Leitartikel
Perspektivlose Politik
Perspektivlose Politik
Perspektivlose Politik
Im vermeintlichen Fahrradland Dänemark hat der Anteil des Autoverkehrs in den vergangenen Jahren zugenommen. Während aus dem Regierungslager Transportminister Ole Birk Olesen (LA) zum Schluss kommt, die Bürger bestimmten eben selbst, welche Verkehrsmittel sie nutzen wollten, erinnert die Opposition daran, dass seit 2009 durchweg der Autoverkehr einseitig finanziell entlastet worden ist. Doch es dürfte nach wie vor klar sein, dass Herausforderungen des Klimaschutzes auch in Dänemark eine „Verkehrswende “ erforderlich machen, meint Volker Heesch.
In dieser Woche fand die Veröffentlichung neuer Zahlen des staatlichen Straßenbaudirektorates zur Entwicklung des dänischen Verkehrs ein lebhaftes politisches Echo. „Jyllands-Posten“ lieferte auf Basis der Zahlen eine Geschichte unter der Überschrift, „Vergiss Bus, Zug und Fahrrad, wir fahren im Auto“.
Im Artikel wird der Schluss gezogen, das 2009 mit großer Mehrheit vom Folketing verabschiedete „grüne Verkehrsabkommen“, das im Zuge des absehbaren Verkehrswachstums eine deutlich stärkere Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel und des Fahrrads vorsah, sei gescheitert. Es werden Zahlen der Straßenbehörde präsentiert, die belegen, dass bis 2017 die Verkehrsanteile von Bus und Bahn ebenso gesunken sind wie die Nutzung des Fahrrads.
Während aus dem Regierungslager Transportminister Ole Birk Olesen (LA) zum Schluss kommt, die Bürger bestimmten eben selbst, welche Verkehrmittel sie nutzen wollten, und Venstre-Sprecher Kristian Pihl Lorentzen sogar eine Aufforderung verspürt, dass mehr Straßen gebaut werden müssten, erinnert die Opposition daran, dass seit 2009 durchweg der Autoverkehr einseitig finanziell entlastet worden ist. Und hinzufügen darf man auch, dass die Misere des Eisenbahnverkehrs in Dänemark mit milliardenteuren Fehlanschaffungen bei Zügen und Fehlentscheidungen, keine Strecken zu elektrifizieren, großen Anteil am fehlenden Aufschwung des öffentlichen Verkehrs in Dänemark haben.
Gerade in Nordschleswig zeigt sich, dass beispielsweise der grenzüberschreitende Zugverkehr auf der Hauptstrecke Aarhus-Flensburg-Hamburg heute weit unter den Niveau früherer Jahrzehnte durchgeführt wird – und wohl noch Jahrzehnte vergehen, bis auf der Jütlandroute schnelle Züge mit umweltfreundlichen elektrischen Zügen die Menschen aus Auto und Flugzeug locken. Erstaunlich ist, dass in den Kommentaren zum angeblichen Sieg des Autos über Bahn, Bus und Fahrrad in Dänemark die Umwelt gar keine Erwähnung findet.
Es dürfte nach wie vor klar sein, dass Herausforderungen des Klimaschutzes auch in Dänemark eine „Verkehrswende “ erforderlich machen. Es könnte sich noch als Fiasko herausstellen, immer neue Milliarden in immer mehr Autobahnen zu investieren, für immer mehr Autos, für die in den großen Orten schon jetzt kaum noch Platz ist. Und denen irgendwann bezahlbare Treibstoffe ausgehen werden, wenn das aktuell noch billige Öl aufgebraucht ist.
Aber aktuell gibt es hierzulande noch zu viele klimapolitische Geisterfahrer, die politisch die Verantwortung dafür tragen, dass z. B. klimaschädliche Flugreisen durch Subventionen billiger sind als Fahrten mit umweltfreundlichen Züge auf der gleichen Strecke.
Ein Verkehrsforscher meinte, dass es aktuell politischer Selbstmord in Dänemark wäre, das Autofahren zu verteuern. Vielleicht sollte man zunächst einmal dafür sorgen, dass das vorhandene Bahnnetz zum Funktionieren gebracht wird. Die Fahrgäste würden schon einsteigen, wenn man auch hierzulande mit Tempo 200 oder noch schneller per Bahn ans Ziel kommt. Statt – wie kürzlich beschlossen – führerlose S-Bahnen anzupeilen, sollten vielleicht einmal preisgünstige Fahrkarten von Dänemark nach Deutschland angeboten werden, statt durch milliardenschwere Systeme wie Rejesekort Auslandsreisen kompliziert bis unmöglich zu machen.