Leitartikel

„Grenzhandel geht in beide Richtungen“

Grenzhandel geht in beide Richtungen

Grenzhandel geht in beide Richtungen

Nordschleswig/Sønderjylland
Zuletzt aktualisiert um:

Der Grenzhandel ist gekommen um zu bleiben, auch wenn die Konsequenzen für den Handel im Grenzland in der Coronakrise besonders deutlich werden, schreibt Chefredakteur Gwyn Nissen.

In Nordschleswig wird in den Supermärkten gerade deutlich, welchen Einfluss der Grenzhandel hat. Nicht, dass die Supermarktketten es nicht schon wüssten – sie können einfach intern ihre Geschäfte im Norden und Süden des Landes vergleichen. Sie können aber erstmals der Politik schwarz auf weiß vorzeigen, welche Konsequenzen der ungleiche Kampf um die Kunden im Grenzland hat.

Insofern kommt die Coronakrise den Lebensmitteleinzelhändlern in Dänemark genau recht, denn es ist zwar kein Geheimnis, dass der Grenzhandel ein Milliardengeschäft ist, aber es wird in diesen Wochen sehr konkret, wenn zum Beispiel das Unternehmen Coop aufweisen kann, dass der Verkauf von Bier in den Grenzkommunen in Nordschleswig, Lolland und Guldborgsund im April um 61 Prozent gestiegen ist. Und dass über 40 Prozent mehr Wein und Sprudel in den dänischen Läden verkauft wurde.

Oder, dass der Leiter von SuperBrugsen in Gravenstein ohne Grenzhandel fünf Mitarbeiter mehr beschäftigen könnte. Anderen Supermärkten im Landesteil geht es sicherlich ähnlich. Der Verkauf von Grenzhandelswaren könnte in den kommenden Wochen sogar noch mehr steigen, wenn die Lager in den nordschleswigschen Haushalten austrocknen.

Gerade in Nordschleswig ist der Unterschied am deutlichsten zu spüren, doch auch im übrigen Teil des Landes stieg der Verkauf der typischen Grenzhandelswaren wie Bier, Sprudel, Wein und Süßigkeiten um 7 bis 10 Prozent.

Fleggaard, Calle und Co. sind für die dänische Kundschaft derzeit unerreichbar, und daher reibt sich die dänische Konkurrenz gerade die Hände. Auf der anderen Seite währt die Freude nicht ewig, denn die Grenzschließung wird schließlich irgendwann aufgehoben – und dann fließt das Bier wieder über die Grenze. Davon werden die Dänen nicht abzuhalten sein.

Höhere dänische Lohnkosten, höhere Mehrwertsteuer und höhere Abgaben. Der Grenzhandel kann nicht einfach aufgehoben werden. Dazu ist das Thema viel zu kompliziert. Eine Senkung der Mehrwertsteuer hätte ja in ganz Dänemark einen Effekt und nicht nur im Grenzland. Eine Abgabensenkung auf ungesunde Nahrungsmittel (= Grenzhandelsware) hätte einen negativen Gesundheitseffekt im ganze Land – und nicht nur in Nordschleswig.

Deshalb muss man sich auch die andere Seite der Münze ansehen, denn in Nordschleswig gibt es ebenfalls jede Menge Geschäfte, die vom umgekehrten Grenzhandel leben. Zwar nicht in der gleichen Größenordnung wie südlich der Grenze, aber es ist auch keine Einbahnstraße. Der Grenzhandel läuft in beide Richtungen – und das tut er, sobald die Grenze wieder öffnet.   

 

 

 

Mehr lesen

Leitartikel

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
„Europäischer Erdrutsch“

Leitartikel

Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
„Die Bonus-Milliarden für die Minkzuchten sind eine Farce“