordschleswig

Online-Gruppe löst Rätsel um Dampflok in Nordschleswig

Online-Gruppe löst Rätsel um Dampflok in Nordschleswig

Uk/Uge
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Die Lokomotive Altona 602 war von der Firma Hanomag in Hannover im Jahre 1874 für die Schleswigschen Eisenbahnen gefertigt worden. Das Foto zeigt die Lok vermutlich kurz nach 1900 auf dem Bahnanschluss der Uker Kiesgrube. Foto: Drehscheibe Online

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Ein Internet-Forum von Bahninteressierten hat auf Grundlage eines Fotos die Identität einer Lok geklärt – und die „Eisenbahn-Archäologen” beleuchten zugleich, wie bedeutend die Bahnverbindung Behrendorffeld-Ahretoft einst für den Kiesabbau war.

Die während der jüngsten Eiszeit vom Schmelzwasser der vor 20.000 Jahren bis Apenrade (Aabenraa) reichenden Gletscher abgelagerten Kies- und Sandschichten im Raum Tingleff  (Tinglev) werden in der Gegenwart im großen Umfang zur Gewinnung von Baustoffen genutzt.

Erste industrielle Kiesgewinnung vor 125 Jahren

Die ersten großen Gruben zur Rohstoffgewinnung im Raum von Uk sind bereits um das Jahr 1900 westlich von Ahretoft (Årtoft) angelegt worden. Anlass war der Bau der im Juli 1901 eröffneten Bahnlinie Sonderburg-Tingleff/Pattburg. In der 1908 erschienenen Topografie des Herzogtums Schleswig von Oldekop steht im Text zum Dorf Uk, dass sich „der größte Kiesbetrieb im Königreich Preußen“ dort zwischen Uk und Klipleff (Kliplev) befand. Heute verläuft dort die Autobahn Flensburg (Flensborg)-Kolding und im früheren Fördergebiet ist der Uker Golfplatz angelegt worden.

Thema für Bahnhistoriker

Im „Historischen Forum“ der „Drehscheibe-Online“ der Bahnfreunde-Zeitschrift „Drehscheibe“ war bereits vor einigen Jahren ein Foto mit der Lokomotive „Altona 601“, Bahnpersonal und mit der Verladung von Kies beschäftigten Arbeitskräften veröffentlicht worden. Es hatte jahrelang im Archiv eines Eisenbahnenthusiasten gelegen, mit der Angabe „Bild ohne Daten“, mit Hinweis auf den Ort Rothenkrug (Rødekro). Mit detektivischem Spürsinn haben mehrere Forum-Leser aufgedeckt, dass auf dem Foto die große Grube zur Sand- und Kiesgewinnung bei Uk zu sehen ist.

Der Ausschnitt aus dem Messtischblatt der Ausgabe 1900 der Preußischen Landesaufnahme im Maßstab 1:25.000 zeigt den Kiesgewinnungsbereich mit Anschlussbahn im Bereich Uk Feld östlich des Dorfes Uk. Heute wird der Bereich östlich der ehemaligen Bahn unter anderem von der Autobahn Flensburg-Kolding durchschnitten. Foto: historiskekort.dk Styrelsen for Dataforsyning og Infrastruktur

Ein Blick auf das preußische Messtischblatt „Klipleff“ aus dem Jahre 1917 zeigt eine mehrere Kilometer lange Eisenbahnstrecke. Sie zweigte bei Behrendorf Feld von der Bahn Tingleff-Sonderburg ab und führte über die Behrendorfer Mühlenau (Bjerndrup Mølleå) bis in den Bereich westlich des „Königlichen Forstes Apenrade“, der heute als Årtoft Plantage bezeichnet wird.

Während der Zeit der Zugehörigkeit Nordschleswigs zum Deutschen Kaiserreich hatte die königlich preußische Forstverwaltung zahlreiche ertragsarme Heidegebiete in der Geest mit Nadelbäumen bepflanzt. Westlich der vermutlich in den 1920er-Jahren abgebauten Bahnstrecke zum Kieswerk verläuft der historische Ochsenweg (Hærvej).

Spürnasen ermittelten Lok-Identität

Im Eisenbahnforum haben die eisenbahnhistorischen Spürnasen das Lokomotivenfoto akribisch analysiert. Nach Identifizierung der Loknummer wurde ermittelt, dass die Lok Altona nach der Verstaatlichung der „Schleswigschen Eisenbahn“ 1885 zum Bestand der Königlich Preußischen Eisenbahn Verwaltung (KPEV) gehörte.

