VOICES - MINDERHEITEN WELTWEIT

„Zwischen Krieg und Frieden: Wie viel ertragen wir?“

Zwischen Krieg und Frieden: Wie viel ertragen wir?

Zwischen Krieg und Frieden: Wie viel ertragen wir?

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Apenrade
Zuletzt aktualisiert um:

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Putins Angriffskrieg auf die Ukraine hat sich längst zu einem globalen Krieg ausgeweitet und zwingt den Westen in die Verteidigungsbereitschaft. In seiner Kolumne unterstreicht Jan Diedrichsen, dass auch Pazifismus keine Lösung ist und die Solidarität für die Ukraine nicht ins Wanken geraten darf.

Ein guter junger Freund rief mich an. Wir sprachen über Zukunftspläne. Plötzlich erwähnte er die Überlegung, nach dem Abitur zur Bundeswehr zu gehen. Dreimal musste ich schlucken. Was seinerzeit eine Entscheidung für den Wehrdienst in Friedenszeiten war, hat heute eine andere Bedeutung. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist Europa so fragil wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Der fast dreijährige Krieg hat vieles verändert. Wer hätte gedacht, dass Nordkorea Soldaten zur Unterstützung der russischen Truppen schicken würde? Doch genau das ist geschehen, wie Südkorea und die USA bestätigen. Dieser Krieg ist längst global – ein Kampf zwischen Demokratien und Diktaturen, wenn man es etwas holzschnittartig betrachten will. Russland, China, Iran und Nordkorea bilden einen Machtblock, der den Westen militärisch und ideologisch herausfordert.

Das Schlimme ist, dass diese Diktaturen in Europa Unterstützer finden. Viktor Orbán hat es geschafft, Risse in die EU zu treiben. Er untergräbt die europäischen Grundwerte. Aber diese Spaltung wird als Gefahr erkannt. Sie offen anzusprechen ist wichtiger denn je. Ein gespaltenes Europa spielt Putin in die Hände.

In dieser Situation brauchen wir eine Verteidigung, die abschreckt. Das ist leicht gesagt. Aber der Gedanke, dass junge Menschen – vielleicht solche, die uns nahe stehen – in den Krieg ziehen, lässt einen erschaudern. Ohne Soldaten gibt es keinen Krieg. Der Preis dafür ist unvorstellbar hoch. Junge Menschen verlieren ihr Leben in einem Kampf, der ihnen keine Wahl lässt.

Wir wissen um die Schrecken des Krieges und können dennoch nicht in Pazifismus verfallen. Die Bedrohung durch Diktaturen zwingt uns zur Verteidigungsbereitschaft. Abschreckung ist notwendig, auch wenn die Realität grausam ist. Junge Menschen tragen diese Last – schwer erträglich, aber unausweichlich.

Der Ruf nach Frieden ist verlockend, aber wohlfeil. Denn was ist die Alternative? Parteien wie die AfD oder das Bündnis um Sarah Wagenknecht konstruieren einen Gegensatz zwischen „Frieden“ und „Kriegstreibern“. Dabei wollen wir alle Frieden, vor allem die Menschen in der Ukraine, die tagtäglich den höchsten Preis dafür zahlen. Doch mit wem sollen wir Frieden schließen? Mit Putin, dessen Macht auf Krieg basiert? Sein System verträgt keinen Frieden. Er wird Krieg führen, um seine Macht zu sichern.

Anne Applebaum hat diesen Mechanismus treffend beschrieben: In ihrer Dankesrede zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels kritisierte sie den Pazifismus in Deutschland. Sie sagte: „Es ist auch an der Zeit, darauf hinzuweisen, dass die Lehre aus der deutschen Geschichte nicht sein kann, dass die Deutschen Pazifisten sein müssen. Ganz im Gegenteil. Seit fast einem Jahrhundert wissen wir, dass der Ruf nach Pazifismus angesichts einer aggressiven Diktatur oft nichts anderes ist als Beschwichtigung und Akzeptanz dieser Diktatur“.

Im Ostseeraum, vor allem in Polen, im Norden und im Baltikum, ist die Haltung eindeutig: Russland darf nicht gewinnen. Nicht weil man den Krieg will, sondern weil man weiß, dass der Preis für einen vermeintlichen Kapitulationsfrieden unabschätzbar wäre. Die Solidarität mit der Ukraine darf nicht ins Wanken geraten.

Aber was hat das mit Minderheiten zu tun? Man könnte auf den Minderheitenschutz in der Ukraine schauen oder auf das Schicksal der indigenen Völker in Russland. Aber das sind Fragen, die hinter den grundsätzlichen Fragen, vor denen wir heute stehen, zurücktreten. Minderheitenschutz bleibt wichtig, keine Frage! Nur in Demokratien können Minderheitenrechte nicht willkürlich entzogen werden. In Diktaturen sind Minderheiten auf die Gnade der Machthaber angewiesen. Das dürfen wir nie vergessen, das gehört auch in die Erzählung über diesen Krieg in Europa.

Mehr lesen

Leserbrief

Meinung
Uwe Jessen
„Neuwahlen wären kein Vorteil für die Minderheit“

Deutsche Minderheit

Erneutes Haushalts-Defizit beim DSSV: „Wir müssen anders wirtschaften“

Apenrade / Aabenraa Der DSSV erwartet, auch dieses Haushaltsjahr mit einem Defizit abzuschließen. Grund sind unerwartet hohe Ausgaben, aber auch versäumte Personalanpassungen als Reaktion auf weniger Kinder in den Kindergärten. Im Interview äußern sich der DSSV-Hauptvorsitzende Welm Friedrichsen und der neue Geschäftsführer Lasse Tästensen zur aktuellen Finanz-Lage. Zur Höhe des Haushaltslochs wollen sie sich nicht äußern.

VOICES

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
„Die Last der Vergangenheit: Kolonialismus und die Verantwortung der Gegenwart“