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Kalter Krieg: 1961 letztes Weihnachtsfest?

Kalter Krieg: 1961 letztes Weihnachtsfest?

Kalter Krieg: 1961 letztes Weihnachtsfest?

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Nordschleswig/Kopenhagen
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Kalter Krieg auf dem Zeichenbrett Foto: Stine Tidsvilde/Ekstra Bladet/Ritzau Scanpix

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Die Sicherheitslage steht in der Nachkriegszeit weiterhin unter Hochspannung. Aber es gibt auch positive Nachrichten: Eine Hochkonjunktur bahnt sich an. Dieser Artikel stammt aus einer Archiv-Serie von Siegfried Matlok über das 50-jährige Bestehen der EU.

1960 war erstmalig der Begriff Hochkonjunktur aufgetaucht – auch in Dänemark, wo der wirtschaftliche Aufschwung eng mit dem Ausbau des sozialen Wohlfahrtsstaates verknüpft wurde. Spürbar für alle im Lande, die der sozialdemokratischen Regierung und dem seit Februar neuen Staatsminister Viggo Kampmann im November 1960 mit 42,1 Prozent der Stimmen ein Rekordergebnis bescherten. Der erfolgreiche Slogan der Sozialdemokraten: „Gør gode tider bedre“.

Die Arbeitslosenzahlen sanken drastisch, die Löhne stiegen kräftig, Villen, Urlaub und Autos waren sichtbare Symbole eines wachsenden Wohlstandes. Es herrschte Zukunftsoptimismus, und im Mai 1961 wurde bei einer Volksabstimmung das Wahlrecht von 23 auf 21 Jahre gesenkt.

Unzufriedenheit im Grenzland

Die europäische Frage war aber mit dem Beitritt zur EFTA, dem Klub der Sieben, nicht geklärt, auch wenn Dänemark 1961 deutlich den Wunsch nach einer Aufnahme in die EWG  unterstrichen hatte.

Besonders im Grenzland herrschte Unzufriedenheit mit der neuen Teilung von Schleswig. In einem Beitrag in der Zeitung „Morgenavisen Jyllands Posten“  formulierte der damalige Chefredakteur des „Nordschleswigers“, Jes Schmidt, dies mit den Worten: „Eine Mitgliedschaft bei den Sechs in der EWG hätte uns frische Luft gebracht.“ Es sei ein Unglück, wenn es an der Grenze zu einer neuen scharfen Trennungslinie kommen würde, so Schmidt, der in diesem Falle „eine große Auswanderungswelle aus Nordschleswig“ befürchtete.   

Chefredakteur Jes Schmidt, „Der Nordschleswiger“ Foto: Der Nordschleswiger

Die Berliner Mauer und dänische Folgen

„Auswanderungsprobleme“ ganz anderer Dimensionen hatte das kommunistische Regime in der sowjetisch besetzten Zone, wo Millionen von Ostdeutschen nach Westdeutschland flüchteten.

Über Nacht wurde der Kalte Krieg wieder heiß, als am 13. August 1961 DDR-Chef Walter Ulbricht trotz anderslautender Erklärungen eine Mauer in und um Berlin errichtete.

Die dänische Armee wurde, wie der Soldat und spätere Außenminister Uffe Ellemann-Jensen berichtet hat, nach dem 13. August in höchsten Alarmzustand versetzt.

„Etwa 230 dänische Staatsbürger, die ihren Wohnsitz in Ostberlin oder in der Sowjetzone haben, werden zurzeit mit der übrigen Bevölkerung von den sowjetischen Machthabern zurückgehalten“, berichtete die Zeitung „Berlingske“, und in unserer eigenen Zeitung lautete der Kommentar: „Moskau spielt mit dem Feuer.“

Die Gefahr eines 3. Weltkrieges hatte unmittelbare Konsequenzen für die dänische Sicherheitspolitik. Nach dem westdeutschen Nato-Beitritt parallel zu den Bonn-Kopenhagener Minderheitenerklärungen im Jahre 1955 stand für die dänische Politik die Frage nach der eigenen Verteidigung und einer eventuellen Zusammenarbeit mit der neuen Bundeswehr im Vordergrund, aber es gab auch Skepsis, ja Ängste in der eigenen Bevölkerung.  

