Leitartikel

„Von Kaj bis Benny “

Von Kaj bis Benny

Von Kaj bis Benny

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:

Ein Leitartikel von Siegfried Matlok zum Baubeginn des Fehmarnbelt-Tunnels im kommenden Jahr.

In diesen traurigen Corona-Zeiten ist eine Corona-freie Meldung eine Seltenheit – und vor allem eine solch hochkarätige, die gestern Transportminister Benny Engelbrecht nicht zu Unrecht als historisch bezeichnete: Am 1. Januar 2021 beginnt Dänemark mit dem Tunnel-Bau unter dem Fehmarn-Belt, und wie seit Jahren steht das Projekt in Dänemark auf sicherem politischen Fundament. Sozialdemokraten, Venstre, die  Dänische Volkspartei, Radikale Venstre, SF, Konservative und LA haben eine breite Mehrheit im Parlament, die seit den berühmten Tagen der sogenannten Verkehrs-Mafia stets große Infrastruktur-Projekte gemeinsam geschultert hat.

Es geht dabei nicht darum, dass Dänemark nun landfest mit Deutschland verbunden wird, wie es einst ein Leitartikler der Kopenhagener Tageszeitung „Politiken“ so irrtümlich formulierte,  auch nicht nur darum, dass die Strecke Kopenhagen-Hamburg künftig per Zug und Auto viel schneller bewältigt werden kann: Es handelt sich um ein deutsch-dänisches Projekt von größter europäischer Bedeutung, nicht zuletzt auch für die nordischen Nachbarn, vor allem für Schweden.  Dass dies just in Corona-Zeiten gestartet wird, ist ein klares Signal für Beschäftigung und Wachstum. Gerade die gestrige Veröffentlichung ist auch als politische Willenserklärung pro Tunnel zu verstehen, nachdem die EU-Kommission das Projekt erst kürzlich als enorm wichtig begrüßt hatte, jedoch die dänisch-staatlichen Beihilfen auf eine Laufzeit von 16 Jahren begrenzt hatte,  was z. B. bei „Berlingske“ gleich neue Zweifel angesichts der dadurch schwieriger werdenden Finanzierung aufkommen ließ.

Engelbrecht hat darauf hingewiesen, Dänemark wolle nun beginnen, ungeachtet der noch möglichen und natürlich offenen Entscheidungen vor deutschen Gerichten. Die deutsche Seite soll – so der Benny-Plan, der eine Fertigstellung 2029 vorsieht – ab 2022 ihren Tunnel bauen. Dass deutsche Bürger und Naturschutz-Organisationen gegen das „Monsterbauwerk“ vor Gericht protestieren  – gestern auch online bei „Fridays for Future“ aus klimapolitischen Gründen – ist zu erwarten;  in letzter Instanz werden wohl auch die europäischen Richter zu den Klagen Stellung nehmen müssen. Das kann den Prozess bis 2029 noch etwas verzögert, aber die Vorstellung, dass der halbe dänische Tunnel fertig ist und dann der deutsche Teil von einem Gericht gestoppt wird, ist bei aller Ungewissheit vor Frau Justitia sehr, sehr unwahrscheinlich. Die Bundesregierung will zwar die Klagemöglichkeiten in Sachen Fehmarn nicht rückwirkend begrenzen,  jedoch sind die Tunnel-Gegner in jüngster Zeit bereits mit ersten Klagen vor Gericht gescheitert, und Berlin will den Widerstand auch durch ein weiteres Entgegenkommen beim Lärmschutz für die Anlieger auf der Ostsee-Insel abschwächen. 

Am 4. Juni 1863 entwarf der nur 37-jährige königlich-dänische Baumeister, Zivilingenieur G. V. A. Krühnke aus dem holsteinischen Glückstadt, erstmalig die Idee einer Belt-Querung mit Rødby und Fehmarn als Fährhafen für eine Eisenbahn-und Straßenverbindung zwischen Kopenhagen und Hamburg. Seitdem gab es hohe Wellen in der Ostsee, auch politisch stürmische Zeiten für ein solches Projekt – mit einem Auf und Ab. Vorübergehend wollte die deutsche Seite, während die Dänen zögerten, und danach waren es die Dänen, die besonders unter Anders Fogh aufs Tempo drückten, während die Bedenkenträger nun auf deutscher Seite zu finden waren. Erst eine SMS mit Absender „AM“, also Angela Merkel, beendete das politische Tauziehen zwischen Berlin und Kopenhagen, auch vor dem Hintergrund neuer dänischer Verkehrsstrategien nach der deutschen Einheit.

Dass Benny Engelbrecht jetzt den Startschuss gibt, ist historisch auch insofern bemerkenswert, als der bei Sonderburg lebende Transportminister damit jenes Projekt krönt, das – bei aller Anerkennung übrigens für den Konservativen Flemming Hansen, der damals die Einigung in Berlin unter Dach und Fach brachte – ganz besonders nordschleswigsche Fingerabdrücke hinterlässt. Es waren in erster Linie die ebenfalls aus Nordschleswig stammenden Verkehrsminister Kaj Ikast (Konservativ) und der Sozialdemokrat J. K. Hansen, die als politisches Pärchen einer insgeheimen großen Koalition auf Christiansborg nicht nur für den Großen Belt und den Öresund, sondern auch für die Fehmarn-Verbindung die Weichen stellten, wobei ihnen damals der starke Boss der Metallarbeiter-Gewerkschaft, Georg Poulsen, Pate stand. Und Jahre danach hat sich auch der Venstre-Mann H. C. Schmidt große Verdienste erworben, als plötzlich hohe Wellenschläge das Projekt im Folketing zu torpedieren schienen. 

Ende gut – alles gut?! Es wäre eigentlich ganz fair, wenn 2029 auch ein Nordschleswiger als Transportminister den Tunnel miteröffnen könnte; inzwischen wären ja dann auch andere Verkehrsprojekte in unserem Landesteil noch an der Reihe!

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