Deutsch-dänische Premiere
Drei Bürgermeister und ein Grenzdreieck
Drei Bürgermeister und ein Grenzdreieck
Drei Bürgermeister und ein Grenzdreieck
Zwei Bürgermeister aus Nordschleswig, eine Oberbürgermeisterin aus Flensburg, ein gemeinsames Interview – die Tageszeitungen des Grenzlandes haben Thomas Andresen (Apenrade), Erik Lauritzen (Sonderburg) und Simone Lange (Flensburg) zum Interview eingeladen.
Drei Städte, drei Rathaus-Chefs – eine Region – und zusammen bilden sie das „Grenzdreieck“: Simone Lange aus Flensburg, Thomas Andresen aus Apenrade und Erik Lauritzen aus Sonderburg. Auf Einladung von shz, JydskeVestkysten, Flensborg Avis und Der Nordschleswiger sprechen die Oberbürgermeisterin und ihre zwei dänischen Bürgermeisterkollegen erstmals in einem gemeinsamen Interview über Perspektiven und Hemmnisse ihrer Nachbarschaft.
Wie nah sind Sie eigentlich persönlich aneinander dran?
Lange: Wir sind alle per Du miteinander und auch jenseits dienstlicher Kontakte auf kurzem Weg miteinander in Kontakt. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass ich Erik Lauritzen noch heute Morgen ganz früh eine Nachricht geschickt habe, ob er trotz seiner Sorge vor einer herannahenden Grippe wirklich an unserem Gespräch teilnehmen kann.
Andresen: Es gibt ein besseres Gespräch, wenn es nicht immer nur offiziell zugeht. Deshalb laden wir uns zwischendurch auch einfach so zu Veranstaltungen ein. So bin ich zum Beispiel in Flensburg den Marathon – es war eine Staffel – mitgelaufen, oder Simone war bei uns zum Ringreiterfest zu Gast.
Lauritzen: Wenn es um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit geht, dann ist uns allen seit Jahren bewusst, dass es da ein riesiges Potenzial gibt. Es geht nur darum, die richtigen Schlüssel dafür zu finden.
Welche Schlüssel haben Sie denn auf der jüngsten Zusammenkunft des Grenzdreiecks in der Hand gehabt?
Lange: Da haben wir drei Themen auf dem Tisch gehabt, die die Menschen ganz direkt spüren. Wir haben eine Absichtserklärung für mehr Busverbindungen zwischen unseren Städten unterzeichnet. Es ging darum, dass wir gerade im Tourismusmarketing enger aneinander rücken. Und wir haben eine Lösung gefunden, wie wir 2020 eine Gartenschau auf beiden Seiten der Grenze aufs Gleis setzen können.
Das heißt: Der Termin 2020 ist zu halten, obwohl die Befürchtung laut geworden war, dass die Zeit zur Vorbereitung zu knapp sei?
Lange: Wir haben jetzt einen gemeinsamen Weg gefunden zu sagen: Die Gartenschau findet 2020 statt, aber 2020 kann sie nicht fertig sein. Es soll eine aufwachsende Gartenschau sein – so zu verstehen, dass wir 2020 starten, aber auch 2021, -22, -23 weitere Projekte realisieren. Das ist ganz besonders schön, weil es den Gedanken „100 Jahre Volksabstimmung über den Grenzverlauf – eine Region, die zusammengewachsen ist“, dann nachhaltig zeigt. Wir wollen übrigens nicht alleine bleiben. Weitere Kommunen dürfen als Ausrichter gern dazukommen.
Bisher war auf dänischer Seite Sonderburg als Teilnehmer in der Diskussion. Der Beschluss im Grenzdreieck bedeutet also, dass Apenrade jetzt auch mitmacht?
Andresen: Wir sehen das als Teil einer Tourismusinvestition. Wir haben einige Projekte, die wir mit reingeben wollen. Etwa den Wiedervereinigungs-Park am Folkehjem, der ohnehin zur Neugestaltung ansteht. Wir haben auch Überlegungen, ob die Ochseninseln, die ja derzeit verwaist sind, in eine Gartenschau einfließen können. Das schaffen wir aber nicht bis 2020.
Lauritzen: Es ist eine gute Entwicklung, die die Idee einer Gartenschau jetzt genommen hat. Es als Start für eine ganze Periode zu nehmen, macht es für uns einfacher, ein Teil davon zu sein. Einiges wird hoffentlich schon 2020 fertig sein, so die Schlossgärtnerei in Gravenstein. Ich bin mir mit Thomas aber einig: Die Gartenschau soll und wird nicht die „Wiedervereinigungsfeierlichkeiten“ 2020 überschatten.
Was ist auf deutscher Seite für das Startjahr zu schaffen?
Lange: Das werden wir dieses Jahr beantworten müssen. Ich freue mich jedenfalls auf das Projekt. Damit können die Beteiligten auch ihre Stadtentwicklung vorantreiben. Ich kann zum Beispiel meinen Skaterpark mit in dieses Projekt geben und sagen: Lasst ihn uns attraktiver machen. Ich kann das Gleiche mit Grünanlagen tun. Ich kann mit einer Gartenschau nach innen und nach außen ganz viel machen.