Die Berliner Mauer schuf einen neuen Sicherheitszustand in Dänemark. Foto: Johner Images/Johner/Ritzau Scanpix

Verteidigungslinie Limfjorden

Bereits im Sommer 1955 hatte auf Gut Sierhagen von Graf Scheel-Plessen im holsteinischen Neustadt ein Geheimtreffen zwischen vier dänischen und vier deutschen Marineoffizieren stattgefunden, bei dem die Notwendigkeit einer engen deutsch-dänischen Flotten-Kooperation in der Ostsee auch unter einem gemeinsamen Kommando erörtert wurde.

Die Nato operierte zunächst mit dem Kieler Nord-Ostsee-Kanal und später mit „Limfjorden“ als Abwehrlinie, doch den Dänen ging es auch um die Verteidigung Jütlands im Falle eines sowjetischen Angriffs, der – laut Nato – Dänemark spätestens nach 15 Tagen überrollen würde.

Die Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der Nato eröffnete zwar neue Möglichkeiten zur Landesverteidigung, enthielt aber auch außenpolitische Risiken.

Der Limfjord – einst als Verteidigungslinie gedacht, heute Angler-Paradies Foto: Henning Bagger/Nf-Nf/Ritzau Scanpix

Gromyko droht mit sowjetischen Atomwaffen

Eine zu enge Zusammenarbeit mit der Bundeswehr könnte sich gefährlich auf die Sowjetunion auswirken, und Dänemark könnte dadurch sogar eventuell das Ziel sowjetischer Atombomben werden. Damit hatte der sowjetische Außenminister Gromyko – bei einer Zwischenlandung am 4. November 1957 in Kopenhagen-Kastrup – in einem Gespräch mit Staatsminister H. C. Hansen direkt gedroht.

Der sowjetische Parteichef Nikita Chrustchow warnte im Januar 1958 in einem Kalt-Interview – schriftliche Antworten auf schriftliche Fragen – in der Nachwuchs-Zeitung der Partei Venstre, „Dansk Folkestyre“, Dänemark in scharfen Worten vor einer Flotten-Zusammenarbeit mit der Bundesmarine.

Als der stellvertretende sowjetische Ministerpräsident Mikojan nach einem Besuch in den USA am 22. Januar 1959 bei einer Zwischenlandung in Kopenhagen mit Staatsminister H. C. Hansen zusammentraf, fragte er nach den dänisch-deutschen Plänen für ein gemeinsames Flottenkommando in der Ostsee.

H. C. Hansen unterstrich, ohne konkret zu werden, dass man sich auf dänischer Seite bemühe, „psychologische und außenpolitische Gesichtspunkte bei dieser Zusammenarbeit zu berücksichtigen“.

Als Mikojan den westdeutschen Verteidigungsminister Franz-Josef Strauss namentlich als Gefahr erwähnte und erklärte, dass sich Dänemark zu einer westdeutschen Filiale entwickeln werde, bestritt Hansen dieses Risiko, sicherte ihm jedoch zu, „nichts zu unternehmen,  was die Sowjetunion irritieren könne“.

Mikojan nahm dies zur Kenntnis, fügte aber zum Schluss laut Referat des Staatsministeriums hinzu: „Ich möchte vor der Gefahr einer Wiederbelebung des deutschen Militarismus und Revanchismus warnen. Bedenken Sie die historischen Erfahrungen.“

Situation „äußerst empfindlich”

Schon wenige Tage später, am 17. Februar 1959 von 11 bis 11.25 Uhr, beschwerte sich der sowjetische Botschafter Mikhajlov bei einem Gespräch im Außenministerium mit Außenminister Jens Otto Krag über dänische Pläne, Militärdepots für die Bundeswehr in Dänemark zu errichten.

Krag bestritt jede Aggression, doch im Laufe des Jahres 1960 wurden erste deutsche Militärdepots in Jütland angelegt.  

