Leitartikel

„Kater ,Olfert‘ und die Nato“

Kater ,Olfert‘ und die Nato

Kater ,Olfert‘ und die Nato

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Wer kann französisch? Eine ganz wichtige Frage bei der Wahl eines Nato-Generalsekretärs. Der frühere Chefredakteur Siegfried Matlok schreibt über seine vertraulichen Kontakte zur Nato-Kandidatur von Uffe Ellemann-Jensen 1995 und über die Rettung von Kater „Olfert“ – durch die deutsche Minderheit!

Alle reden hier im Lande über die kommende Nato-Generalsekretärin Mette Frederiksen. Dass sie nach eigenen Worten bisher keine offizielle Kandidatin ist, wird mit der erfolgreichen Schweigepraxis begründet, die 2009 zur Wahl von Anders Fogh Rasmussen zum Generalsekretär der Nato führte. Vergessen wird jedoch, dass es auch mal eine andere dänische Kandidatur gegeben hat – sogar eine offizielle mit Uffe Ellemann-Jensen, die 1995 scheiterte. Wie seltsam-komplex der Verlauf war und wie sogar die deutsche Minderheit direkt und indirekt am Rande des Prozesses beteiligt war, soll hier erstmalig berichtet werden.

Wenn es jemals einen dänischen Politiker gegeben hat, der sich im In- und Ausland Verdienste um die Nato erworben hatte, dann war es Uffe Ellemann. Als Außenminister widersetzte er sich jahrelang der sogenannten Fußnoten-Politik der (sozialdemokratischen) Opposition, die ihm im Folketing eine Reihe von Rügen (dänisch „Næser“) einbrachte, die er jedoch stolz kassierte, um die dänische Nato-Mitgliedschaft nicht zu gefährden. Mit seinem konservativen Regierungschef Poul Schlüter gewann der Venstre-Politiker die sogenannte Nato-Wahl, die unter anderem die Radikale Venstre in die Regierung brachte und so eine eigene Mehrheit in der Außen- und Sicherheitspolitik schuf, die nicht mehr Zweifel an der dänischen Nato-Loyalität aufkommen ließ.

Als die Regierung Schlüter Anfang 1993 zurücktrat, bedauerten vor allem im Ausland viele den Abgang des international hochgeschätzten Ellemann, der nun als Venstre-Vorsitzender Oppositionsführer wurde. Der neue sozialdemokratische Staatsminister Poul Nyrup Rasmussen war nun wahrlich alles andere als ein Uffe-Freund, doch als 1995 der belgische Nato-Generalsekretär Willy Claas wegen Korruptionsvorwürfen zurücktreten musste, da zauberte Nyrup völlig überraschend ein Kaninchen aus seinem Zylinder und schlug Ellemann als offiziellen dänischen Kandidaten für den höchsten Nato-Posten vor. Alle Parteien – mit Ausnahme der Einheitsliste, die damals den Uffe als Kalt-Krieger diffamierte – unterstützten seine Kandidatur.

Als Kopenhagener Sekretariatsleiter bekam ich plötzlich einen Anruf vom schleswig-holsteinischen FDP-Bundestagsabgeordneten Jürgen Koppelin. Er bat mich, mir nahestehende Venstre-Kreise darüber zu informieren, dass „Deutschland“ Ellemann als Generalsekretär unterstützen werde. Mit „Deutschland“ war natürlich vor allem der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher gemeint, der auch privat ein guter Freund von Uffe war und der davon überzeugt war, dass es keinen besseren Kandidaten für die Allianz geben könne als Ellemann. „Unvergessen für uns Deutsche wird immer bleiben, dass Uffe Ellemann-Jensen zu den europäischen Staatsmännern gehörte, die die deutsche Vereinigung von Anfang an unterstützt haben“, so hatte Genscher seinen langjährigen dänischen Amtskollegen gewürdigt.

Da Genscher jedoch nicht mehr im Amt war, hatte er bei seinem FDP-Nachfolger im Auswärtigen Amt, Klaus Kinkel, für den dänischen Kandidaten geworben. Ellemanns Kandidatur stieß jedoch auf ein Veto-ähnliches französisches „Non“. Zwar wurde Kandidat Ellemann zu einem vertraulichen Gespräch ins Pariser Außenministerium eingeladen – durch die Hintertür, doch in 35 Minuten bekam er dort zu wissen, dass Frankreich ihn auf keinen Fall unterstützen werde. Auch, so lautete eine Begründung, weil er nicht Französisch sprach!

Wie weit sich die Bundesregierung auf Drängen von Genscher hinter den Kulissen für Ellemann eingesetzt hat, blieb unklar, doch es gab Gerüchte, wonach Bundeskanzler Kohl nicht gut auf Ellemann zu sprechen sei. Kohl soll über die berühmten Sätze von Ellemann vor dem EM-Finale im Fußball zwischen Dänemark und Deutschland 1992 in Göteborg verärgert gewesen sein, als Ellemann mit Roligan-Schal vor der Presse damals die berühmt gewordenen Worte sprach: „If You can´t join them, beat them.“ Dass der Vertreter des „kleinen Dänemark“ während des gleichzeitig stattfindenden EU-Gipfels den dänischen 2:0 Sieg still und heimlich am Fernseher bejubelte, gefiel dem Fußball-Kanzler noch weniger.

Gewählt wurde 1995 der Spanier Javier Solana. Für Ellemann war das Aus als Nato-Kandidat eine persönliche Enttäuschung, aber Uffe wäre nicht Uffe gewesen, wenn er aus dieser Niederlage verbal nicht noch hierzulande Kapital geschlagen hätte. 

Gut, nun braucht mein geliebter Kater „Olfert“ in Brüssel wenigstens kein Französisch zu lernen, lautete sein giftiger Kommentar in Richtung Paris.

Und fast provokativ präsentierte er sich in seinem 1996 erschienenen Buch „Din egen dag er kort“ auf dem Titelbild mit Kater „Olfert“, der zuvor vorübergehend aus dem Hause Ellemann-Jensen weggelaufen war und spurlos verschwunden blieb.

Die Suchaktion der entsetzten Familie blieb tagelang vergeblich. Bis die deutsch-nordschleswigschen Studierenden im Kollegium am Sofievej in Hellerup die Katze fanden.

So überwand Uffe seine Katerstimmung à la Nato.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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