Leitartikel

„Bondesrepublik“

Bondesrepublik

Bondesrepublik

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Jens-Peter Bonde ist im Alter von 73 Jahren gestorben. Foto: Linda Kastrup, RitzauScanpix

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Siegfried Matlok schreibt einen Leitartikel zum Tode von Jens-Peter Bonde. Der gebürtige Apenrader prägte jahrzehntelang die EU-Politik Dänemarks.

In einem Hospiz im wunderschönen Waldgebiet am Arresø in Nordseeland verstarb nach schwerer Krankheit im Alter von 73 Jahren Jens-Peter Bonde, der ein Spiegelbild der dänischen Europa-Politik verkörperte.

Geboren als Sohn eines Möbelhändlers in Styrtom bei Apenrade, war Bonde Sønderjyde mit großem „S“, liebte und pflegte seinen nordschleswigschen Dialekt. Politiker mit Leib und Seele, hatte er aber auch nicht unsympathische schelmische Züge. 

Als das Europa-Parlament einmal über die Sprachen-Vielfalt in der EU diskutierte, da meldete sich der Abgeordnete Bonde zu Wort und provozierte zielgenau mit einem Redebeitrag auf „Synnejysk“, um seine regionale Zugehörigkeit zu demonstrieren. Er hatte allerdings Pech mit dieser Einlage, denn vorab war sein Sprachen-Happening bereits durchgesickert und ein Dolmetscher gefunden worden, der nicht nur zu seiner Überraschung Bondes „sønderjyske“ Rede perfekt in alle EU-Sprachen übersetzte.

Bonde war schlagfertig, in Debatten oft frech wie ein „Schlachterhund“, ja ein „Agent Provocateur“. Aber selbst seine Kritiker schätzten ihn, obwohl er in seinem politischen Leben manche Purzelbäume schlug. Als Vertreter der radikalen Jugend begann er seine politische Laufbahn, später wurde er Mitglied der dänischen kommunistischen Partei (DKP), war sogar Mitglied im Zentralkomitee, setzte sich aber – im Gegensatz zum damaligen Vorsitzenden Ole Sohn – rechtzeitig ab, und vermied so den Bruderkuss mit DDR-Honecker.

In der europäischen Politik fand Bonde sein richtiges Zuhause. Nach dem umstrittenen dänischen Ja zum EU-Beitritt am 2. Oktober 1972 – von den Kommunisten auch mit anti-deutscher Hetze scharf abgelehnt – kandidierte Bonde für die Volksbewegung gegen die EG und wurde 1979 erstmalig ins Europa-Parlament gewählt.

Der dogmatische Kurs der Volksbewegung führte jedoch zu einer Spaltung, und Bonde hat damals unter anderem mit Ulla Dahlerup die Juni-Bewegung gegründet, die zwar einen EU-kritischen Ansatz hatte, die aber nicht ein Nein nur des Neins wegen verfolgte.

Bonde suchte Einfluss und hatte seine Finger mit im Spiel, als Dänemark nach dem Nein beim Referendum über den Maastrichter Vertrag 1992 seine EU-Vorbehalte fand, die von Bundeskanzler Kohl in Edinburgh unterstützt wurden und die ja noch heute gelten – zum Beispiel beim Euro. 

Seine Sternstunde fand er, als er dem europäischen Konvent unter der Leitung des früheren französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d'Estaing angehörte, der 2002 eine europäische Verfassung ausarbeitete, die jedoch von einigen Mitgliedsländern verworfen wurde.

Bonde – als Nordschleswiger auch den beiden Minderheiten eng verbunden und mehrfach Gastredner bei der Neujahrstagung des Bundes Deutscher Nordschleswiger in Sankelmark – setzte sich für Minderheitenrechte in der Verfassung ein, doch seine Wünsche waren nicht mehrheitsfähig.

Dass sich Anke Spoorendonk und Hans Heinrich Hansen gemeinsam mit ihm für eine europäische Minderheiten-Lösung einsetzten, machte ihn als Grenzländer nach eigenen Worten „glücklich“. Die EU-Bemühungen beider Minderheiten im Rahmen der FUEN hat er bis zuletzt mit Freude gefördert.

Sein langer europäischer Weg mit Irr- und Umwegen hat ihn in den letzten Jahren zu einem Befürworter der EU gemacht; nicht ohne Kritik und Skepsis, aber stets auch mit dem Bemühen, die europäische Zusammenarbeit zu festigen und vor allem demokratisch weiterzuentwickeln.

Mit dem einstigen EU-Unionisten Professor Uffe Østergaard schrieb er 2018 ein Buch mit dem Titel „Hvad nu EU?“ und veröffentlichte zehn Gebote für EU-Reformen. Der Mauerfall war Bondes Damaskus, seine europäische Odyssee beendete er mit der realpolitischen Erkenntnis: „Es gibt keine Alternative zur EU.“ Doch eine bessere, nach seinen Vorstellungen sollte eine föderale „Bondesrepublik“ den Menschen dienen, nicht den Bürokraten.

Jens-Peter Bonde, der 29 Jahre dem Europa-Parlament angehörte, hat sich um die demokratische europäische Debatte nicht nur in Dänemark verdient gemacht. Dem nordschleswigschen Landsmann, der seit 1986 mit der EU-Expertin Lisbeth Kirk verheiratet war und der drei Söhne hinterlässt, rufen wir an seinem Grabe zu, womit er selbst stets seine Mails unterschrieb: Møjn, Bonde!

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