Das dänisch-deutsche Verhältnis war nach den Worten von Außenminister Jens Otto Krag „äußerst empfindlich”, nicht zuletzt, weil viele Dänen so kurz nach der deutschen Besatzung einer dänisch-deutschen Verteidigungs-Zusammenarbeit starke Gefühle entgegenbrachten. Außerdem befürchtete man, dass die Deutschen eine solche Zusammenarbeit dominieren würden.

Mücke und Elefant

Gleichzeitig machte Krag aber auch keinen Hehl „aus dem großen dänischen Wunsch eines deutschen Militärbeitrages zur Verteidigung Dänemarks“.

Wie innenpolitisch „äußerst empfindlich“ – das bewies eine Gallup-Umfrage im Mai 1960, die von der Bevölkerung wissen wollte, wie sie sich zu neuen Plänen der Nato verhielt, wonach ein deutsch-dänisches Einheitskommando errichtet werden sollte, um eine gemeinsame Landesverteidigung von Schleswig-Holstein und Jütland sowie eine enge Flotten-Zusammenarbeit in der Ostsee zu sichern.

Eine dänische Zeitung formulierte die Bedenken wie folgt:  „Man kann zwar eine Mücke auf dem Rücken eines Elefanten platzieren, aber kann die Mücke dem Elefanten Kommandos geben?“ 

Umfrage: Nicht unter deutschem Kommando

Bei der Umfrage befürworteten 60 Prozent ein Einheitskommando nur unter dänischer Führung, und 69 Prozent antworteten, sie würden eine Führung des deutschen Militärs auch im Rahmen der Nato nicht akzeptieren.

Die Amerikaner, die schon bei den Bonn-Kopenhagener Minderheitenerklärungen im März 1955 in Kopenhagen aufs Tempo gedrückt hatten, drängten nun die Dänen zu einer raschen Entscheidung.

Der Nato-Oberkommandierende in Europa, US-General Lauris Norstad, fand die Rollenverteidigung für die im Aufbau befindliche Bundeswehr „diskriminierend“ und stellte – nach mehreren vergeblichen Verhandlungen – der dänischen Regierung im Juni 1961 ein Ultimatum.

Entweder Dänemark akzeptiere das vorgeschlagene Einheitskommando – oder die deutschen Truppen in Schleswig-Holstein würden der Nato-Zentralregion unterstellt, das dänische Militär hingegen der Nato-Nordregion.

Damit würden die Soldaten der Bundeswehr nicht mehr zur Verteidigung Dänemarks zur Verfügung stehen. Dänemark wäre dann militärisch und politisch in der Nato-Allianz isoliert.

Der Bau der Berliner Mauer erhöhte im August 1961 den Druck auf die sozialdemokratisch-radikale Regierung, aber die sozialdemokratische Führung hatte schon im Juni 1961 den Nato-Vorschlag für ein deutsch-dänisches Einheitskommando unterstützt, also noch vor der Berlin-Krise, aber zweifelsohne hatte die zugespitzte Lage um Berlin den Prozess beschleunigt.

Kampmann gewinnt Regierungskrise

Am 29. August 1961 erklärte Staatsminister Viggo Kampmann vor der sozialdemokratischen Fraktion, die Regierung müsse diesem Nato-Vorschlag zustimmen – ungeachtet dessen, ob die Radikale Venstre dann die Regierung verlassen würde!

Die Radikalen hatten mehr als Bauschmerzen, aber trotz großer Uneinigkeit in der Partei sprach sich die Radikale Venstre dann doch für das Einheitskommando aus – und damit auch für die Fortsetzung der Regierung ohne Neuwahlen. Für die Radikalen eine historische Wende, denn die Nato-Mitgliedschaft der Bundesrepublik hatten sie 1955 noch abgelehnt.

Am 31. August 1961 teilte die Regierung in einer Erklärung ihre Zustimmung zum Nato-Plan mit, allerdings verbunden mit dem Wunsch, ein deutsches Oberkommando über das dänische Heer zu vermeiden.

Unterstrichen wird darin auch das dänische Nein zu Atomwaffen auf dänischem Boden, obwohl – wie sich später herausstellte – der damalige Staatsminister H. C. Hansen schon Jahre zuvor amerikanische Atomwaffen auf Grönland insgeheim erlaubt hatte.   

