Leitartikel

„Vertrauen ist gut – Kodex ist besser“

Vertrauen ist gut – Kodex ist besser

Vertrauen ist gut – Kodex ist besser

Apenrade/Aabenraa
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Der Europarat kritisiert Dänemark inzwischen regelmäßig. Jetzt dafür, dass Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung nicht umgesetzt werden. So gibt es noch immer keinen Verhaltenskodex für Parlamentarier. Sollte es aber geben, meint Cornelius von Tiedemann – gerade weil das große Vertrauen in die Institutionen missbraucht werden könne.

Dänemark ist wieder Anti-Korruptionsweltmeister. Das sagt laut dänischen Medien die Statistik, die jedes Jahr von Transparency International veröffentlicht wird. Hier in Dänemark können wir einander eben vertrauen. Doch so ganz stimmt das ja gar nicht. Denn vor allem wird das Vertrauen, das die befragten Bürger in Politiker und Ämter haben, gewichtet. Soll heißen: Es geht in dem Ranking gar nicht so sehr um Tatsachen, sondern um Gefühle. Auf Deutsch heißt der Index denn auch „Korruptionswahrnehmungsindex“. Eigentlich könnte die Statistik also besser „Vertrauensindex“ heißen.

Sie sagt entsprechend mehr über die Bevölkerung eines Landes aus als über den eigentlichen Grad der Korruption bzw. der Anfälligkeit für diese. Man könnte sogar so weit gehen zu behaupten, dass Länder, in denen die Wahrnehmung von Korruption besonders niedrig ist, in denen die Bürger Amtsträgern und Politikern besonders vertrauen, vielleicht besonders anfällig für Korruption sind – weil vor lauter (blindem?) Vertrauen keine Schutzmechanismen existieren und gar keiner auf die Idee kommt, nach Korruption zu suchen, wo freundlich gelächelt wird.

Nun, ganz daneben liegt der Index, liegen die Dänen in der Selbsteinschätzung gewiss nicht. Wenn man sich die Geschichten von Kollegen aus, ja, leider immer wieder osteuropäischen Ländern, anhört, dann zieht sich mancherorts das Motto „eine Hand wäscht die andere“ von ganz unten bis nach ganz oben durch alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens.

Doch auch in Dänemark und in dänischen Unternehmen kommt es zu Korruption. Große Skandale haben das Vertrauen in Behörden, Institutionen, Unternehmen und Politik erschüttert. Und die Nähe einiger Politiker zu Interessenverbänden und Unternehmen verwundert schon manchmal. Da wechseln langjährige Minister ohne Übergangszeit von einem Tag auf den anderen auf einen Vorstandsposten oder ins Management.

Dänemark ist viele Schritte gegangen. Viele Daten sind hier einsehbar, viel Transparenz für Verbraucher oder Wähler gibt es an Stellen, an denen in anderen Ländern, teils auch Deutschland, unnötige Geheimhaltung betrieben wird.

Doch in jüngerer Zeit geht Dänemark auf diesem Gebiet, wie in so vielen Bereichen, nicht mehr voran – sondern wartet skeptisch ab, was andere machen. Der Europarat hat nun, nachdem bereits der Umgang mit Minderheiten, sowohl mit der deutschen Minderheit wie auch mit ethnischen Minderheiten, scharf kritisiert wurde, einen weiteren Bericht vorgelegt, in dem das Königreich nicht gut abschneidet.

Seit der jüngsten Ermahnung von 2014 habe Dänemark erst zwei von sechs Empfehlungen der Antikorruptions-Gruppe des Europarates umgesetzt, beklagt die Straßburger Institution. Besonders wird bedauert, dass es noch immer keine ernsthaften Schritte dahingehend gegeben hat, einen Verhaltenskodex für Parlamentarier einzuführen.

Darin könnte geregelt werden, wie Interessenskonflikte verhindert werden können. Und wie Schaden vom Ansehen der Demokratie abgewendet werden kann, den Politiker anrichten, die, ohne mit der Wimper zu zucken, fast von Freitag auf Montag zum Beispiel aus Parlament und Regierung in die Rüstungsindustrie wechseln.

Ein Verhaltenskodex für Politiker – er stünde Dänemark gut zu Gesicht. Er würde Politiker und Behördenmitarbeiter nicht einengen – sondern ihnen und den Bürgern, die sich auf sie verlassen, noch mehr Sicherheit geben.

Vertrauen ist gut, sehr gut sogar, und es macht Dänemark so besonders. Aber ein Verhaltenskodex ist noch besser. Denn er untermauert das Vertrauen.

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Cornelius von Tiedemann
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