Literatur

Von Giersch, Stechmücken und Koalas: Lyrikabend mit Jan Wagner

Von Giersch, Stechmücken und Koalas: Lyrikabend mit Jan Wagner

Von Giersch, Stechmücken und Koalas: Lyrikabend mit Jan Wagn

Katja Elsberger
Apenrade/Aabenraa
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„Ein Gedicht ist die größtmögliche Freiheit auf engstem Raum“, so der Lyriker Jan Wagner. Foto: Katja Elsberger

Er ist bekannt für seine intensive Auseinandersetzung mit Banalitäten des Alltags: Lyriker Jan Wagner war am Mittwochabend zu Gast bei der Literatur-AG im Haus Nordschleswig.

Giersch – für manche nur ein unnützer Störenfried im perfekten Garten, für Jan Wagner ist die Pflanze Grundlage für ein ganzes Gedicht. Doch dazu später mehr. Der deutsche Lyriker ist bekannt für seine Werke, in denen er scheinbar belanglose Dinge bis ins Detail beschreibt. Für seine literarischen Stücke hat Wagner bereits mehrere Auszeichnungen und Stipendien erhalten, für sein Buch „Regentonnenvariationen“ wurde ihm sogar der Buchpreis „Lyrik“ verliehen.

Die Chance, den deutschen Lyriker Jan Wagner kennenzulernen und mit ihm über seine Werke zu sprechen, hatten Lyrik-Fans am Mittwochabend in Apenrade. Die Literatur AG des Bundes Deutscher Nordschleswiger hat Wagner für eine Lesung ins Haus Nordschleswig eingeladen. Bei einem Glas Wein und Snacks lauschten etwa 20 Besucher in gemütlicher Runde dem Autor, der Gedichte und Prosa-Werke unter anderem aus seinen Büchern „Regentonnenvariationen“ und „Selbstporträt mit Bienenschwarm“ verlas.

 

Lyriker Jan Wagner las eine Auswahl seiner Gedichte und Prosa-Werke vor. Foto: Katja Elsberger

„Wir freuen uns sehr, dass Jan Wagner in unser kleines Nordschleswig kommt“, begrüßte Christa Kath die Besucher des Lyrikabends. Claudia Heinemann wählte zur Einführung ein Zitat von Emily Dickinson, die das Erlebnis des gelungenen Gedichts so beschrieb: „If it feels as if the top of my head is taken off, I know it is poetry.“

Erzeugung einer „Doppeldeutung“

Bewusst schreibt der Lyriker in seinen Werken, ob Verben oder Nomen, alle Wörter klein. Ihm gehe es um die „Gleichbehandlung“ – denn „die Worte sind gleich viel wert auf den ersten Blick“. Dadurch gelinge es ihm, eine „Doppelbedeutung“ zu erzeugen. Dies erklärte er den Zuhörern am Beispiel des Wortes „regen“, das sehr unterschiedliche Bedeutungen hat – und jeder könne es für sich selbst interpretieren. Wagner sieht Gedichte als „größte Freiheit auf engstem Raum“. 

Anekdoten aus dem Leben

Zwischen den Lesungen erzählte Wagner zudem Anekdoten aus seinem Leben – so sei er beispielsweise einmal nach einer Lesung gefragt worden, ob er vielleicht als Telefonist einer Erotik-Hotline arbeiten wolle, schmunzelt der Poet. Zwar habe er abgelehnt – „dennoch habe ich es als Kompliment aufgefasst“. 

 

Claudia Heinemann (links) und Christa Kath (rechts) von der Literatur AG unterhalten sich über das Werk „Regentonnenvariationen“. Foto: Katja Elsberger

Winzigkeiten des Alltags

Jan Wagner schreibt über Winzigkeiten und Banalitäten des Alltags: „Alles wird interessant, wenn man darüber schreibt.“ Nicht zu unterschätzen sei zum Beispiel der Giersch – ein Unkraut, das so manchen Gartenbesitzer zum Verzweifeln bringt. Seine intensiven Gedanken zu diesem Gewächs hat Wagner in einem gleichnamigen Gedicht zusammengefasst. Das Wort „Giersch“ hat für Wagner das „Begehren schon im Namen“, wie es auch im Gedicht heißt. „Ich liebe die Laute des Wortes“, schmunzelt der Lyriker. Der Giersch „schickt seine kassiber durchs dunkel unterm rasen, unterm feld, bis irgendwo erneut ein weißes widerstandsnest emporschießt“.

Hommage an Stechmücke und Koala

Eine Hommage an die Stechmücke ist Wagners Gedicht „versuch über mücken“. Als „hätten sich alle buchstaben auf einmal aus der zeitung gelöst und stünden als schwarm in der luft“, beschreibt der Poet die Wesen, die in Scharen herumfliegen. Poetische Worte schrieb der Lyriker auch über Koalas: „so viel schlaf in nur einem baum, so viele kugeln aus fell in all den astgabeln, eine boheme der trägheit, die sich in den wipfeln hält und hält.“

als hätten sich alle buchstaben auf einmal aus der zeitung gelöst und stünden als schwarm in der luft

Jan Wagner, Lyriker
Nach der Lesung beantwortete der Lyriker noch die Fragen des Publikums. Foto: Katja Elsberger
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