Leitartikel

„Der Schatten Russlands auf Bornholm“

Der Schatten Russlands auf Bornholm

Der Schatten Russlands auf Bornholm

Apenrade/Aabenraa
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Der russische Botschafter in Dänemark richtet seinen Blick auf Bornholm und warnt davor, dass ausländische Truppen auf der Insel stationiert werden. Doch der Westen und mit ihm Dänemark darf sich nicht von Russland erpressen lassen, meint Nils Baum.

In der vergangenen Woche hatte Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) für die Öffentlichkeit überraschend zu einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz einberufen. Um dann eine Absprache mit den US-Amerikanern für eine engere militärische Zusammenarbeit zu präsentieren.

Keine Woche später hat sich nun der russische Botschafter in Dänemark, Vladimir V. Barbin, zu Wort gemeldet. In einem Interview mit „Berlingske“ sendet er die klare Botschaft, dass Russland seinen Blick auch nach Bornholm gerichtet hat. Wörtlich sagte er laut „Berlingske“: „Wenn Dänemark einen solchen Schritt zulässt – wenn fremde Truppen nach Bornholm kommen – dann wäre Russland gezwungen zu überlegen, welche Implikationen dies für das Verhältnis zwischen Russland und Dänemark haben wird.“

Und er verweist auf eine Vereinbarung zwischen Dänemark und Russland, die seinen Worten zufolge nach dem Abzug russischer Truppen aus Bornholm im Jahr 1946 getroffen wurde.

Doch eine solche Vereinbarung gibt es nach Ansicht von Außenminister Jeppe Kofod (Soz.) nicht, eine Sichtweise, die der ehemalige Außenminister Uffe Ellemann-Jensen (Venstre) teilt. Es existiere lediglich ein russisches Dekret. Das hatte seinerzeit der russische Außenminister Molotow an die dänische Regierung geschickt, in der er anbot, dass sich Russland von der im Mai 1945 von russischen Truppen besetzten Insel zurückziehen würde, wenn Dänemark ohne Teilnahme von fremden Truppen und fremden Verwaltern seine eigene Verwaltung auf der Insel einrichten werde.

Wechselnde dänische Regierungen haben nachfolgend die Formulierung „fremde Truppen“ so ausgelegt, dass die damalige Sowjetunion keine Nato-Truppen auf Bornholm dulden würde.

Und dies scheint der russische Botschafter nun aus aktuellem Anlass aufzugreifen. Zwar müssen die Details für die in der vergangenen Woche präsentierten Absprache über eine mögliche Präsenz US-amerikanischer Truppen in Dänemark erst noch ausgearbeitet werden, und das wird mehr Zeit als nur ein paar Wochen in Anspruch nehmen. Doch die Botschaft von Staatsministerin Mette Frederiksen, die sie mit der Präsentation der neuen Vereinbarung ausgesendet hat, war klar: Die USA sind Dänemarks wichtigster alliierter Partner.

Die Botschaft des russischen Botschafters ist ebenfalls unmissverständlich: Es gehe hier ganz generell um die Sicherheit im Baltikum.

Estland, Lettland und Litauen sind ehemalige Staaten der Sowjetunion; und noch heute bringt die russische Enklave um Kaliningrad den russischen Einflussbereich direkt bis an die Ostsee. Und da liegen Inseln wie Gotland oder Åland vor der schwedischen Küste und eben Bornholm dem russischen Einflussbereich am nächsten. Etwas, das Russland immer wieder gern durch das Eindringen russischer Kampfjets in den dänischen Luftraum über Bornholm demonstriert hat – eine Provokation und Machtdemonstration.

Und während sich die russische Machtdemonstration dieser Tage an der Grenze zur Ukraine abspielt, mag sich mancher schon die Frage stellen, ob sich der Schatten Russlands schon bald auf Bornholm ausweiten und die Welt dann auf die Klippeninsel schauen wird. Denn hinter Putins Kalkül, mehr als 130.000 Soldaten an der ukrainischen Grenze zusammenzuziehen, steckt vor allem das langfristige Ziel, den Westen zu Zugeständnissen zu bringen und so den russischen Einflussbereich in Osteuropa auszubauen.

Entsprechend energisch fiel die Reaktion von Verteidigungsminister Morten Bødskov (Soz.) aus: Es seien nicht die Russen, die die dänische Außen- und Sicherheitspolitik bestimmten. Das tue allein Dänemark, so der Minister.

Dennoch stellt sich die Frage: Sieg in erster Runde an Putin? Für die Westeuropäer ist es an der Zeit, einzusehen, dass militärische Stärke eben doch sehr viel mehr bedeutet, als es den Politikerinnen und Politikern hierzulande lieb ist. Es ist deswegen höchste Zeit, dass Europa mit einer Stimme spricht. Aufgrund der unterschiedlichen Beziehungen einzelner Länder zu Russland kein leichtes Unterfangen.

Dass sich Dänemark Hilfe von den USA holt, erscheint vor diesem Hintergrund nur naheliegend; und daran ändern auch Beteuerungen dänischer Politiker nichts, dass eine Absprache mit den USA nicht der aktuellen Situation entspringe, sondern auf eine Anfrage der Amerikaner vor einem Jahr zurückgehe. In jedem Falle kann und sollte auch die Präsenz US-amerikanischer Truppen auf Bornholm nicht ausgeschlossen werden – denn dann würde die dänische Regierung das Spiel Putins mitspielen und sich den Großmachtfantasien des ehemaligen KGB-Agenten unterwerfen.

Nur wenn der Westen Russland gegenüber klare Kante zeigt und deutlich macht, dass er alles daransetzt, sich einem von Russland heraufbeschworenen Konflikt entgegenzustemmen und sich nicht auf das Spiel Putins einlässt, wird sich Putin beeindrucken lassen – und Russland sich zurückziehen.

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