Leitartikel

„Nicht übertreiben“

Nicht übertreiben

Nicht übertreiben

Apenrade/Aabenraa
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Christiansborg fordert die Hochschulen im Land auf, aus Wissenschaft nicht Politik zu machen. Ein Kommentar von Helge Möller vom „Nordschleswiger".

Wie Politik und Journalismus sind auch Wissenschaft und Politik miteinander verbunden. Von ersterer Beziehung weiß man, dass sie immer mal wieder angespannt ist, was auch so sein muss. Letztere Beziehung zwischen Politik und Wissenschaft scheint in Dänemark nun offenbar ebenso belastet zu sein.

Die Politik braucht den Journalismus, um Standpunkte und Meinungen zu verbreiten, umgekehrt wollen Journalisten, dass Politiker sich zu Themen positionieren, die sie eigentlich gern umschiffen möchten. Man braucht sich, ist aber nicht immer einer Meinung. Es gibt Zwist. Diesen gibt es nun in der Beziehung zwischen Wissenschaft und Politik, in der es auch um den Einfluss auf die öffentliche Meinung geht – und um Geld.

Die Politik braucht die Wissenschaft, um eine Grundlage für Entscheidungen zu finden, auf die sie sich berufen kann bei Kritik. Anderseits sind es letztendlich Volksvertreter die entscheiden, wie viel Geld in Wissenschaft investiert wird. Das ist der Hebel, den die Politik ansetzen kann.

Nun hat eine Mehrheit im dänischen Parlament einen Beschluss gefasst, in dem steht, dass die Hochschulen im Lande sicherstellen sollen, dass „Politik nicht als Wissenschaft verkleidet wird“.

Forscher im Lande fürchten nun um die Freiheit der Wissenschaft, fürchten, dass die Politik ihnen vorschreibt, woran sie arbeiten dürfen – und woran nicht. 3.241 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben in einem offenen Brief in der Zeitung „Politiken“ die Regierung aufgefordert, sich von dem Beschluss zu distanzieren.

Angeheizt wurde die Debatte von Henrik Dahl, Liberale Allianz, und Morten Messerschmidt von der Dänischen Volkspartei, die Rassismus und Migrationsforscher scharf angegriffen, „pseudowissenschaftlich und politisch links orientiert nannten sie die Fächer – und Forscher. Der Ton wird rauer.

Es wäre so schön, wenn Wissenschaft Wissenschaft und Politik Politik sein könnte, aber so ist es nicht. Wissenschaft hat immer etwas mit Politik zu tun. Denn es ist auch eine Art von Politik, wenn Forschungsprojekte gezielt auf Themen ausgerichtet werden, die „In“ sind. Und: Professoren, Wissenschaftler, engagieren sich in der Politik und streben eventuell nach Ämtern, ob da die eigene politische und private Überzeugung dann in der Arbeit an der Hochschule grundsätzlich außen vor bleibt – gerade in geisteswissenschaftlichen Fächern, in denen ein Thema auch von verschiedenen Standpunkten aus betrachtet werden kann –  tja, der Mensch ist halt schwach.

Es bleibt ein heikles Unterfangen, wenn Politiker versuchen, Einfluss auf die Wissenschaft zu nehmen, wenn sie mitbestimmen wollen, an welchen Themen gearbeitet werden kann und an welchen nicht. Andererseits darf es keinesfalls sein, dass politische Überzeugungen, ohne diese klar zu markieren, als reine Wissenschaft deklariert werden. Dass Universitäten nun erst einmal aufgefordert werden, selbstkritisch auf das zu schauen, was in den Büros produziert wird, hört sich deshalb zunächst einmal nach einem legitimen Wunsch der Politik an. Doch liegt es auch an den Politikern, die Einflussnahme nicht zu übertreiben – und an den Wissenschaftlern sich selbst zu prüfen, aber auch zu warnen.

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