Leitartikel

„Rücksichtslos“

Rücksichtslos

Rücksichtslos

Apenrade/Aabenraa
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Sollen sich Politiker zum Richter darüber aufschwingen, wann sich Minderheiten gekränkt fühlen dürfen und wann nicht? Cornelius von Tiedemann sieht eine besorgniserregende Entwicklung.

Dass sich der Gleichstellungsbeauftragte der Sozialdemokraten im Folketing, Lars Aslan Rasmussen, darüber aufregt, dass die Firma Hansens Is die Eissorte „Eskimo“ künftig anders nennen will, ist bezeichnend für den Wandel seiner Partei – weg vom Credo der aufgeklärten Internationalität  – hin zum provinziellen „wir sind wir“.

Die Töne, die heute von manchen  sozialdemokratischen Politikerinnen und Politikern gespuckt werden, wären noch vor wenigen Jahren von der Parteiführung als „nicht stubenrein“ abgekanzelt worden.     

So meint Rasmussen, es „zerstört den Kampf, den es wirklich gegen Rassismus geben kann“, wenn eine Eissorte nicht mehr den aus Sicht vieler Grönländer herabsetzenden Namen „Eskimo“ tragen soll. Seine Begründung: Erstens würden „90 Prozent der Dänen“  ja auch meinen, dass das albern sei, und zweitens würde er als väterlicherseits türkischstämmiger Däne sich ja auch nicht über den Begriff „Türkischer Pfeffer“ aufregen.

Was das eine, eine von vielen Betroffenen als negativ belastet empfundene Bezeichnung für eine Ethnie, mit dem anderen, eine (wenngleich fälschliche) Herkunftsbezeichnung für ein Lakritzbonbon, miteinander zu tun haben, weiß wohl nur er.

Und er bildet sich sogar ein, noch mehr zu wissen: Rasmussen geht in „Politiken“ so weit zu konstatieren, dass das Wort „Eskimo“ kein herablassendes Wort sei, weil es aus einer anderen Zeit stamme.

Er erlaubt es sich also zu definieren, wie sich Minderheiten zu fühlen haben, wenn sie von der Mehrheit nach deren Gutdünken bezeichnet werden.

Anstatt dies zu problematisieren, geht Rasmussen, ganz, wie es die äußere Rechte seit jeher tut, zum Angriff auf jene über, die die Entscheidung der Eisfirma begrüßen, nennt sie „selbstgefällig“ und wirft ihnen vor, dass sie lieber an Hilfsorganisationen spenden sollten, als sich über einen geänderten Namen einer Eissorte zu freuen.

So also definiert man Gleichstellung von Minderheiten in Dänemark im Jahre 2020: Wer gleichgestellt sein will, muss sich an die 90 Prozent der Menschen anpassen, die es so sehen wie die Regierungspartei. Hurra für Dänemark.

Gut, dass es auch andere Stimmen gibt. Gut, dass es eine Eisfirma wie Hansens Is gibt, die bereit ist, den Namen eines Eises, das in Dänemark fast jeder kennt, zu ändern, um ein Zeichen des Respekts zu senden.

Natürlich ist etwas an dem Vorwurf dran, dass sich heutzutage jeder wegen irgendetwas verletzt fühlen und einen Protest lostreten kann. Aber das darf doch nicht zur Folge haben, dass wir das Kind mit dem Bade ausschütten und jeden Respekt vor und jede Rücksicht auf Minderheiten über Bord werfen. 

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