Leitartikel

„Meine, deine und unsere Identität“

Meine, deine und unsere Identität

Meine, deine und unsere Identität

Nordschleswig/Sønderjylland
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Wie gehen wir in der deutschen Minderheit in Nordschleswig mit unserer Identität um? Dazu macht sich Chefredakteur Gwyn Nissen Gedanken.

Die deutsche Minderheit in Nordschleswig kann sich in diesen Monaten über viel Medienaufmerksamkeit freuen. Anlass ist die Grenzziehung vor 100 Jahren und somit das 100-jährige Bestehen der Minderheit – zeitgleich mit der Vereinigung Nordschleswigs mit Dänemark (Genforeningen).

Harro Hallmann, Kommunikationschef des Bundes Deutscher Nordschleswiger, zählte bei der vorigen Hauptvorstandssitzung eine ganze Reihe von Medienberichten in deutschen und dänische Medien auf. Um die 20 sind es, die sich in den vergangenen sechs Monaten mit der Minderheit beschäftigt haben.

Die vielen Berichte sind von großer Bedeutung für die Minderheit, erklären sie der Mehrheitsbevölkerung die oft schwierigen Zusammenhänge im Grenzland. Geholfen hat da gewiss auch die Ansage von Regierungschefin Mette Frederiksen bei den „Genforenings“-Feierlichkeiten auf Düppel, als sie sich direkt an die deutsche Minderheit wandte mit den Worten: „Auch ihr gehört zu Dänemark“. Fast 600.000 Fernsehzuschauer schauten zu.

Doch die Medienberichte machen (hoffentlich) nicht nur Eindruck auf die Mehrheit und schaffen dadurch ein größeres Verständnis für die einzige offizielle Minderheit in Dänemark. Auch für die Minderheit selbst ist die Berichterstattung wichtig.

Diese Woche erschien in der Zeitung „Jyllands-Posten“ unter anderem ein großes Interview mit der 28-jährigen Nanke Nicolaisen aus Almstrup bei Tingleff. Sie kehrte der Minderheit und Nordschleswig nach dem Abitur den Rücken, war es leid, sich als „Deutsche“ oder Minderheitenangehörige erklären zu müssen. In Kopenhagen konnte sie einfach Nanke sein – Anderssein ist in einer Großstadt eben leichter als im kleinen Nordschleswig.

In der Hauptstadt wuchs ihr Selbstbewusstsein und -vertrauen, unter anderem durch die Arbeit für die Kulturbotschafter des Grænseforening, dem dänischen Grenzverein. Heute denkt sie ganz anders über ihre Identität, ist selbstsicher und stolz, Deutsch-Nordschleswigerin und „Bindestregs-Dansker“ (Bindestrich-Däne) zu sein.

Ihre Generation und die Generationen vor ihr haben nie gelernt, mit ihrer Identität umzugehen, und die Minderheit hat dabei viele Jugendliche in Stich gelassen – und sie verloren. Steh dazu, lautete der Slogan der Jungen SPitzen, der politischen Jugend der Minderheit, vor einigen Jahren. Aber wozu?

Das Deutschsein oder Anderssein will gelernt sein. Kinder und Jugendliche müssen in ihrer Identitätsfindung unterstützt werden. Dabei geht es nicht darum, die Jugendlichen zum Deutschsein zu zwingen oder ihnen ein BDN-Stempel aufzudrücken, sondern darum, ihnen die notwendigen Fähigkeiten zu geben, über die eigene Identität zu reflektieren.

Es gibt viele Gründe, warum dies bisher nicht – oder nur im geringen Maße – Geschehen ist, unter anderem weil die Minderheit das Problem und die Herausforderung im Wandel der Zeit nicht überall anerkannt hat.

In den vergangenen Jahren ist aber einiges passiert. Nach dem Vorbild des Grænseforeningen hat nun auch das Deutsche Gymnasium für Nordschleswig Schüler-Botschafter, und derzeit arbeiten der Deutsche Schul- und Sprachverein und der BDN gemeinsam an einem Frühbotschafter-Projekt für Kinder aus den 6./7. Klassen.

Schließlich wird auch das neue Museum der deutschen Minderheit keine Ausstellung von deutschen Gegenständen, sondern ein Museum mit dem Fokus auf Identität – die gemeinsame Identität als Minderheit, aber nicht zuletzt unsere eigene Identität. Es ist eben nicht egal, wer wir sind.

 

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