Herr Andresen, Sie äußerten gerade, Sie würden es nicht schaffen, die Ochseninseln bis 2020 auf Gartenschau-Niveau zu bringen. Nun gibt es aber auch von deutscher Seite bereits jetzt Initiativen, die sich um eine Wiederbelebung der Inseln als Ausflugsziel bewerben. Da die Inseln ohnehin Besucher von beiden Ufern anziehen – wäre das nicht ein Paradebeispiel, um zügig zwischen Apenrade und Flensburg ein Kooperationsprojekt aufzusetzen?
Andresen: Zunächst ist es wichtig für uns, ein Abkommen mit der Behörde Naturstyrelsen über die künftige Nutzung unter Dach und Fach zu bekommen. Sie ist Eigentümer der Inseln. Wir möchten die Inseln gerne übernehmen, aber nichts dafür zahlen. Dann möchten wir zunächst niedrigschwellig ein paar praktische Dinge wie eine Anlegebrücke und Sanitäranlagen regeln. Wozu sich die Inseln letztlich entwickeln sollen – dafür wollen wir ein Konzept aufstellen. Wenn wir darin Ideen aus Deutschland einbringen können, ist das richtig gut. Aber ich suche nicht nach etwas, das es schwieriger macht, eine Lösung zu finden. Je mehr Akteure unter einen Hut zu bekommen sind, gerade auch in Finanzfragen – desto langwieriger bis zu einem Konsens.
In absehbarer Zeit entsteht am Fehmarnbelt eine zweite Grenzregion. Ist es mit Blick auf diese Konkurrenz nicht höchste Zeit, hier ein großes Leuchtturmprojekt in der Kooperation zu schaffen?
Lange: Zur Umsetzung bringt man Ideen nur dann, wenn man auch gemeinsame Strukturen schafft. Genau das machen wir für die grenzüberschreitende Gartenschau. Wir haben dafür im Grenzdreieck eine gemeinsame Projektgruppe beschlossen, die eine Konzeptstudie in Auftrag geben wird. Diese Konzeptstudie wird dann genau diese Strukturen schaffen, insbesondere, wie die Finanzstruktur sein soll. Die viel spannendere Frage aber ist, wenn man von Einzelprojekten wegkommen will: Wie bekommt man eine nachhaltige Finanzierungsstruktur in die Region? Das ist jetzt ein Appell an meine Landes- und an meine Bundesregierung: Sieht sie uns als europäische Region und gibt sie uns dann auch entsprechende Mittel für die Zusammenarbeit, die wir selbst verwalten können?
Andresen: Hat grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit der Öresundregion zu tun, findet man in Dänemark immer einen Weg und die nötigen Mittel. Geht es um uns hier unten, wird es fast als Selbstverständlichkeit angesehen, dass wir die finanziellen Ressourcen irgendwie selbst organisieren sollen. Man soll nicht glauben, dass grenzüberschreitende Zusammenarbeit nur dann besteht, wenn irgendein großer Turm oder etwas anderes Symbolisches alles überstrahlt. Wir geben viel in die Zusammenarbeit hinein durch kleine, aber wirksame Schritte, etwa durch die kontinuierliche Förderung von Kulturprojekten oder dadurch, dass es sämtliche kommunalen Internetseiten auch auf Deutsch gibt.
Lauritzen: Wir wissen, dass wir leicht in Vergessenheit geraten können, wenn aller Fokus sich auf drüben Richtung Fehmarn richtet. Deshalb diskutieren wir in meiner Kommune ja über den Bau einer Brücke von Alsen nach Fünen – um ein Gegengewicht zu schaffen.
Flensburg-Region
Die deutsche wie die dänische Seite stehen bei der Anwerbung von Fachkräften und wirtschaftlichen Investitionen vor gleichen Herausforderungen. Warum nicht ein gemeinsames Branding aller drei Städte, vielleicht als „Flensborg Fjord-Region“, da Flensburg auch in Dänemark von allen dreien am bekanntesten sein dürfte?
Andresen: Das lasse ich mal als bloße Behauptung stehen, dass Flensburg in Dänemark bekannter sein soll. Jeder hat seine Stärken, und aus denen heraus kommt die Grenzregion insgesamt nach vorn. Dass wir das neue Apple-Rechenzentrum nach Apenrade bekommen, liegt ja neben einem großen, ebenerdigen Baugrundstück und exzellenter Breitbandanbindung an unserem extrem liberalen Planungsrecht für Großvorhaben. Versuchen Sie mal, sich so ein Projekt mit dem deutschen Planungsrecht vorzustellen … Wir arbeiten gerade an einer Strategie, wie sich die Abwärme, die durch das Rechenzentrum entsteht, zur Energieversorgung in den Nachbarkommunen nutzen lässt. Darin möchten wir auch Flensburg einbinden.
