Thema der Woche: Buntes Nordschleswig

Über Glauben und Vielfalt

Über Glauben und Vielfalt

Über Glauben und Vielfalt

Julia Röhr
Apenrade/Aabenraa
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Anke Krauskopf ist dieses Jahr die stellvertretende Verantwortliche des Inselmissionsfestes. (Archivfoto) Foto: Julia Röhr

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Eine Premiere in Apenrade: Es findet nicht nur die erste Pride Woche statt, auch wird es den ersten Regenbogen-Gottesdienst geben. Einen Moment. Kirche und Pride, das soll funktionieren? „Der Nordschleswiger“ hat darüber mit der Pastorin Anke Krauskopf gesprochen, die den Vielfältigkeits-Gottesdienst abhält.

Erstmals arbeiten die Sankt Jürgen Kirche und die deutsche Pastorin der Apenrader Kirchengemeinde zusammen, um eine einzigartige Veranstaltung abzuhalten. Beim Gottesdienst am Genforeningsparken am Apenrader Folkehjem wird es deutsch-dänische Musik und drei Redebeiträge geben. Anke Krauskopf übernimmt den biblischen Teil, Sankt-Jürgen-Pastor Thomas Nedergaard nimmt sich des literarisch-philosophischen Teils an. Anschließend wird Nicolaj Laue Juhl als Sprecher der LGBTQ+ Jugend seinen persönlichen Part mit in den Gottesdienst einbringen.

Die vermittelten Inhalte

„Bei dem Gottesdienst geht es um die Vielfalt von Lebensformen, dass Menschen heutzutage unterschiedlich zusammen leben“, erklärt Pastorin Anke Krauskopf. Außerdem geht es um die Liebe – ein wichtiger Aspekt für sie. Die Liebe zwischen zwei Menschen des gleichen Geschlechts wird oft einseitig sexualisiert.

Begriffsdefinitionen – Pride

Queer: Das Wort ist ein Anglizismus und ein Begriff für Personen, die sich nicht mit der heteronormativen Norm identifizieren. Er kann mit „seltsam“ oder „sonderbar“ übersetzt werden und wurde in der Vergangenheit abwertend benutzt. Mit der Aids-Bewegung haben die queeren Menschen den Begriff jedoch aufgewertet und nutzen ihn nun, um sich selbst zu bezeichnen.

Heteronormativität: Das ist eine Weltanschauung, die nur zwei Geschlechter (männlich und weiblich) und heterosexuelle Beziehungen anerkennt.

Nicht-binär: Weicht vom traditionellen Modell der zwei Geschlechter ab. Ein Begriff, mit dem sich Menschen definieren, die sich weder ausschließlich als Frau noch ausschließlich als Mann fühlen.

LGBTIQ+: Diese Abkürzung steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Trans*, Intersexual, Queer und Plus. Das Plus steht für alle anderen Menschen, sie sich diesen Begriffen nicht zuordnen. Das Kürzel wurde im Laufe der Jahre ergänzt und ausgebaut, es gibt verschiedene Varianten.

Sexuelle Orientierung: Die sexuelle Orientierung gibt an, zu wem man sich emotional und sexuell hingezogen fühlt. Dazu zählen unter anderem die Homosexualität, Bisexualität oder auch die Pansexualität.

Transgender: Oberbegriff für alle Menschen, deren Geschlechtsidentität (teilweise) nicht dem ihnen körperlich zugeordneten Geschlecht entspricht.

FLINTA: Frauen, Lesben, Inter-Personen, nichtbinäre Menschen, Transsexuelle und Agender.

„Darum geht es aber eigentlich gar nicht in erster Linie. Es geht eher darum: Ich bin so wie ich bin, darauf bin ich stolz und als solche Person will ich anerkannt sein“, erzählt sie weiter. Außerdem wird es um die Lebensfreude und Hoffnung gehen. „Der Gottesdienst richtet sich nicht nur an die LGBTQ+ Community, sondern an alle, die dabei sein wollen“, betont sie weiter.

Der Regenbogen ist auf den Stoff gestickt. Foto: Julia Röhr

Die Intoleranz der Kirche

In der Vergangenheit haben queere Personen mehrere schlechte Erfahrungen mit der Kirche gemacht. Sowohl junge als auch ältere Menschen. Das ging von Diskriminierung bis zur Ausgrenzung – zahlreiche Fälle wurden im Laufe der Jahre der Öffentlichkeit bekannt.

„Die Kirche hat oft queeren Menschen vermittelt: Ihr dürft vielfältig sein, aber ihr dürft es nicht ausleben. Weil ja in der Bibel steht, dass nur die Ehe die einzig gültige Lebensform ist. Ich finde es wird vergessen, wie viele schlimme Dinge in der Kirche geschehen“, erzählt Anke Krauskopf weiter.