Verhandlungslösung

Die Verhandlungen führten zu einer Lösung, die Dänemark das permanente Kommando im Einheitskommando Baltap „Allied Forces Baltic Approaches“ zusicherte, das jedoch der Nord-Region der Nato mit Hauptsitz im norwegischen Kolsås unterstellt war. 

Unter dem dänischen Kommando (Combaltap) lief unter anderem das Comlandjut mit Sitz in Rendsburg, zuständig für das dänische Heer in Jütland/Fünen sowie für deutsche Heerestruppen in Schleswig-Holstein.

Stellvertreter des Oberkommandierenden im jütischen Karup war stets ein deutscher Offizier, in den anderen Waffengattungen wechselte das Kommando jeweils zwischen dänischen und deutschen Offizieren.

Wichtigste Aufgabe war die gemeinsame Verteidigung in der Ostsee, aber auch die Sicherung amerikanischer und britischer Verstärkungstruppen im Kriegsfall.

Eskalation am Checkpoint Charlie in Berlin. Foto: Krause & Johansen/Ullstein Bild - Herbert Maschke/Ritzau Scanpix

Eskalation am Checkpoint Charlie

Im Hintergrund lauerte stets drohend die Berlin-Krise, die sich dramatisch zuspitzte, als sich im Oktober 1961 am amerikanischen Grenzübergang Checkpoint Charlie im Ostteil Berlins nur wenige Meter voneinander entfernt sowjetische und amerikanische Panzer gefährlich gegenüberstanden; 16 Stunden lang, die Welt hielt den Atem an, bis sich nach Geheimverhandlungen die Panzer beider Seiten zurückzogen, ohne dass ein Schuss gefallen war.

Unter großem mentalen Druck entschied sich das dänische Folketing am 7. Dezember 1961 für „das Einheitskommando im südlichen Teil der Nato-Nordregion“. 

Das verschwundene Ja von Schmidt-Oxbüll

Am Tage zuvor hatte „Der Nordschleswiger“ eine Ja-Mehrheit von 164 unter den 179 Abgeordneten vorhergesagt und dabei auch bereits die Ja-Stimme des deutschen Abgeordneten Hans Schmidt-Oxbüll mitgezählt. 

Die Abstimmung endete mit einer großen Mehrheit von 149:13 Stimmen – doch siehe da: Ausgerechnet der Abgeordnete der Schleswigschen Partei nahm weder an der Debatte noch an der Abstimmung über diese sicherheitspolitisch so wichtige deutsch-dänische Frage teil.

Besonders seltsam, dass für sein Verhalten in der Zeitung später kein Grund genannt wurde, nicht einmal von ihm selbst.

Drohung wegen Hitleristen und Bornholm

Das Ja des Folketings alarmierte die Sowjetunion, die ja schon in früheren Jahren die dänische Regierung massiv vor einer Zusammenarbeit mit den „westdeutschen Militaristen“ gewarnt hatte.

Am 12. Dezember übermittelte die Sowjetunion eine Protestnote an Dänemark, wohl die schärfste, die jemals aus Moskau an Dänemark gerichtet wurde.

Und darin tauchte plötzlich die Insel Bornholm auf. Die Sowjets stellten fest, „ein Einheitskommando mit den überlebenden Hitleristen stehe im Widerspruch zu Geist und Buchstabe jener Zusage, die Dänemark am 8. März 1946 beim Verlassen der sowjetischen Soldaten auf Bornholm gegeben hatte, nämlich niemals ausländische Truppen auf der Insel zuzulassen.

Notwendige Gegenmaßnahmen

Angesichts „der militärischen Vorbereitungen durch Dänemark und Deutschland in der Ostsee werde die sowjetische Regierung die notwendigen Gegenmaßnahmen durchführen, um die eigene Sicherheit und die ihrer Alliierten zu gewährleisten“, lautete die Moskauer Drohung.

Auf dänischer Seite wurde diese Note mit großer Besorgnis zur Kenntnis genommen, denn Kritiker des Einheitskommandos hatten bereits im Voraus befürchtet, dass Dänemark dadurch vorzeitig in einen kriegerischen Konflikt hineingezogen werden könnte, wie nun durch die zu erwartenden sowjetischen Gegenmaßnahmen.

