Leitartikel

„Wir haben es zu eilig“

Wir haben es zu eilig

Wir haben es zu eilig

Nordschleswig/Sønderjylland
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Unsere Kinder müssen nicht alles früher und schneller können als Nachbars Kind. Unsere Kinder sind keine Rennpferde, die an einem Wettbewerb teilnehmen, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Wir Eltern haben es zu eilig. In unserer wettbewerbsgeprägten Gesellschaft müssen unsere Kinder alles schneller und früher können als bisher – und dabei immer die Nase vorn haben.

Mit zwei Jahren das I-Pad bedienen (wenn nicht sogar früher), nachmittags auch gleich das Fahrradfahren lernen und dann natürlich als jüngstes Kind der Gemeinde in den Kindergarten angemeldet werden. Mit vier in die Vorklasse der Schule, obwohl das Kind da schon  wie eine Siebenjährige lesen kann, mit 14 ans Gymnasium und mit 16 das Abitur. Schnell noch eine Ausbildung und dann mit 24 Ärztin werden.

Unsere Kinder sind ein Statussymbol, und je besser sie sich schlagen, desto mehr glänzen die „perfekten" Eltern, die das alles durch ihre ständigen Motivationsschübe möglich gemacht haben.

Wir können ruhig stolz auf unsere Kinder sein, dürfen aber nie vergessen, dass es eben Kinder und keine Rennpferde sind, die an einem Wettbewerb teilnehmen.

Also, liebe Eltern: Halten wir uns doch einfach etwas mehr zurück und lassen die Kinder eine ganz normale Entwicklung durchlaufen – ohne gepuscht oder getrieben zu werden.

Auch die Kommunen haben eine Verantwortung, denn die neue Tendenz ist, dass Kinder unter drei Jahren früher in den Kindergarten wechseln als bisher. Einfach, weil es für den Personalschlüssel in den Kindergärten günstiger ist, sie dort unterzubringen als in den Kleinkindgruppen und weil manchmal bei den Kleinen alle Plätze besetzt sind.

Professorin Charlotte Ringsmose, Tagesstätten-Forschung an der Universität Aalborg, steht dem sehr kritisch gegenüber: „Ich würde nie empfehlen, dass ein Kind in den Kindergarten kommt, bevor es drei Jahre alt ist. Nie. Das hängt mit den Bedürfnissen des Kindes zusammen, sich an Erwachsene wenden zu können, und mit den Möglichkeiten, die ganz besondere Unterstützung zu bekommen, die ein Kind unter drei Jahren braucht."

Ringsmose setzt noch einen obendrauf. Es sei „schlimm“, wenn Kinder zu früh in den Kindergarten kämen. Es sei nicht nur hier und jetzt eine mentale Herausforderung für die Kinder, sondern habe auch später Einfluss auf ihre sozialen Kompetenzen. Für das Kind sei dies „sehr kritisch", so die Professorin.

Viele erleben heute, wie in der Gesellschaft alles schneller und hektischer geworden ist. Und wir merken, dass es ungesund ist und viele stresst. Warum also drängen wir unseren Kindern genau dieselbe Last auf?

Lasst Kinder Kind sein. Das ist das Beste, was wir für unseren Nachwuchs tun können.

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