Leitartikel

„Keine halben Sachen“

Keine halben Sachen

Keine halben Sachen

Nordschleswig/Sønderjylland
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Es fehlt bei den Entscheidungsträgern anscheinend immer noch das Verständnis für die Bedürfnisse im deutsch-dänischen Grenzland. Wie ist sonst zu erklären, dass die Regierung immer noch keine Öffnung aller 13 Grenzübergänge angekündigt hat, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Es war kein Krieg, es war keine Katastrophe und eigentlich waren es ja auch nur drei Monate. Für Grenzlandbewohner scheint die Zeit seit dem 14. März dennoch wie eine Ewigkeit. Die Grenzschließung hat die Bewegungsfreiheit in der Region eingeschränkt, doch damit ist ab Montag endlich Schluss: Die Grenzen machen wieder auf.

Die Freude im Grenzland ist groß, sowohl bei Minderheiten als auch in der jeweiligen Mehrheitsbevölkerung. Denn alle haben in irgend einer Weise Verbindungen über die Grenze hinweg. Es geht, wie wir mehrfach pointiert haben, nicht nur um billiges Bier und Süßigkeiten in den Grenzshops. Es geht um viel mehr. Um persönliche Verbindungen zu Freunden, Bekannten, Familienmitgliedern, Kooperationspartnern und um kulturelle und menschliche Kontakte über die Grenze hinweg – ob unter Künstlern, Tauchern, Anglern, Radfahrern, Seglern, Arbeitskollegen oder Golfspielern. 

Für sie war die Grenze eigentlich nie wirklich da – bis das Coronavirus für hermetisch geschlossene Grenzen sorgte. Welche Bedeutung dies für die Bewohner im Grenzland gehabt hat, verstehen einige Entscheidungsträger in Politik und Behörden immer noch nicht.

Manch einer in der Region mag sich gewünscht haben, dass die Grenzen früher aufgemacht worden wären – und für mehr Leute. Es gibt nämlich immer noch Menschen, die auch nach der kommenden teilweisen Grenzöffnung betroffen sein werden. Dänemark lässt eben noch nicht alle rein – auch wenn dies eine ganz klare Vorgabe der EU ist.

Daher ist die Grenzöffnung am Montag (und am Dienstag nach Deutschland) nur ein weiterer Schritt auf dem Weg zu dem Grenzland, das wir kennen. Wir sind noch nicht am Ziel.

Ganz entscheidend ist, dass auch die zehn weiterhin geschlossenen Grenzübergänge geöffnet werden. Das ist für Dänemark eine Geldfrage und für die Behörden vor allem eine riesige, praktische Aufgabe, wenn sie nun alle Grenzübergänge bewachen wollen.

Deshalb ist noch zu befürchten, dass die bevorstehende Grenzöffnung nur eine halbe Lösung wird, was allerdings bei nur drei offenen Übergängen an der Grenze ein Chaos auslösen würde und sich gar nicht mit dem täglichen Bedarf einer uneingeschränkten Bewegungsfreiheit deckt.

Nein, Herr Justizminister und Frau Staatsministerin, wir wollen keine Viertelstunde oder länger an der Grenze aufgehalten werden. Wir wollen einen reibungslosen Grenzverkehr ohne große Behinderungen, damit wir wieder zusammenwachsen und einen normalen Alltag haben können wie die Menschen in Herning oder Heide. Auch wenn ihr uns nicht versteht.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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