Leitartikel

(Vor-)Geschichte zum 1:1

(Vor-)Geschichte zum 1:1

(Vor-)Geschichte zum 1:1

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Foto: Scanpix

Im Juni 1992 stimmten die dänischen Spieler überglücklich – aber wohl auch unter etwas Alkoholeinfluss stehend das Schlachtlied an: „Deutschland, Deutschland – alles ist vorbei.“ 25 Jahre nach dem Triumph in Göteborg hat sich auch im deutsch-dänischen Verhältnis so vieles entscheidend verändert – und erfreulicherweise nicht nur auf dem Rasen, wo der Fußball-Weltmeister in Brøndby trotz einer B-Elf herzlich empfangen wurde, meint Siegfried Matlok.

Im Juni 1992 stimmten die dänischen Spieler überglücklich – aber wohl auch unter etwas Alkoholeinfluss stehend das Schlachtlied an: „Deutschland, Deutschland – alles ist vorbei.“ 25 Jahre nach dem Triumph in Göteborg hat sich auch im deutsch-dänischen Verhältnis so vieles entscheidend verändert – und erfreulicherweise nicht nur auf dem Rasen, wo der Fußball-Weltmeister in Brøndby trotz einer B-Elf herzlich empfangen wurde, meint Siegfried Matlok.

Nicht die 22 Spieler auf dem Fußballfeld, sondern zehn ältere, ehemalige Fußballer während der Halbzeitpause bekamen beim Länderspiel zwischen Dänemark und Deutschland im Stadion von Brøndby den mit Abstand größten Beifall der leider nur 15.000 Zuschauer. Das Freundschaftsspiel – übrigens gar nicht so schlecht wie befürchtet – stand im Zeichen des 25-jährigen Jubiläums des größten dänischen Fußballerfolgs, des Gewinns der Fußball-Europameisterschaft 1992 im Finale von Göteborg mit 2:0 über den Favoriten Deutschland.

Vor dem Spiel und in der Halbzeit wurden die Szenen vom Endspiel-Triumph immer wieder auf der großen Stadion-Leinwand wiederholt – die siegbringenden Tore von einst durch „Faxe“ Jensen und Kim Vilfort lösten auch im Unwetter von Kopenhagen noch immer Begeisterung aus. Und die zehn Ehemaligen, darunter unter anderem ja der Ex-Dortmunder Flemming Poulsen, sind nicht nur in die dänische Sportgeschichte eingegangen. Sie haben nationalen Heldenstatus erreicht, und der Film „Sommeren 92“ ist in Dänemark in gewisser Weise identitätsstiftend sogar vergleichbar mit dem „Wunder von Bern“.
Dass der damalige Titelgewinn – mit Spielern, die direkt aus dem Urlaub kamen und die anfangs sogar als Hotdog-Kicker charakterisiert wurden –  für die Dänen noch heute seine historische Bedeutung hat, hängt auch mit den noch lebendigen Erinnerungen von Göteborg zusammen.

Ein namhafter dänischer Journalist nannte den Fußball-Sieg sogar die Revanche für die (militärische) Niederlage 1864 auf Düppel. Unvergessen sind auch die Freudenszenen bei der Heimfahrt durch die von Tausenden begeisterten Fans umsäumten Straßen von Kopenhagen bis zum Empfang im Rathaus, wo die Spieler auf dem historischen Balkon im Jubel des Fußballvolkes untergingen. Da stimmten die Spieler überglücklich, überschwänglich – aber wohl auch schon unter etwas Alkoholeinfluss stehend – das Schlachtlied an: „Deutschland, Deutschland – alles ist vorbei.“

Fußball-Deutschland war natürlich enttäuscht, hatte die Dänen grob unterschätzt, aber eine große Zeitung lieferte damals folgende interessante Schlagzeile: „Wenn die Dänen uns schon besiegen, dann ist es immerhin tröstend, dass sie den Euro abgelehnt haben.“ Mit dem Hintergedanken an die Deutsche Mark und dem Hinweis darauf, dass die Dänen nur einen Monat vor Göteborg bei einer Volksabstimmung den Maastrichter Vertrag inklusive Euro mit Nein verworfen hatten, was noch heute gilt!

25 Jahre später hat sich auch im deutsch-dänischen Verhältnis so vieles entscheidend verändert – und erfreulicherweise nicht nur auf dem Rasen, wo der Fußball-Weltmeister in Brøndby trotz einer B-Elf herzlich empfangen wurde. Und so endete das Spiel auch, wie es sich der deutsche Botschafter Claus Robert Krumrei wohl diplomatisch gewünscht hatte: freundschaftlich 1:1!

 

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