Grenzüberschreitendes

159. Oeversee-Marsch im Zeichen der Grenzkontrollen

159. Oeversee-Marsch im Zeichen der Grenzkontrollen

159. Oeversee-Marsch im Zeichen der Grenzkontrollen

Oeversee/Øversø
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Die beiden DGN-Schülerinnen Sidsel Christensen und Johanne Jürgensen hielten Gedenkreden am Denkmal für die gefallenen dänischen Soldaten in Oeversee. Foto: Gerrit Hencke

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Das Gedenken an die im Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 gefallenen Soldaten nutzen vier Schülerinnen und Schüler des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig und der Duborg-Skole in Flensburg für Kritik an den Grenzkontrollen. Im Grenzland sei es unverzichtbar, dass Menschen aufeinander zugehen.

Im Zeichen der deutsch-dänischen Freundschaft haben sich am Montagvormittag mehrere Hundert Menschen zu Fuß in dichtem Nebel auf den Weg von Flensburg nach Oeversee gemacht, um der Gefallenen und Verwundeten der Schlacht vom 6. Februar 1864 bei Oeversee zu gedenken. Bei vier Reden von Schülerinnen und Schülern des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig (DGN) und der Flensburger Duborg-Skole wurde Kritik an den seit 2016 bestehenden Grenzkontrollen geübt.

Mit dem Oeverseemarsch erinnern die Teilnehmenden an das blutige Nachhutgefecht zwischen Dänen und den verfolgenden Österreichern, die im Deutsch-Dänischen Krieg an der Seite Preußens kämpften. In dem nur wenige Stunden andauernden Kampf verloren 40 dänische und 96 österreichische Soldaten ihr Leben. 311 Österreicher und 135 Dänen wurden damals verwundet. Am Tag danach sollen der Legende nach Flensburger Bürgerinnen und Bürger die zehn Kilometer lange Strecke gelaufen sein, um die Toten zu bergen und verletzte Soldaten zu pflegen.

Uns ist es wichtig, heute hier zu sein, um der Schlacht zu gedenken. Vor 159 Jahren war hier Krieg, und heute können wir an diesem Ort in Frieden zusammenstehen und an der Grenze miteinander leben.

Johanne Jürgensen

Seit mittlerweile 159 Jahren marschieren zahlreiche Menschen an jedem 6. Februar raus nach Oeversee. Bei der diesjährigen Auflage waren auch zwei DGN-Schülerinnen aus Apenrade (Aabenraa) dabei, die vor der Kranzniederlegung am Denkmal für die dänischen Gefallenen eine Rede hielten. Sidsel Lone Christensen und Johanne Jürgensen betonten darin, es sei nicht nur eine besondere Ehre, der Gefallenen gedenken zu dürfen, sondern auch in die Gegenwart und Zukunft blicken zu können.

„Uns ist es wichtig, heute hier zu sein, um der Schlacht zu gedenken. Vor 159 Jahren war hier Krieg, und heute können wir an diesem Ort in Frieden zusammenstehen und an der Grenze miteinander leben“, sagt Johanne. 

Gedenken am dänischen Denkmal Foto: Gerrit Hencke

Schülerinnen und Schüler kritisieren Grenzkontrollen

Zusammen mit zwei Jugendlichen der Duborg-Skole in Flensburg, Niklas Peter Bang und Linnea Ravnsbjerg Liedtke, kritisieren die vier Mitglieder des Schülerbotschafterprojektes des ADS-Grenzfriedensbundes an diesem Montagvormittag am Sankelmarker See die seit 2016 bestehenden Grenzkontrollen.

In Zeiten von Freundschaft und Offenheit, in Zeiten, in denen der Pass keine Bedeutung mehr habe und wo es keine Rolle spiele, ob man deutsch oder dänisch sei, seien diese „fragwürdig“ und „ein Problem“, heißt es in den Reden der vier Schülerinnen und Schüler.