Lauritzen: Wir entwickeln in Sonderburg mit dem „Project Zero“ ja schon seit Jahren neue Ansätze zu Energieeinsparung und Klimaschutz. Wenn das „Project Zero“ Sinn ergeben soll, darf es nicht an der Kommunal- oder Landesgrenze aufhören. Aber Sonderburg und Apenrade werden sich vom Rest Sønderjyllands nicht abkoppeln. Tourismus, Ausbildung, Arbeitsmarkt: Das ist das, wo wir auf jeden Fall stärker über die Grenze kooperieren sollten.
Aber es gibt doch trotzdem andere naheliegende Ansätze: zum Beispiel den künftigen Wirtschaftshafen der Region. Apenrade bietet sich mit seinem tiefen Wasser dafür geradezu an, während Flensburg und Sonderburg ein gutes Potenzial für touristische Häfen haben.
Andresen: Wir drei sind uns einig, dass wenn Firmen aus einem der anderen Häfen gedrängt werden, in Apenrade am einstigen Ensted-Kraftwerk ein geeignetes Gelände besteht, Gewerbe aufzunehmen.
Lange: Zusammenarbeit ist ja nichts, was ich einmal habe. Sie lebt davon, dass ich sie permanent erneuere. Was wir geschafft haben, ist, dass wir ein größeres kulturelles Verständnis füreinander haben. Wir haben von unseren Vorgängern eine Basis für den kontinuierlichen Austausch übernommen. Weil wir diese Basis haben, können wir überhaupt Projekte wie einen Regionalhafen denken. Wir müssen uns für große Projekte wie diesen oder die grenzüberschreitende Gartenschau bewusst Zeit nehmen. Auch um in unseren Städten die Kommunalpolitik mitzunehmen, die in beiden Ländern unterschiedlich funktioniert. Ich vertrete eine große Stadt, und wir unterscheiden uns voneinander. Wir sind nicht eins, und Dinge brauchen ihre Zeit.
Wir hören bei den beiden dänischen Bürgermeistern die Tendenz heraus: Das eher Kleine, Kontinuierliche hat Priorität gegenüber Leuchtturmprojekten. Gilt das auch für Sie, Frau Lange?
Lange: Wir brauchen beides. Wir sollten auf die kleinen Schritte nicht verzichten, aber wir sollten mutig sein, auch die großen zu tun. Ein Thema mit Potenzial möchte ich noch setzen, und das ist Sicherheit. Es gibt in Pattburg ein gemeinsames deutsch-dänisches Polizeizentrum mit fünf verschiedenen Institutionen. Die verstehen sich wunderbar – aber es gibt für das Zentrum bis heute keine Verwaltungsvereinbarung und damit kein Regularium für die Zusammenarbeit. Das muss die Landespolizei mit der dänischen Seite regeln.
Wir sollten nicht nur Häuser bauen, sondern sie auch mit Inhalt füllen. Ich bin ja eine, die auch sagt, wie es nicht gehen soll (Anspielung Langes auf ihre vehemente Kritik dänischer Grenzkontrollen, Anm. d. Red.), aber die auch sagt, wie es mit intensiverer Kooperation der Sicherheitsbehörden gehen kann.
Andresen: Wer sagt übrigens, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit nur eine kommunale Angelegenheit ist? Auch die Wirtschaft kann sich gerne daran beteiligen – wer gute Ideen hat, sollte damit an uns herantreten.
Investieren Apenrade, Sonderburg und Flensburg genug in die grenzüberschreitende Zusammenarbeit?
Andresen: Es gibt keinen eigenen Haushalt für die grenzüberschreitende Arbeit. Man kann also nicht aus dem Haushalt eine bestimmte Zahl finden. Wenn man aber unseren Haushalt durchkämmt und alle Posten zusammenlegt – aus der Kultur, dem Tourismusbereich, der Wirtschaft usw. – dann glaube ich schon, dass eine ansehnliche Summe dabei zusammenkommt, wenn man den gleichen Haushalt zum Beispiel mit Thisted vergleicht. Nehmt unsere Homepage als Beispiel: Alles ist ins Deutsche übersetzt. Ich finde, wir leisten schon was im Grenzland.
Lange: Darüber hinaus haben wir auch Mitarbeiter, die für die grenzüberschreitende Arbeit abgestellt sind.
Lauritzen: Ihr habt es als Medien leicht. Ihr schreibt einfach darüber, wie man die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ankurbeln kann. Man muss aber auch wissen: Wnn wir Finanzen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bereitstellen, dann müssen wir dieses Geld von anderen Kernaufgaben nehmen. Aber natürlich sehen wir auch, dass in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mehr Potenzial steckt und dass es gern noch mehr und noch schneller gehen könnte. Wir haben in den Kommunen ein sehr ergebnisorientiertes Denken, und bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit dauert alles etwas länger. Aber damit kann ich gut leben.