Leitartikel

„Guter Rat ist nicht nur teuer“

Guter Rat ist nicht nur teuer

Guter Rat ist nicht nur teuer

Apenrade/Aabenraa
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Redakteur Volker Heesch beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit den neuen Vorschlägen des dänischen Klimarats, in denen mehr steht als die Empfehlung, Fleisch zu verteuern.

Dänemark verringert seinen Ausstoß an Treibhausgasen bis 2030 um 70 Prozent. So lauteten die jüngsten Ankündigungen der dänischen Politik. Ziel ist es, nicht nur als kleines Land einen eigenen Beitrag zur Abwendung einer drohenden globalen Klimakatastrophe zu leisten, sondern auch ein Vorbild für die übrige Welt zu liefern.

Der dänische Klimarat, ein unabhängiges Gremium von Experten, hat am Montag einen neuen Bericht vorgelegt. Dieser enthält Empfehlungen, wie in den kommenden zehn Jahren in der Praxis das Ziel erreicht werden kann, 70 Prozent weniger klimaschädliche Verbindungen in die Atmosphäre entweichen zu lassen.

Der Vorsitzende des Klimarates, Peter Møllgaard, mahnte während der Vorstellung des über 100 Seiten langen Berichtes, dass die dänischen Ziele für 2030, hinter denen eine große Mehrheit des Folketings steht, nicht erreicht werden können, wenn wir so weitermachen wie bisher.

Dazu fallen einem Meldungen ein, dass im vergangenen Jahren die Flotte der dänischen Neuwagen mehr Treibstoffe verbrauchte als die im Jahr davor zugelassenen Fahrzeuge. Der Flughafen Billund kündigte sogar an, die Zahl der Passagiere bis 2040 zu verdoppeln.
Im Radio konnte man zur Veröffentlichung des Berichtes des Klimarates vernehmen, es werden „Riesenabgaben“ vorgeschlagen, Rindfleisch, Milch und Benzin sollten teurer werden.

Vom Landwirtschaftsverband Landbrug og Fødevarer reagierte der Vorsitzende Martin Merrild ebenso wie der Direktor von „Dansk Industri“, Kent Damsgaard. Sie warnen, dass eine Umsetzung der Vorschläge, die Abgaben auf jegliche Formen des Treibhausgasausstoßes vorsehen, die Wettbewerbsfähigkeit der dänischen Unternehmen zerstören würde.

Der Klimarat will die Abgaben schrittweise anheben und erklärt, man habe berechnet, dass diese die dänische Wirtschaft nicht ruinieren würden.

Der Tag der Vorlage der Klimarettungsmaßnahmen war sicher nicht günstig angesichts der parallel einlaufenden Meldungen von neuen Abstürzen der Börsenkurse aufgrund der Corona-Virus-Krise.

Doch der Bericht hat etwas mehr Aufmerksamkeit verdient als Überschriften, die sagen, dass Rindfleisch deutlich teurer werden soll, um das Klima retten zu können.
So haben die Fachleute nachgerechnet, dass in Dänemark volkswirtschaftlich Mehrkosten von jährlich einem Prozent des Bruttonationalproduktes zu verkraften seien, wenn die Vorschläge verwirklicht werden.

Es seien zahlreiche Abgaben neu festzulegen. Kohle sollte als Brennstoff rasch aus dem Verkehr gezogen werden, es müssten mehr Windkraftanlagen und Solaranlagen installiert werden – und Feuchtgebiete als Kohlendioxidspeicher genutzt werden, indem sie aus der Bewirtschaftung genommen werden. Neben Ausbau der Biogasgewinnung, die den besonders klimaschädlichen Austritt von Methan und Lachgas im Bereich der Landwirtschaft verringert, fordern die Fachleute auch die Verpressung von Kohlendioxid in alte Erdgaslagerstätten.

Für den Transportsektor wünscht man sich mehr Elektroautos mit entsprechender Ladetechnik.

Dazu kommt Kritik vom Radfahrerverband, der schimpft, dass mehr Radfahren als Klimaschutz übersehen werde. Man wundert sich auch, dass beim Abschnitt Transport nur elektrische Pkw und Lastwagen auftauchen, die Klimafachleute aber elektrischen Bahnverkehr oder Elektrobusse vergessen, was im Güterverkehr deutlich die schädlichen Abgase drosseln könnte und Bürger vom Auto in öffentliche Verkehrsmittel locken könnte.
Der zuständige Klimaminister Dan Jørgensen (Sozialdemokraten) erklärt, dass er nicht zulassen könne, dass bei Umsetzung der Vorschläge Industrie ins Ausland abwandert und die Verbraucher billigere ausländische Produkte kauften.

Natürlich will sich der Minister nicht aufs Glatteis begeben.

Doch es darf den Bürgern auch nicht vorgegaukelt werden, dass Klimaschutz ohne Einschnitte, Umdenken und Verhaltensänderungen zu bekommen ist. Teurere Waren sind nicht populär. Und es sollte nicht vergessen werden, dass die Klimaänderungen mit Konsequenzen wie jüngst die vielen Überschwemmungen bereits heute für Betroffene sehr teuer sind.

So hat der Vorsitzende des Radfahrerverbandes recht mit seiner Mahnung, dass man heutige Entwicklungen im Verkehrsbereich nicht einfach fortschreiben kann. Es gebe weder CO2-neutrale Elektroautos noch dürfe vergessen werden, dass 46 Prozent der Autopendler in Dänemark Strecken von weniger als zehn Kilometer zu ihren Arbeitsplätzen zurücklegten.

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