„Wir als Jugend sehen es als einen großen Problemfaktor, weil wir wegen der Kontrolle keinen leichten Übergang der Grenzen haben. Viele unserer Freunde stehen jeden Tag lange in einer Schlange von Autos, nur um in die Schule zu kommen oder um Freunde zu sehen“, sagt Johanne.

Von den zahlreichen Zuschauenden auf der abgesperrten Bundesstraße gibt es Beifall für die deutliche Kritik. 

Es ist wichtig für uns, den Fokus auf die Grenzkontrollen zu legen, weil da spürt man jetzt wirklich den Unterschied zwischen Deutschland und Dänemark.

Sidsel Christensen
Sidsel Lone Christensen (von links) und Johanne Jürgensen vom DGN sprachen zusammen mit Linnea Ravnsbjerg Liedtke und Niklas Peter Bang von der Duborg-Skole vor dem Dänen-Denkmal. Foto: Gerrit Hencke

„Es ist wichtig für uns, den Fokus auf die Grenzkontrollen zu legen, weil da spürt man jetzt wirklich den Unterschied zwischen Deutschland und Dänemark“, sagt Sidsel dem „Nordschleswiger“.

„Deutsch und dänisch zu sein, das gehört zur Region dazu“, sagt Sidsel Christiansen. Die Minderheiten lebten seit Generationen auf beiden Seiten der Grenze, ohne darüber nachzudenken, dass es überhaupt eine Grenze gebe. Diese werde allein durch die Grenzkontrollen wieder spürbar. „Die unnötige Grenzkontrolle, die wir seit 2016 haben, macht die Grenze aus. Wir sehen die Grenze nicht als einen Stoppklotz, sondern als eine Öffnung an neue Freunde und neue Bekanntschaften“, so Sidsel. 

„Für uns hat es keine Bedeutung, ob man deutsch oder dänisch ist, sondern wie man sich selbst fühlt. Der Pass hat keine Bedeutung, wenn man, wie wir es tun, nur auf den Menschen dahinter guckt“, sagt Johanne. „Wir leben hier als Minderheiten in einer großen Minderheit und teilen uns nicht wegen Grenzgängen auf.“

Durch die Minderheit habe man viele Kontakte. „Ich bin glücklich darüber, denn es ist eine Bereicherung, die wir nicht missen wollen“, sagt Sidsel.

Gleichzeitig gebe es viel Unwissen und Unkenntnis gegenüber Minderheiten, sagen Sidsel und Johanne, die über das Projekt auch Schülerinnen und Schüler an der Duborg-Skole in Flensburg und der A. P. Møller-Skole in Schleswig kennengelernt haben.

Nationalitäten zerfließen im Grenzland

Das Gedenken sei auch eine Generationenaufgabe, sagt der Duburg-Schüler Niklas Peter Bang. „Denn wir wünschen, dass unsere Vergangenheit niemals in Vergessenheit gerät und dass unsere Zukunft noch offener ist.“ Linnea Ravnsbjerg Liedtke ergänzt, es sei unverzichtbar, hier im Grenzland, wo alle Nationalitäten zerfließen, aufeinander zuzugehen.

Ob man hier auch in 100 Jahren gemeinsam stehe, das „hängt von uns ab“, so die mahnenden Worte der Schülerinnen und Schüler. Denn auch heute erlebten die Minderheiten Widerstand – ganz ohne Krieg. „Diskriminierung muss ab und an aktiv abgewehrt werden. Man ist automatisch unterrepräsentiert, aber dadurch, dass wir so eine reiche Kultur, Gemeinschaft und gute Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg haben, sind wir nie isoliert oder einsam“, sagt Linnea.

Johannes Petersen, Vorsitzender des Stammkomitees von 1864, dankte in seiner Rede zum Oeverseetag den Jugendlichen des DGN und der Duborg-Skole für ihren „beeindruckenden Vortrag“.

