Leitartikel

„Urlaubsparadies in der Zwickmühle“

Urlaubsparadies in der Zwickmühle

Urlaubsparadies in der Zwickmühle

Nordschleswig/Sønderjylland
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Ist eine kontrollierte Öffnung des Urlaubslandes Dänemark möglich? Keine leichte Frage, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Nach einer monatelangen Shutdown-Phase erlebt Dänemark nun eine langsame und kontrollierte Öffnungsphase. Mit jedem Schritt keimt Hoffnung auf, dass wir wieder zu einem normalen Alltag zurückkehren können.

Jede Öffnungsphase ist aber auch mit einem Dilemma verbunden, denn wer kann sich über die zurückgewonnene Freiheit freuen, und wer muss noch im Würgegriff der Corona-Maßnahmen ausharren?

Nicht alles scheint logisch zu sein, denn es dreht sich dabei nicht nur um gesundheitliche Rücksichtnahme, sondern es steckt eben auch eine gute Portion Politik dahinter: Welche Lobbygruppen sind am stärksten, oder welche Wählergruppen wollen angesprochen werden? Dadurch entsteht bei den Betroffenen aber auch Frust.

Seit Wochen bangt die heimische Touristikindustrie um ihren Sommer. Dabei ist es eigentlich keine Industrie, sondern es sind eher viele kleine private Unternehmer, die das Urlaubsparadies Dänemark ausmachen. Der Kaufmann, die Sommerhausbesitzer, der Campingplatzbetreiber, das Café, die Würstchenbude – alle hoffen sie, dass die Grenzen bald geöffnet und ihre Kunden hereingelassen werden.

Man muss feststellen, dass die Fremdenverkehrslobby einen schweren Stand hat, denn es sind vor allem kleine Kommunen ohne politische Durchschlagskraft, und der einzelne Sommerhausbesitzer hat auch keine Stimme auf Christiansborg.

Im Augenblick sind die Sommerhäuser an Deutsche vermietet, doch niemand weiß derzeit, ob sie im Sommer einreisen dürfen, und daher können die Ferienhäuser noch nicht an dänische Urlauber vermietet werden. Dabei müssen Tausende von Sommerhausbesitzer auch ihre Hypotheken zurückzahlen, Geschäfte ihre Darlehen und Mieten, doch die Einnahmen bleiben aus.

Allerdings befindet sich nicht nur die „Branche“ in der Zwickmühle. Auch die Politik – und allen voran die Staatsministerin Mette Frederiksen – schiebt die Entscheidung der Grenzöffnung vor sich hin. Denn ist eine kontrollierte Öffnung des Urlaubsparadieses Dänemark überhaupt möglich?, so ihre Zweifel.

Wenn Lakolk auf Röm schon bei 16 Grad und Sonnenschein zu einem Hotspot wird mit zu vielen dänischen Gästen, wie sieht es dann im Sommer bei 25 Grad und zigtausenden Urlaubern aus? Und das nicht nur auf Röm, sondern entlang der gesamten Westküste und vielerorts in Dänemark. Denn die deutschen, norwegischen und niederländischen Sommerhausgäste werden nicht nur im Häuschen sitzen, sondern wollen bei gutem Wetter auch ihr Hotdog oder Softice und überhaupt Dänemark erleben.

Mette Frederiksen wird ihre Bedenken haben, während wir die Hoffnung haben, dass es nur einen halbwegs normalen Sommer geben wird,  bei dem wir auch wieder unsere deutschen Freunde begrüßen können.

Die Coronakrise sorgt für verzwickte und verzweifelte Situationen, Zwickmühlen und Dilemmas, in denen das Manövrieren nicht einfach ist. In dieser unerprobten Situation fallen selbst leichte Entscheidungen schwer. Deshalb müssen wir uns – bei allem Optimismus – darauf einstellen, dass unsere Hoffnung dieser Tage dahinschmilzt wie ein Softice in der Sommerhitze.

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