Leitartikel

„Nützliche Kränkungskultur“

„Nützliche Kränkungskultur“

„Nützliche Kränkungskultur“

Apenrade/Aabenraa
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Was mit Me-Too begonnen hat, setzt sich derzeit in der Debatte um das Lied „Den danske sang er en ung blond pige“ fort. Man könne die Gefühle des anderen nicht verbieten. Wer sich gekränkt fühlt – ist gekränkt. Das müssen wir verstehen. Die aktuelle Debatte darf nicht dazu führen, dass Gekränkte sich nicht trauen, sich zu äußern, meint Gwyn Nissen.

Wegen eines blonden dänischen Mädchens „explodierte“ in den vergangenen Tagen  das Internet: Ist das Lied „Den danske sang er en ung blond pige“ – Das dänische Lied(gut) ist ein junges blondes Mädchen – kränkend oder gar rassistisch?

Eine Mitarbeiterin  an der Universität CBS in Kopenhagen fühlte sich gekränkt durch das gemeinsame Lied, was dazu führte, dass sich ihr Chef bei der Kollegin – die eben nicht blond oder hellhäutig ist –  entschuldigte. Viel lieber hätte er ihr aber den Hintergrund des Liedes erklären sollen: Kai Hoffmann schrieb es 1924  in einer Zeit, als    Teile Dänemarks sich gerade von  jahrzehntelanger, durch Krieg erzwungener Gefolgschaft unter der Herrschaft des deutschen Kaiserreiches löste.

Ein guter Test ist es, sich selber die Frage zu stellen: Wenn ich jetzt in Südamerika wäre und dort ein Lied über die starken dunkelhaarigen Männer gesungen würde, wäre ich dann beleidigt oder gar gekränkt? Und wenn ja, kann ich das Lied dann vielleicht doch noch richtig einordnen und verstehen, warum es gesungen wird?

Es gibt Tausende von Liedern, die wir heute nicht mehr singen oder hören können, wenn wir sie erst durch einen Filter  politischer Korrektheit sickern lassen. Das gilt auch für neuere  Songs: Geht ein  Partylied wie „Sie hatte nur noch Schuhe an“ noch?

Manchmal ist es schwierig – auch wenn die Lieder historisch eingeordnet werden. Andere Male fällt die Entscheidung dagegen leicht: Sollten alle Strophen des Deutschlandliedes gesungen werden? Nein.

Das Schwierige in dieser Kränkungsdiskussion: Man kann die Gefühle des anderen nicht verbieten. Wer sich gekränkt fühlt – ist gekränkt. Auch das müssen wir verstehen.

So geht es zum Beispiel mir, wenn die dänische oder britische Sportpresse in Verbindung mit deutschen Mannschaften kriegerisches Vokabular benutzt.

Habe ich dann keinen Humor und damit  kein Recht, gekränkt zu sein? Oder aber hat man ein Recht, in seinem Leben nicht gekränkt zu werden? Vielleicht muss diese Verärgerung – so lächerlich sie manchmal auch sein mag –  manchmal einfach raus, um ständig die Werte  einer Gesellschaft auf den Prüfstand zu stellen. Was gestern akzeptabel war, geht heute nicht mehr. Die Werte verändern sich, und die Balance verschiebt sich ständig, was wir an dem dänischen Lied mit der jungen blonden Frau sehen.

Hätte Hoffmann das Lied 2018 geschrieben, wäre Kritik  angebracht. So wie man sich heute auch fragen muss, was einige Musikunternehmen im Namen der Kunst eigentlich  an frauenfeindlichem Mist bei  Rappern durchlassen.

Die aktuelle Debatte darf nicht dazu führen, dass  Gekränkte sich nicht trauen, sich zu äußern.  Me-Too wurde anfangs sicherlich auch von einigen (vielen?) Männern belächelt, doch inzwischen kann es keine zwei Meinungen  geben, dass die Kampagne dazu geführt hat, dass Werte, was die Achtung der Frauen angeht, neu definiert worden sind.
 
So gesehen ist die Kränkungskultur nützlich und sollte nicht nur belächelt werden.
 

 
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