Leitartikel

„Regulierung und Medienkompetenz müssen Hand in Hand gehen“

Regulierung und Medienkompetenz müssen Hand in Hand gehen

Regulierung und Medienkompetenz müssen Hand in Hand gehen

Apenrade/Aabenraa
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Die Regierung verhandelt dieser Tage über neue Rahmen für die Medien. Eines der gesteckten Ziele ist es, die demokratische Debatte durch Zuschüsse und Regeln zu stärken. Gar kein schlechter Ansatz, findet Nils Baum. Doch sollte dies nicht allein stehen: Medienkompetenz ist mindestens genauso wichtig.

„Unsere Welt hat sich verändert“, lautete die Erkenntnis von Kulturministerin Ane Halsboe-Jørgensen (Soz.), als sie in der vergangenen Woche den Entwurf für eine neue Medienabsprache vorstellte. Eines der Anliegen umfasst die Frage, wie der öffentliche Diskurs in Dänemark auch in Zukunft so gesichert werden kann, dass er in demokratischen und freien Bahnen verläuft – und nicht in erster Linie geformt wird durch die undurchsichtigen Algorithmen US-amerikanischer Technikfirmen.

Zunächst einmal geht es ums Geld. Die auf lokale und regionale Nachrichten ausgerichteten Medienhäuser stehen finanziell unter Druck, denn Facebook, Google & Co nehmen ihnen noch immer die Werbeeinnahmen weg.

Deshalb möchte die Regierung Demokratie und öffentlichen Dialog in der Gesellschaft durch finanzielle Zuwendungen für die Lokal- und Regionalmedien unterstützen. Denn genau hier müssten die lokalen Medien nach Ansicht der Regierung aufrüsten, denn die jungen Menschen lesen Nachrichten inzwischen mehrheitlich über die sozialen Medien.

So weit, so gut.

Neben finanziellen Herausforderungen stellt die Regierung aber vor allem auch die Frage in den Raum, in welchem Maße Facebook, Google & Co darüber bestimmen sollen, welche Nachrichten den Nutzerinnen und Nutzern denn überhaupt im Strom der digitalen Inhalte angezeigt werden.

Am besten wesentlich weniger, wenn es nach dem Wunsch der Regierung geht. Hier stand zuletzt vor allem Facebook in der Kritik, denn in der Praxis hat sich gezeigt, dass das Unternehmen seinen Algorithmus so programmiert, dass es seine User so lange wie möglich auf den Seiten des sozialen Netzwerkes hält.

Aus Sicht des Unternehmens verständlich, generiert es so doch mehr Werbeeinnahmen. Aus Sicht der öffentlichen Debatte allerdings gefährlich, denn der Algorithmus befördert besonders provokante oder umstrittene Thesen und Themen. Denn das befördert wiederum die Aufmerksamkeit und erhöht Klickzahl und Engagement innerhalb der virtuellen sozialen Welt.

Doch hier hat die Regierung gleich zwei Probleme, ein Glaubwürdigkeitsproblem und ein Regulierungsproblem.

Denn ausgerechnet die dänischen Politikerinnen und Politiker bedienen sich in großem Stil Plattformen wie Facebook und Twitter und verbreiten dort ihre politischen Botschaften, oftmals gerne untermauert mit fröhlichen oder auch verärgerten Emojis.

Denn Emojis werden vom Algorithmus belohnt, ergo findet die Botschaft unserer Volksvertreterinnen und Volksvertreter so eine weitere Verbreitung, als wenn sie auf die zumeist kreisrund-gelben Smileys verzichten würden. Doch damit tragen auch dänische Politikerinnen und Politiker dazu bei, Gefühle zu transportieren, die die demokratische Debatte emotional aufheizen können.

Bezüglich des Regulierungsproblems sind denselben Politikerinnen und Politikern die Hände gebunden. Denn Regeln für die großen US-Technikfirmen kann es nur auf gesamteuropäischer Basis geben. Doch in Brüssel ringen die 27 EU-Mitgliedsstaaten dieser Tage darum, eine gemeinsame Linie zu finden, wie sie ihre Kontrolle ausüben wollen.

Bislang musste sich die dänische Regierung deswegen damit begnügen, die US-Tech-Giganten darum zu bitten, Informationen über die Auswirkungen ihres Algorithmus auf die dänische Gesellschaft bereit zu stellen.

Eine Regierung als Bittsteller gegenüber einem mächtigen US-Konzern?

Kulturministerin Ane Halsboe-Jørgensen (Soz.) scheint das zumindest Magenschmerzen zu bereiten. Denn während der Vorstellung des Entwurfs für eine neue Medienförderung forderte sie, dass Facebook & Co selbstverständlich einer demokratischen Kontrolle unterworfen werden müssen, so groß sei ihr Einfluss auf den Alltag unserer Kinder und Jugendlichen inzwischen.

Und wenn die Technikfirmen dies nicht freiwillig wollen, dann setzt die dänische Regierung auf ein EU-Gesetz, mit dem sie den Tech-Giganten zu Leibe rücken will.

Expertinnen und Experten sind da skeptisch. So kommentierte Astrid Haug, digitale Medienberaterin und Expertin für soziale Medien, dass die Regierung es sich ganz und gar aus dem Kopf schlagen könne, von Facebook Einsichten in deren Algorithmus zu bekommen.

Fast schon trotzig mag da ein weiterer Vorschlag der Regierung wirken, nämlich künftig einmal jährlich einen Bericht zur Auswirkung der US-Technikkonzerne auf das psychische Wohlergehen, Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Dänemark zu veröffentlichen.

Vielleicht wäre es sinnvoll, mehrgleisig zu fahren, statt nur auf Regeln zu setzen. Ein vielversprechender Ansatz könnte deswegen die Frage nach einem Ausbau der Medienkompetenz vor allem junger Menschen sein.

Im deutsch-dänischen Grenzland haben Erik Treumer und Jan Schopferer das bereits erkannt und ein Angebot zusammengezimmert, mit dem sie dänischen Familien, die Deutsch sprechen können, in Dänemark lebenden deutschen Familien und auch den Schulen des Deutschen Schul- und Sprachvereins in Nordschleswig Beratungen für den richtigen Umgang mit sozialen Medien und dem Internet anbieten wollen.

Für Medienberater Jan Schopferer geht es dabei in erster Linie um Dialog und Aufklärung, wie er im Gespräch mit dem „Nordschleswiger“ verrät. Und wenn dies dazu führt, dass junge Menschen anstatt nur noch über soziale Netzwerke Nachrichten zu konsumieren, auch mal wieder direkt auf eine der zahlreichen Medienplattformen der lokalen, regionalen und landesweiten Nachrichtenanbieter zugreifen, dann wäre nicht nur etwas für den Erhalt der unabhängigen demokratischen Debattenkultur getan, sondern es würde den Medienhäusern auch finanziell helfen.

Und falls all das nichts hilft und alle Stricke reißen?

Nun, dann gäbe es da noch das Datengesetz. Mit ihm droht nun sogar Facebook selbst, indem es darauf aufmerksam macht, dass zu strenge Daten-Regeln das Unternehmen zum Einstellen seiner Dienste in Europa zwingen könnte.

Dass die Jugend, die Politik und die Unternehmen hierzulande künftig ohne die beliebten sozialen Netzwerke dastehen, scheint zwar nur schwer vorstellbar, doch die Arena ist eröffnet, in Kalifornien, in Brüssel – und hierzulande. Die Verhandlungen der Regierung über eine neue Medienvereinbarung sind am vergangenen Freitag gestartet.

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