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Die dänische Regierung wollte zunächst „weich“ antworten, doch Außenminister Krag setzte sich mit seiner Linie durch und teilte den Sowjets mit, „dass Dänemark allein und souverän über seine Sicherheit und Verteidigung zu entscheiden habe und dass die dänische Nato-Mitgliedschaft nur defensiven Zwecken diene“.

In der Folketingsdebatte hatte Krag den sowjetischen Vorwurf als „absurd“ zurückgewiesen, Dänemark als „Werkzeug der angeblichen militaristischen Politik der Bundesrepublik“ zu bezeichnen. 

„Der Nordschleswiger“: Letztes Weihnachtsfest?

In „nach-weihnachtlichen Betrachtungen“ schrieb „Der Nordschleswiger“: „Letztes Weihnachtsfest?

Die Atomkampagnen haben sicherlich dazu beigetragen, das Angstgefühl und die Unsicherheit unter den Menschen zu fördern. Wer weiß – fragten sich nicht wenige – und sie handelten und kauften danach. Und in manchem Keller liegt schon ein Vorrat an Konserven – für alle Fälle. Die Angst vor einem neuen Krieg steckte den Menschen Weihnachten 1961 in den Knochen.“

Drama um Schmidt-Oxbüll: Als die deutsche Minderheit die Benzinpreise erhöhte

Als die sozialdemokratisch-radikale  Regierung von Staatsminister Viggo Kampmann im November 1961 ein Paket mit drastischen Abgabenerhöhungen vorschlug, da schlug die Stunde des deutsch-nordschleswigschen Abgeordneten Hans Schmidt-Oxbüll. Der Vorschlag der Regierung wurde mit 88:86-Stimmen hauchdünn angenommen – mit einer historischen einmaligen Konstellation: mit der Stimme des grönländischen Abgeordneten, Grönlandminister Mikael Gam, und der Stimme der deutschen Minderheit von Schmidt-Oxbüll.  

Es war ein politisches Drama auf Christiansborg. Politische Experten hatten bis zuletzt damit gerechnet, dass sich der Vertreter der Schleswigschen Partei der Stimme enthalten würde – mit dem Ergebnis, dass der Vorschlag der Regierung bei Stimmengleichheit 87:87 entfallen wäre und Regierungschef Kampmann dann wohl Neuwahlen ausgeschrieben hätte.

Dass „tyskeren” in Dänemark für unpopuläre höhere Preise für Benzin, Bier und andere Spirituosen stimmte, sorgte nicht nur für eine Überraschung, sondern auch für Empörung.

Entrüstung und Proteste

Sein grundgesetzliches Recht auf Stimmabgabe wurde zwar von niemandem bezweifelt, aber Schmidt-Oxbüll, der seit 1953 dem Folketing angehörte, hatte vor allem mit seiner Begründung für sein eigenes Ja Entrüstung und Proteste ausgelöst. Schmidt-Oxbüll nannte in der Folketingsdebatte einen höchst seltsamen Vergleich, „er wolle Dänemark vor Weimar-ähnlichen Verhältnissen schützen“.

Venstres nordschleswigscher Abgeordnete Simon From machte darauf aufmerksam, „dass überhaupt keine Weimar-Gefahr für die dänische Demokratie besteht“.

Noch härter reagierte die Zeitung der Widerstandsbewegung, „Information“. „Dass ein Deutscher im dänischen Folketing nur 16 Jahre nach der Befreiung Dänemarks seine Stimmabgabe mit der Furcht vor Weimar-republikanischen Zuständen und parlamentarischen Auflösungstendenzen in Dänemark begründet“, sei nach Ansicht des Kopenhagener Blattes unerträglich. 

Mann des Tages in den Medien

Schmidt-Oxbüll war „Mann des Tages“, nicht nur im Rundfunk, sondern sogar in „TV-Aktuelt“. Er bemühte sich um rasche Schadensbegrenzung nach außen – aber auch nach innen.