Geschichte des Oeverseemarsches

So friedlich wie in diesen Tagen war der Oeverseemarsch nicht immer. Zunächst war es ein schleswig-holsteinisches und deutsches Gedenken, dann kamen Menschen aus Österreich dazu, seit 2004 marschieren auch dänische Teilnehmende am 6. Februar von Flensburg raus nach Oeversee.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde das „Overseegedenken“ zu einem großdeutschen Ereignis stilisiert, nach dem Krieg forderte die erstarkte Neudänische Bewegung (dänische Minderheit) ab 1948, den Landesteil Schleswig wieder zu einem Teil Dänemarks zu machen. Antidänische Töne bestimmten zu dieser Zeit die Reden in Oeversee. 

Einen Wandel gab es erst ab 1955 durch die Bonn-Kopenhagener Erklärungen. Ein erster Versuch, die 100-Jahr-Feier 1964 zu einem deutsch-dänischen Ereignis zu machen, scheiterte jedoch.

2001 liefen erstmals Mitglieder der dänischen Minderheit mit. Zur 140-Jahr-Feier 2004 gelang der Wandel. Die Sydslesvigsk Forening wurde neben dem Verein „Stammkomitee von 1864“ zur Mitveranstalterin. Erstmals zogen auch Schülerinnen und Schüler der Duborg Skole, des dänischen Gymnasiums in Flensburg, mit nach Sankelmark. Seither werden auch dänische Lieder gesungen, weht auch der Dannebrog neben bundesdeutscher, österreichischer und schleswig-holsteinischer Flagge.

Kranzniederlegungen an den drei großen Denkmälern

Vertreter des Stammkomitees, des Sydslesvigsk Forening, des Österreichischen Schwarzen Kreuzes und der Bundeswehr legen traditionell Kränze an den Gedenksteinen auf dem Weg nieder.

Zunächst starteten die Teilnehmenden des Oeversee-Marsches am Munketoft in Flensburg. Nach einer kurzen Begrüßung durch Johannes Petersen führte der Weg zunächst aus der Stadt hinaus nach Bilschau, wo traditionell im Ortskrug eine Pause eingelegt wurde.

Am „Denkmal im Walde“ liegen in einem gemeinsamen Massengrab 43 österreichische und 14 dänische Soldaten. Errichtet wurde das Denkmal im Jahre 1870 vom damaligen „Hülfskomité von 1864“, aus dem das Stammkomitee von 1864 hervorgegangen ist.

Denkmal im Walde Sankelmark
Kranzniederlegung am „Denkmal im Walde“ Foto: Gerrit Hencke

Auch am Dänen-Denkmal von 1895 und am Österreicher-Denkmal (1864) oberhalb des Sankelmarkers Sees wurden Kränze niedergelegt. Hier wurden die dänische Nationalhymne und das Schleswig-Holstein-Lied gesungen.

Kranzniederlegung am Österreicher-Denkmal Foto: Gerrit Hencke

Johannes Petersen sprach in Tarp zum Abschluss des Oeverseetages vor zahlreichen Gästen und legte den Fokus seiner Rede auf die Weltpolitik. „Wenn wir nach draußen blicken, tun wird das aus einer inzwischen errungenen Geborgenheit in unserer Heimat heraus.“

Das Grenzland werde oft als Modellregion wegen ihrer vorbildlichen Minderheitenpolitik bezeichnet. Doch auch hier wurden Kriege wegen Nationalismus, Gebietsansprüchen und Minderheiten geführt. Die Erkenntnis, dass eine Volksabstimmung der beste Weg für eine friedliche Lösung sei, habe man erst nach einem großen Blutzoll erlangt.

Mit Blick auf das Blutvergießen in der Ukraine sagte Petersen, Krieg kenne nur Verlierer. „Wir wollen mit unserem Oeverseegedenken einen kleinen Beitrag dazu leisten, doch aus der Geschichte zu lernen.“

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