 

Das Foto zeigt die Lok Altona 602 mit Bahn- und Kiesgrubenpersonal in der Kiesgrube bei Uk, aus der auch Material für die Brücken über den Nord-Ostsee-Kanal in Rendsburg und Hochdonn gefördert wurde. Foto: Drehscheibe Online

 

Die Lok hat ihre letzten Betriebsjahre offenbar auf der Kiesgruben-Anschlussbahn verbracht. Das Foto stammt wahrscheinlich aus der Zeit um die Jahrhundertwende 1900.

 

Diese Postkarte aus Uk erinnert an die Kieszüge, die über eine Stichbahn die Kiesgruben bei Uk Feld bedienten. Foto: Lokalhist. Archiv Tingleff

Auf einer um 1905 entstandenen Postkarte, die mit der Aufschrift „Gruß aus Uk“, neben dem Kaufmannsladen Mathias Lausen auch den „Kiesschacht“ zeigt, ist vermutlich dieselbe Lok wie auf dem erwähnten Foto zu sehen. Entdeckt wurde ebenfalls, dass hinter der Lokomotive, die in Hannover bei Hanomag gebaut worden ist, ein ehemaliger Postwagen als Waggon für das Zugbegleitmaterial steht.

Kreis Apenrade betrieb das Kieswerk

Aus dem Besitz des Privatmanns Thomas Andersen, der den Kiesgrubenbetrieb begonnen hatte, ging dieser 1906 in den Besitz des Kreises Apenrade über. Dieser belieferte bis zum Ersten Weltkrieg die Eisenbahnverwaltung mit Schotter, Kies und Sand. Dabei kamen große Bagger zum Einsatz, außerdem ein Steinbrecher, denn aus den freigelegten größeren Steinen und Findlingen wurde Schotter gebrochen, der auf den Bahndämmen für eine stabile Verankerung der Schwellen und Gleise sorgt.

 

Das Foto zeigt einen der großen Bagger, die vor über 100 Jahren Kies und Sand bei Uk gefördert haben. Foto: Archiv Nordschleswiger

Es sollen bis zu 100 Mitarbeiter bei der Kies- und Schottergewinnung beschäftigt gewesen sein. Die Rohstoffe wurden direkt in Bahnwaggons befördert. Bahnspürnasen fanden heraus, dass im Jahre 1909 täglich ein Güterzugpaar die Uker Kiesgrube bediente. Pro Tag wurden 25 bis 40 Waggons beladen.

Züge mit Kies bedienten ganz Schleswig-Holstein

Eine Lok der Baureihe T 3 beförderte dort 1909 bis 700 Tonnen schwere Züge mit 25 km/h Spitzentempo, die von Tingleff ins übrige Schleswig-Holstein rollten.

 

Über den Tingleffer Bahnhof, das Foto zeigt diesen vor über 100 Jahren, war der Knotenpunkt, von wo aus Kieszüge aus Uk viele Bereich Schleswig-Holsteins mit dem wichtigen Rohstoff versorgten. Foto: Archiv Der Nordschleswiger

 

Vom Bahnknotenpunkt Tingleff waren neben Sonderburg über Rothenkrug auch Apenrade und via Tondern (Tønder) auch die Marschenbahn nach Altona und Ripen (Ribe) erreichbar.  

 

 

Wahrscheinlich wurde Material aus Uk unter anderem beim Bau der Rendsburger Eisenbahn-Kanalbrücke verwendet, die in den Jahren 1911 bis 1913 einschließlich der Aufschüttung langer Anschlussdämme errichtet wurde. Der Eisenbahner Wilhelm Heesch (1887-1964) erinnerte sich, dass er während seiner ersten Dienstjahre mit Kieszügen aus Tingleff zur Baustelle der von 1913 bis 1920 gebauten Hochbrücke Hochdonn gefahren ist, die wie die Rendsburger den Nord-Ostsee-Kanal in 42 Meter Höhe überspannt.

Die Hochbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal bei Hochdonn im Verlauf der Marschbahn ist 1920 in Betrieb genommen worden. Baumaterial wurde aus Uk dorthin mit Kieszügen transportiert. Foto: Volker Heesch

 

 

 

Wer heute mit dem Zug über die imposanten Bauwerke rollt, bewegt sich vermutlich auch über Material, das bei Uk vor über 100 Jahren gefördert worden ist. Unklar ist, wann die Bahnlinie in die Uker Kiesgrube demontiert worden ist. 

Nach der Volksabstimmung 1920 und dem Votum Nordschleswigs für eine Vereinigung mit Dänemark wechselte das Streckennetz der staatlichen deutschen Bahn in dem Gebiet in den Besitz der Dänischen Staatsbahnen (DSB). Möglicherweise wurde noch im Jahre 1921 die Stichbahn nach Uk bedient. Im Bereich der Behrendorfer Mühlenau ist noch eine Betonbrücke zu sehen, über die einst die Dampfloks mit Kieszügen gestampft sind.    

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