„Die Minderheiten-Partei wolle eine Regierung weder stürzen noch stützen. Eine Beteiligung an Regierungsstürmen oder an der Macht im dänischen Staat sei nicht Aufgabe der Minderheit, ja, eine solche Politik könne sogar zur Auflösung der Minderheit führen“, meinte Oxbüll.

Er bestritt, etwa aus Angst vor Neuwahlen und einem möglichen Verlust seines Mandats für die Regierung gestimmt zu haben.

Verärgerung hatte er jedoch auch mit seiner innenpolitisch brisanten Äußerung hervorgerufen, „die bürgerliche Opposition von Venstre und Konservativen sei in der jetzigen Situation gar nicht regierungsfähig“. 

Der Apenrader Fabrikant Peter Mailand, selbst 1960 Folketingskandidat für die Schleswigsche Partei, sagte: „Ich hätte nicht so abgestimmt. Jetzt wird er ganz sicher Prügel einstecken und Ohrfeigen hinnehmen müssen.”

Kritik aus eigenen Reihen

BdN-Hauptvorsitzender Harro Marquardsen versuchte, Oxbüll vor der Kritik aus eigenen Reihen mit dem Hinweis zu schützen, der Abgeordnete sei ja in keiner leichten Situation gewesen. In der Minderheit gebe es geteilte Meinungen über die Stimmabgabe, so Marquardsen.

Er räumte ein, dass zwar zuvor intern mit Schmidt-Oxbüll über sein mögliches Abstimmungsverhalten gesprochen worden sei, „doch habe Oxbüll auf dem Weg nach Kopenhagen „keine Order zu einer bestimmten Stimmabgabe erhalten“.

Schmidt-Oxbüll behauptete, von einer Kritik angeblich selbst nichts gehört zu haben, aber gleichzeitig bereitete er seinen Rückzug vor, als er in einem Interview mit „BT“ versprach: „Das mache ich nie wieder.“

Bei der nächsten Folketingswahl 1964 verloren Schmidt-Oxbüll und die deutsche Minderheit das Mandat.

Proteste in Gedser nach Misshandlungen

„An Berlins Sektorengrenze wurde der Eiserne Vorhang niedergelassen“, meldete „Der Nordschleswiger“ am Tag nach dem Bau der Berliner Mauer, der gleich an der „dänisch-ostdeutschen Grenze“ bei Gedser seine Folgen zeigte.

Zonenbevölkerung wurde der Fluchtweg abgeschnitten, so die Zeitung, doch es gab Ausnahmen.

Glücklich endete die Flucht für zwei Bewohner aus der sowjetisch besetzten Zone, die mit einer kleinen Segeljolle am Strand in der Nähe des Leuchtturmes der Insel Møn in die Freiheit gelangten – gleichzeitig demonstrierten Tausende in Gedser gegen das ostdeutsche Fährschiff „Seebad Warnemünde“. 

Passagier zurückgehalten

Als das Bäderschiff den Hafen von Gedser anlief, erklomm ein junger ostdeutscher Passagier die Reling, um an Land zu springen. Von zivilen und uniformierten Volkspolizisten, die entlang der Reling Wache standen, wurde er jedoch gewaltsam zurückgerissen und mit Schlägen misshandelt, bevor sie ihn unter Deck zerrten.

Auf den dänischen Fischerbooten, die dem Bäderschiff bei der nächsten Ankunft demonstrativ entgegenfuhren, stand auf Plakaten: „Keine Vopo-Methoden in dänischen Häfen.“

Die dänischen Demonstranten verließen erst den Kai als das Schiff aus dem Hafen auslief. Der ostdeutsche Kapitän protestierte gegenüber der dänischen Polizei gegen die friedliche Demonstration.

Probleme an der Landesgrenze

Schwierigkeiten ganz anderer Art gab es an der deutsch-dänischen Grenze in Pattburg, wo der Export von 200 dänischen Zuchtkühen der Schwarz-Bunten-Rasse in die Sowjetzone wegen der Berlin-Krise auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.

Im Export-Vertrag mit der damaligen Sowjetzone gab es jedoch einen Passus, „wonach die Kaufverpflichtung entfällt, wenn dem Export der Tiere aus irgendeinem Grunde etwas im Wege steht, das nicht vom Verkäufer verschuldet ist.“

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