Leitartikel

„Zweiklassen-Verlagerung“

Zweiklassen-Verlagerung

Zweiklassen-Verlagerung

Nordschleswig/Sønderjylland
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Die Dienststelle der neuen Vizedirektorin der Landwirtschaftsbehörde in Augustenburg ist in Kopenhagen. Ein schlechtes Signal mitten in der geglückten Verlagerung von staatlichen Arbeitsplätzen, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Seit 2016 befindet sich die Landwirtschaftsbehörde „Landbrugsstyrelsen" im Augustenburger Schloss vor Sonderburg. Die damalige bürgerliche Regierung hatte in der bisher größten Verlagerungsaktion von staatlichen Behörden Tausende von Arbeitsplätzen aus der Hauptstadt in die Provinz verlagert. Ein Erfolg, wenn es auch Übergangsschwierigkeiten gegeben hat.

Einige Hundert Mitarbeiter mussten damals mit der Landwirtschaftsbehörde von Kopenhagen in den Sonderburger Vorort ziehen, doch die Mehrheit ließ sich von der schönen Natur und günstigen Immobilien in Nordschleswig nicht verlocken. Viele Stellen mussten daher neu ausgeschrieben werden – eine Chance für nordschleswigsche Akademiker, staatliche Jobs zu bekommen – ohne nach Kopenhagen zu müssen.

Dadurch gingen der Landwirtschaftsbehörde, aber auch anderen staatlichen Behörden, beim Umzug Wissen und Kompetenzen verloren. Mitarbeiter mit jahrelanger Erfahrung mussten durch neue Kollegen ersetzt werden, und in so mancher Behörde verlängerten sich dadurch die Wartezeiten. Aber das Manöver, über 4.000 Arbeitsplätze in die Provinz zu verlagern, ist geglückt. Man braucht nur in den Kommunen, wo es nun staatliche Arbeitsplätze gibt, nachzufragen. Das nötige Wissen werden sich die neuen Mitarbeiter mit der Zeit aneignen.

Daher ist es ein schlechtes Signal, dass der Staat akzeptiert hat, dass eine Chefstelle in der Augustenburger Behörde in Kopenhagen besetzt wird. Die neue Vizedirektorin muss zwar drei Tage die Woche in Nordschleswig sein, hat aber offiziell ihren Arbeitsplatz in der Hauptstadt und nicht bei ihren Mitarbeitern.

Andere Chefs von staatlichen Behörden in der Provinz werden nun ähnliche Bedingungen fordern können, wodurch die Entscheidung, die Arbeitsplätze in die Provinz zu verlagern, verwässert wird. Die offizielle Erklärung von dem für Personalangelegenheiten zuständigen Steuerminister Morten Bødskov (Soz.) lautet, dass es sich bei der Besetzung der Stelle in der Landwirtschaftsbehörde um einen ganz besonderen Fall gehandelt hat. Die sozialdemokratische Regierung stehe weiterhin hinter dem Entschluss der Verlagerung der staatlichen Arbeitsplätze.

Die Opposition im Folketing tut aber richtig daran, gegen diese Entscheidung zu protestieren. Die Stellenbesetzung in Augustenburg darf sich nicht zum Präzedenzfall entwickeln, sonst besteht die Gefahr, dass ein Zwei-Klassen-System geschaffen wird, bei dem für die Chefetage ein Satz Regeln gilt und für Mitarbeiter ein anderer.

Außerdem sendet auch die neue Vizedirektorin ein schlechtes Signal, nämlich, dass es sich nicht lohnt, in Nordschleswig zu wohnen. Wir, die hier wohnen, wissen, dass das nicht stimmt. Aber was sollen neue Mitarbeiter glauben, wenn die Chefin die meiste Zeit in der Hauptstadt lebt?

       

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