Leitartikel

„Pundiks Geist“

Pundiks Geist

Pundiks Geist

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Herbert Pundik, langjähriger Chefredakteur der Kopenhagener Tageszeitung „Politiken“, ist tot. Siegfried Matlok erinnert an den großen Humanisten.

Im Alter von 92 Jahren ist in Tel Aviv der langjährige Chefredakteur der Kopenhagener Tageszeitung „Politiken“, Herbert Pundik, verstorben. Es gibt keine Berufsschule für Chefredakteure, sie befinden sich vielmehr täglich im Examen, so hat er mal über seinen Beruf, über seine Berufung gesagt.

Pundik hat jahrelang berichtet, kommentiert und analysiert, aber er war nicht nur ein Meister seines Fachs, der die Geschichte anderer zu bewerten hatte, er schrieb selbst Geschichte – weit über die dänische Presse hinaus.

Herbert Pundik pendelte 23 Jahre als Chefredakteur von „Politiken“ zwischen der Familie in Israel und seinem voller Papiere chaotisch anmutenden Büro im Pressehaus auf dem Kopenhagener Rathausplatz. Er hatte eine doppelte Identität: Er war Jude und bekannte sich zum dänischen Staat ebenso leidenschaftlich wie zum Staat Israel, dem er seine Liebe schenkte – trotz deutlicher Distanz zur israelischen Politik in den letzten Jahrzehnten.

Seine Familie flüchtete 1905 vor den Juden-Pogromen aus Russland nach Dänemark, und als Junge musste er zusammen mit seinen Eltern im Herbst 1943 vor dem Zugriff der Nazis nach Schweden flüchten. Über die damalige Rettungsaktion im Øresund ist viel gesagt und geschrieben worden.

Pundik hat selbst die Ansicht vertreten, dass Tausenden seiner Landsleute nicht die Flucht gelungen wäre, wenn es nicht doch mehr anständige Deutsche gegeben hätte als der Holocaust vermuten lässt. Nach der Befreiung Dänemarks kehrte er als Mitglied der dänischen Brigade aus Schweden zurück und wurde vorübergehend auch zur Bewachung an der deutsch-dänischen Grenze eingesetzt.

Pundik, dessen jüdischen Brüdern und Schwestern so unvorstellbares Leid zugefügt wurde, sprach als Redner auf der Januartagung des Bundes deutscher Nordschleswiger in Sankelmark den Satz, er habe sich geschämt, weil das dänische Militär verlangt habe, dass die deutschen Soldaten 1945 im Stechschritt über die Grenze „heim ins Reich“ geschickt wurden.

Er hatte sich geschämt – welch eine moralische Aussagekraft,  die in diesem Satz steckte! Als Deutschland wiedervereinigt wurde,  kommentierte Pundik bemerkenswert, „Deutschland stelle den einzigen effektiven Garanten für ein stabiles, demokratisches Europa dar.“ 

Das Verhältnis zu Deutschland und den Deutschen war für ihn Schicksal, Trauma und Hoffnung zugleich. Trotz der Millionen Opfer seines jüdischen Volkes sprach er stets vom Auftrag zur Versöhnung, und die deutsche Politik von Konrad Adenauer über Willy Brandt und Helmut Kohl bis Angela Merkel war für ihn ein sichtbarer Beweis dafür, dass Deutschland sich seiner Schuld, vor allem seiner historischen Verantwortung nicht entzog.

Dass sein Buch „Det kan ikke ske i Danmark“ unter dem Titel „Die Flucht“ nicht zuletzt durch die Förderung der damaligen Ministerpräsidentin Heide Simonis in deutscher Sprache herausgegeben wurde, und dass die Bundesrepublik Deutschland ihn mit einem Orden auszeichnete, war ein kleiner Dank von deutscher Seite für seine Arbeit als Chefredakteur, nicht zuletzt auch für seine fairen und verständnisvollen Leitartikel zu Deutschland in einer Zeit, da andere dänische Medien – auch „Ekstra Bladet“ aus dem Hause Politiken – ganz andere anti-deutsche Töne anschlugen.

Der damalige deutsche Botschafter in Kopenhagen, Hermann Gründel, würdigte ihn „als eine Persönlichkeit, die einen wichtigen Beitrag zur Versöhnung zwischen Deutschen und Juden geleistet hat“.

Pundik war kein Spalter, er war Versöhner, ja ein großer Humanist. Der Apfel fällt ja bekanntlich nicht weit vom Stamm. Sein erster Sohn kam als israelischer Soldat im Krieg ums Leben, aber sein zweiter Sohn, Ron, erwarb sich dadurch große Verdienste, dass er in Oslo hinter den Kulissen einen ersten israelisch-palästinensischen Frieden vermittelte, der aber leider bis heute auf der Strecke blieb. Was Herbert Pundik bis zuletzt stets bedauerte.

Ein großer Geist ist erloschen.

In Erinnerung bleibt sein Appell, dass der handelnde Mensch einen Unterschied ausmachen kann.

Damals wie heute – dank  Vorbildern wie Herbert Pundik! 

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