Leitartikel

„Minkskandal! Welcher Minkskandal?“

Minkskandal! Welcher Minkskandal?

Minkskandal! Welcher Minkskandal?

Apenrade/Aabenraa
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Wenn die Machtvollkommenheit mancher Politikerinnen und Politiker zu groß wird, schlägt die Stunde der Wählerinnen und Wähler. Denn wenn die Person, die die Macht vom Volke geliehen bekommt, sich des damit verbundenen Vertrauens nicht würdig erweist, dann ist es an der Zeit, sie wieder loszuwerden, meint Nils Baum.

Vielleicht war die ganze Aufregung umsonst. Denn möglicherweise gibt es gar keinen Minkskandal. Weil weit und breit keine Schurkin und auch kein Schurke in Sicht ist.

Wirklich jetzt?

Folgt man der Logik von Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.), dann wurden im November 2020 zwar Fehler begangen, als die Tötung sämtlicher Minks in Dänemark angeordnet wurde, aber nötig sei die Tötung so oder so gewesen.

Das sagte sie am Mittwochabend als Reaktion auf die Empfehlungen der Mitarbeiter- und Kompetenzbehörde zum Umgang mit leitenden Angestellten im öffentlichen Dienst, denen im Minkfall eine zentrale Rolle zufiel. Die dem Steuerministerium unterstellte Behörde hatte Staatsministerin Mette Frederiksen, Justizminister Matthias Tesfaye (Soz.) und Umweltministerin Lea Wermelin (Soz.) dazu beraten, wie im Zuge des Berichts der Minkkommission mit den Verwaltungsangestellten weiter verfahren werden solle.

Daraufhin bekam die Büroleiterin im Staatsministerium, Barbara Bertelsen, von ihrer Chefin, Staatsministerin Mette Frederiksen, eine Verwarnung. Der Büroleiter im Justizministerium, Johan Legarth, erhielt eine Zurechtweisung; während der Bürochef im Lebensmittelministerium, Henrik Studsgaard, und Reichspolizeichef Thorkild Fogde vom Dienst befreit wurden und gegen Letzteren zudem ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde.

Im Fall Barbara Bertelsen vertritt die Mitarbeiter- und Kompetenzbehörde die Auffassung, dass es nicht ihre Aufgabe war, für das Vorhandensein einer gesetzlichen Grundlage für die Tötung aller Minks zu sorgen. Stattdessen hätte sie, so wie es die Minkkommission auch in ihrem Bericht schreibt, lediglich die Frage stellen müssen, ob es eine solche Grundlage denn auch gäbe.

Damit nimmt die Mitarbeiter- und Kompetenzbehörde Barbara Bertelsen aus der direkten Schusslinie und schickt stattdessen den Schwarzen Peter an das damalige Umwelt- und Lebensmittelministerium als dem seinerzeit verantwortlichen Ressortministerium weiter.

Also sind sowohl Mette Frederiksen als auch Barbara Bertelsen jetzt fein raus?

Letztere teilte als Reaktion auf die Entscheidung mit, dass sie die Verwarnung ernst und im Übrigen zur Kenntnis nehme.

Und Mette Frederiksen ließ wissen, dass der Fall für sie damit abgeschlossen sei. Und schob noch nach, was sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt betont hatte, nämlich dass es ihr in der Sache ohnehin vor allem ums Vertrauen gehe. Und Vertrauen habe sie, übrigens zu allen beim Staat beschäftigten Verwaltungsangestellten.

Weniger Vertrauen hatte hingegen die Minkkommission, die in ihrem Ende Juni vorgestellten Bericht das Agieren des Staatsministeriums als besonders kritisch bezeichnete, da es die Minkzüchterinnen und -züchter und die Öffentlichkeit in die Irre geführt habe.

Für den Vorsitzenden der Minkzüchter, Tage Pedersen, war es denn auch nur schwer zu ertragen, dass die Angelegenheit trotz scharfer Kritik vermeintlich so einfach vom Tisch gewischt werden kann. Er forderte Barbara Bertelsen auf, in den Spiegel zu schauen und zu sagen, dass sie nicht länger auf ihrem Posten sitzen bleiben könne.

Vielleicht wäre es für Mette Frederiksen tatsächlich besser gewesen, wenn die Mitarbeiter- und Kompetenzbehörde für Barbara Bertelsen die Rote Karte gezogen hätte. Dann wäre die Staatsministerin wohl nicht umhingekommen, ihre Bürochefin des Amtes zu verweisen. Doch nun kocht die Angelegenheit weiter vor sich hin.

Allein schon der blaue Block wird versuchen, die Angelegenheit so lange wie möglich auszuschlachten. Der Parteivorsitzende und Staatsministerkandidat der Konservativen, Søren Pape Poulsen, ließ sich denn auch nicht lange bitten und bezeichnete das Abwälzen der Verantwortung auf eine Reihe an Verwaltungsangestellten und die ausbleibende Übernahme von Verantwortung vonseiten Mette Frederiksens als einen totalen Mangel an Führungsstärke.

Eine Rüge, der sich der Parteivorsitzende und Staatsministerkandidat von Venstre, Jakob Ellemann-Jensen, nur allzu gerne anschloss. Er bemängelte zudem, dass die von der Minkkommission kritisierten Verwaltungsangestellten weiterarbeiten durften, während die Mitarbeiter- und Kompetenzbehörde an ihrer Empfehlung arbeitete. Diese Kritik hatten auch bereits mehrere Abgeordnete des Folketings geäußert.

Und wenn der Fall dann doch nicht einfach so abgeschlossen werden kann, dann möchte Mette Frederiksen jetzt zumindest gerne diskutieren, ob überhaupt von einem Skandal gesprochen werden könne.

Liest man in den vom Finanzministerium für Verwaltungsangestellte herausgegebenen „Kodex VII – Die sieben zentralen Pflichten“ nach, heißt es dort, dass zwei der entscheidenden Pflichten die Einhaltung der Gesetze und die Wahrheitspflicht seien. Dabei gehe es schließlich um die grundlegenden Prinzipien für unsere demokratische Regierungsform; Prinzipien, die im Übrigen aus der politischen Verantwortlichkeit der Ministerinnen und Minister gegenüber dem Folketing und deren juristischer Verantwortlichkeit in Bezug auf das Gesetz zur Ministerinnen- und Ministerverantwortlichkeit und der sonstigen Gesetzgebung abgeleitet sind.

Demnach soll für Verwaltungsangestellte gelten, was für Politikerinnen und Politiker erst recht gilt.

Allerdings, wie es scheint, dann doch nicht für alle. Zumindest nicht für Mette Frederiksen. Ihr unveränderter Wille, sämtliche Macht um ihre eigene Person herum zu konzentrieren, kombiniert mit ihrer ungebrochenen Sturheit, den ganzen Minkfall weiterhin zu bagatellisieren, zeugen davon, dass wir das höchste politische Amt im Staate ausgerechnet in die Hände einer eiskalt berechnenden Frau gelegt haben.

Und weil der Wille zur Übernahme politischer Verantwortung an höchster Stelle ausbleibt, müssen es jetzt die Wählerinnen und Wähler richten.

Die Frage, ob es womöglich gar keinen Skandal gibt, wird nun nicht mehr von Mette Frederiksen, sondern ultima ratio an der Wahlurne entschieden werden.

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