Leitartikel

„Ist es wirklich nötig, aus allem eine Kontroverse zu machen?“

„Ist es wirklich nötig, aus allem eine Kontroverse zu machen?“

„Ist es wirklich nötig, aus allem eine Kontroverse zu machen?“

Apenrade/Aabenraa
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Natürlich gehört die inhaltliche Auseinandersetzung zur demokratischen Tradition. Doch ist es wirklich nötig, aus allem eine Debatte, eine Kontroverse zu machen, fragt sich Cornelius von Tiedemann, der sich mehr sachlichen Diskurs wünscht.

Wenn man sich die Debatten vieler Volksvertreter im Folketing und die politischen Auseinandersetzungen in Radio und Fernsehen so anhört, dann entsteht der Eindruck, jeder einzelne der Teilnehmer wisse am besten, wie dieses Land, ja, wie die Geschicke der Welt insgesamt und im Detail zu lenken seien.
Diesen Eindruck müssen Politiker ja auch machen, sonst wählt sie doch niemand – oder?

Das Dilemma dahinter ist: Wenn alle unterschiedliche Antworten haben, es aber zugleich alle am besten wissen, dann wird Politik leicht unglaubwürdig. Zu selten zeigen Politiker, aber auch politische Debatteure, wahre Größe  – indem sie keine vorgefertigten Antworten geben, sondern Themen gemeinsam mit dem zu häufig als „Gegner“ betrachteten Gesprächspartner ergründen.

Auch im Internet, in den sozialen Plattformen und Foren hat sich die Debatte, also das Streitgespräch, in dem scheinbar das Gegenüber, in Wahrheit aber  die „Zuhörer“ von der eigenen Ansicht überzeugt werden sollen, durchgesetzt. Die Kontroverse – sie scheint, bis hin zur Gehässigkeit – zur vorherrschenden Kommunikationsform geworden zu sein.

Natürlich gehört die inhaltliche Auseinandersetzung zur demokratischen Tradition. Und gekonnt geführte Debatten können nicht nur ein Genuss, sondern auch eine  Bereicherung unserer Demokratie, unserer Kultur sein.

Doch ist es wirklich nötig, aus allem eine Debatte, eine Kontroverse zu machen? Warum ist das Gegeneinander dem Diskurs, also dem Erörtern, vorzuziehen? Und warum lassen sich so viele Medien vor den Karren dieser Politiker-Duelle um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit spannen?

Klar, das Spektakel, das sich ankeifende Politiker oder Interessenvertreter und knallhart bohrende Moderatoren bieten, ist gut für die Quote, weil es emotionalisiert. Aber braucht unsere Demokratie wirklich noch mehr Emotionen? Ist es nicht vielleicht gerade jetzt Zeit für mehr Sachlichkeit?

Die Verantwortlichen bei Danmarks Radio, die bereits auf P1 nach dem Motto „konstruktiver Journalismus“ zum Beispiel die Sendung Public Service produzieren und nach guten Ideen und Lösungen statt vorgefertigten Antworten für gesellschaftliche Herausforderungen suchen – sie könnten die politische Kopfnuss, die sie aus Christiansborg jüngst erhalten haben, auch dazu nutzen, diesen konstruktiven Gedanken auch auf andere Programmbereiche auszuweiten – und zum Beispiel nicht mehr immer nur die ewig vorhersehbaren Statements von Politikern  von Partei A und B in den Nachrichtensendungen wiederkauen.

Wer weiß, vielleicht beruhigt und versachlicht sich dann auch die Debatte außerhalb der klassischen Medien wieder – und vielleicht finden konstruktive Politiker  ja sogar heraus, dass Dänemark wieder einen starken und omnipräsenten öffentlich-rechtlichen Rundfunk braucht.

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