Für sie haben alle Menschen einen Platz unter dem Regenbogen, egal wie sie sind. Dieser Regenbogen hat im biblischen Kontext die Verbindung zwischen Gott und Mensch als Bedeutung und umspannt die Welt. „Und wenn ich das ernst nehme: dass ich sage, Gott liebt alle, dann muss ich das auch so annehmen, hinnehmen und vermitteln“, erklärt sie. Es gehe für sie nicht, in diesem Gedanken bestimmte Gruppen auszuschließen.

Und wenn ich das ernst nehme: dass ich sage, Gott liebt alle, dann muss ich das auch so annehmen, hinnehmen und vermitteln.

Anke Krauskopf, Pastorin

Negative Energie in der Gemeinde

In den Gemeinden gibt es immer Strömungen, die die LGBTQ+ Themen nicht gut finden. Dort gebe es häufig Menschen, die ihre religiösen Identitäten anders ausleben. „Von meiner Seite aus hat das etwas mit Toleranz zu tun. Ich kann das tolerieren – nicht jeder muss das gut finden oder mitmachen.

Aber ich erwarte auf der anderen Seite auch Toleranz und Respekt“, äußert sich Anke Krauskopf. Sie versucht, sich diese Offenheit zu bewahren. Und möchte respektiert werden, dass sie die Bibel an gewissen Stellen anders liest. „Das ist mir ein Herzensanliegen, wirklich“.

Pastorin Anke Krauskopf. Foto: Julia Röhr

Im Zuge der Pride-Woche hat sie darüber nachgedacht, ein kirchliches Seelsorge-Angebot für queere Jugendliche einzurichten. Das gibt es so in dieser Form noch nicht. In dem Rahmen sollen die Anliegen der Personen ernst genommen werden – nicht wie vorher, wo durch die Kirche eher ein „Tabu“ der eigenen Emotionen ausgesprochen wurde.

Ein persönliches Anliegen

Anke Krauskopf liegt das Thema der Gleichberechtigung und queeren Identität schon immer am Herzen. Ein konkreter Fall blieb ihr in Erinnerung: Ein schwuler Kollege wollte mit seinem Partner in das Pfarrhaus einziehen. Damals war das noch nicht in allen Gemeinden möglich. So musste er darum kämpfen und hat letztendlich eine Gemeinde gefunden, in der er dies tun konnte. Zur Hochphase der AIDS-Erkrankungen hatte er viele Freunde, die durch die Krankheit starben. So gab es auch in der Gemeinde viele Trauerberatungen.

Auf der anderen Seite hat Anke Krauskopf eine queere Tochter. „Es war für mich von Anfang an ganz wichtig, sie zu unterstützen und zu stärken – auch weil sie aus einem Pfarrhaus kommt und nie das Gefühl haben muss, dass ihre Queerness etwas Schlechtes ist“, erklärt die Pfarrerin.

Wichtig ist für Anke Krauskopf: dass jeder Mensch einen anderen Menschen findet, der ihn liebt und mit dem es ihm gut geht.

Das Buch „Ich finde Gott in den Dingen, die mich wütend machen“ von Nadia Bolz-Weber handelt von der Geschichte der Pastorin, die sich selbst nie zugehörig zur Kirche gefühlt hat und ihre eigene Gemeinde gründete. Foto: Julia Röhr

Die Kirche

Am Schönsten wäre es für die Pastorin, wenn besondere Gottesdienste wie dieser nicht mehr nötig wären. Wenn die Pastoren und Pastorinnen darauf achten könnten, wie sie Sprache nutzen und was sie den Menschen vermitteln.

Sie selbst kommt ein Stück weit aus der feministischen Theologie und hat im Studium mitbekommen, wie inklusive Sprache genutzt werden kann. Dort gab es auch vermehrt Frauengottesdienste, um die Frauenfiguren in der Bibel in den Fokus zu rücken.

„Da lernt man einfach, dass man als Frau nicht gemeint ist, wenn Paulus in der Bibel die Brüder nennt. Da tut es mir nicht weh, auch die Schwestern zu nennen, auch wenn sie da nicht stehen“, erklärt Anke Krauskopf.

Der Gottesdienst am 27. Juni ist zu ihrer regulären Gottesdienst-Zeit um 14 Uhr. Dort würde sie normalerweise den deutschen Gottesdienst abhalten – anstatt diesen aber abzusagen, ist der Regenbogen-Gottesdienst der reguläre. Ein Schritt in Richtung Normalisierung, wie sie sich es wünscht.

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Leitartikel

Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
„Wenn Minderheiten als Gefahr für andere dargestellt werden“