Geschichte und Bildung

Der Holocaust und dänische Mittäter: Jugendliche kamen ins Grübeln

Holocaust und dänische Mittäter: Event zum Nachdenken

Holocaust und dänische Mittäter: Event zum Nachdenken

Kjeld Thomsen/Kerrin Trautmann
Fröslee/Frøslev
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Geschichtsevent im Fröslevlager mit Talkrunde anlässlich des Auschwitz-Tages Foto: kjt

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Am Gedenktag zur Befreiung des KZ-Lagers Auschwitz vor 78 Jahren bekamen Schulklassen im Fröslevlager Einblicke in die Grausamkeiten der NS-Zeit. Live dabei waren Schülerinnen und Schüler der Deutschen Schule Sonderburg. Virtuell nahm auch der älteste Jahrgang des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig teil. Was sagen die Schüler zum Event?

Es ging um den Holocaust, um die Vernichtung von Millionen Jüdinnen und Juden und anderer Menschen. Es ging um die zweigeteilte Geschichte des Fröslevlagers, und es ging um Personen aus Dänemark, die an den Grausamkeiten in den deutschen Konzentrationslagern aktiv beteiligt waren.

Bei einer Infoveranstaltung im Fröslevlager bei Pattburg (Padborg) bekamen rund 200 Schülerinnen und Schüler am Freitag Einblicke in das dunkle Kapitel der NS-Schreckensherrschaft. Die Veranstaltung war in Anlehnung an den Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 für Schulklassen vorbereitet worden.

Auch übers Internet mitzuverfolgen

Die Talkrunde mit Filmsequenzen und interaktiven Fragestellungen konnte per Online-Schalte auch ohne körperliche Anwesenheit mitverfolgt werden. 104 Schulen hatten sich für diese Form angemeldet, darunter das Deutsche Gymnasium für Nordschleswig.

An der Veranstaltung unter der Leitung von Moderator Julius Tromholt-Richter, Redakteur bei der Vermittlungs- und Medienfirma „Seismo“, wirkte neben Museumsinspektorin und Fröslevlager-Kennerin Gry Scavenius Bertelsen auch Ib Katznelson mit. Der Jude aus Dänemark wurde als kleines Kind zusammen mit der Mutter in deutsche Konzentrationslager gebracht und überlebte den Völkermord des Naziregimes nur knapp.

Auf dem Podium: Ib Katznelson, Gry Scavenius Bertelsen und Moderator Julius Tromholt-Richter (v. l.) Foto: kjt

Es war bewegend, als der 82-Jährige erzählte, wie er im Konzentrationslager Ravensbrück erkrankte und als Zweieinhalbjähriger von der Mutter getrennt wurde. Die Mutter sei zusammen mit anderen Jüdinnen aus Dänemark beinahe ohne ihr Kind in ein anderes Konzentrationslager gebracht worden.

Zum Glück kam es nicht dazu. Katznelson berichtete, wie er über das Studieren von historischen Berichten und Büchern mehr über sein damaliges Schicksal in Erfahrung brachte.

Unfassbare Ereignisse

Er sei auf Bücher einer französischen Autorin und Ethnologin gestoßen, die damals ebenfalls in Ravensbrück gefangen war. Eine Episode, die in den Werken der Französin immer wieder auftaucht, brannte sich ihm bis heute ein und zeige die Grausamkeit und Absurdität der deutschen Vernichtungsmaschinerie.

„Der KZ-Arzt kam in den Raum, nahm mich auf den Schoß und gab mir einen Apfel. Er äußerte sich erfreut darüber, dass ich angeblich wieder gesund bin und sagte dann: ‚Jetzt können wir ihn weiter nach Auschwitz schicken’.“

Dänisches Mitwirken in Konzentrationslagern

Ein Schwerpunktthema der Infoveranstaltung war die Rechtsverfolgung von Däninnen und Dänen, die sich dem NS-Regime anschlossen und Kriegsverbrechen außerhalb des Landes begingen. Bis heute sind 99 Personen registriert, die in KZ-Lagern an der Ermordung von Menschen beteiligt waren.

Schülerinnen und Schüler beim Live-Event im Fröslevlager Foto: kjt

Wurden diese Personen ausreichend gesucht, und erhielten jene, die ausfindig gemacht worden waren, eine angemessene Strafe? Gry Scavenius Bertelsen und auch Ib Katznelson stellten dies mit Verweis auf zum Teil milde Strafen in Zweifel.

Nach etwas mehr als einer Stunde ging im Theatersaal der im Fröslevlager beheimateten Nachschule das Licht an. Die Teilnehmenden verließen um viele historische und persönliche Einblicke reicher das Fröslevlager.

Live dabei

Vor Ort war auch die zehnte Klasse der Deutschen Schule Sonderburg (Sønderborg).

Was nimmst du von der Veranstaltung mit, was ist bei dir besonders hängen geblieben, lautete die Frage des „Nordschleswigers“ an einige der Jugendlichen aus Sonderburg.

„Ich empfand es als interessant, dass sie jemanden gefunden haben, der in einem Konzentrationslager war und über die eigene Familiengeschichte als Jude berichtete. Etwas überraschend war für mich, dass in den Lagern nicht nur Juden, sondern auch viele andere Gruppen gefangen gehalten und auch getötet wurden“, sagte Tamara.

Tamara Foto: kjt

Auch Mitschülerin Victoria fand es spannend, dass mit Ib Katznelson ein Zeitzeuge mitwirkte. Seine Ausführungen und auch die der Museumsinspektorin seien sehr aufschlussreich gewesen, so die 16-Jährige.

Interessant und erschreckend zugleich sei für sie, „dass Menschen aus Dänemark mit den schrecklichen Taten etwas zu tun gehabt haben. Das war mir nicht klar“.

Victoria Foto: kjt

Tabita kann der generellen Botschaft der Veranstaltung und dem Gedenken an die Befreiung des Auschwitzlagers vieles abgewinnen: „Ich halte es für wichtig, dass man über die Geschichte erzählt und nie vergisst, was damals für Schreckliches passiert ist, so wie es auch Gry und Ib sagten“, so Tabita.

Tabita Foto: kjt

Public Viewing in Apenrade

Virtuell nahm der älteste Jahrgang des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig in Apenrade (Aabenraa) an der Veranstaltung teil. Die Jugendlichen verfolgten sie am großen Bildschirm.

Die Schülerinnen und Schüler des DGN konnten das Event auf einem Bildschirm in der Aula in Apenrade mitverfolgen. Foto: Kerrin Trautmann

„Leider gab es am Anfang ein paar technische Probleme. Ausgerechnet als Ib Katznelson von seiner persönlichen Geschichte erzählt hat”, bedauerte Naya Kjestine Svendsen, die lieber vor Ort bei der Veranstaltung dabei gewesen wäre.

„Aber insgesamt war es sehr interessant”, pflichtete Emiliana Mahr ihrer Mitschülerin bei.

Besonders hat den 19-Jährigen gefallen, dass der Jahrestag interaktiv gestaltet war und die Schülerinnen und Schüler an einem Quiz teilnehmen konnten.

Anika Hinrichsen hält es für wichtig, dass die Gräueltaten der Nazi-Diktatur immer wieder Teil des Unterrichts sind, damit das Thema nicht in Vergessenheit gerät. „Außerdem war der Vortrag einfach zu verstehen und gut erklärt”, fügte sie hinzu.

   

Naya Kjestine Svendsen, Anika Hinrichsen und Emiliana Mahr (von links) fanden die Online-Veranstaltung spannend. Foto: Kerrin Trautmann
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