Leitartikel

„Gold oder Verschleiß“

Gold oder Verschleiß

Gold oder Verschleiß

Apenrade/Aabenraa
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Kommende Woche wählen die Dänen ihr Parlament neu. Ein heißes Thema ist der (frühere) Rentenentritt. Chefredakteur Gwyn Nissen lenkt den Blick auf das „graue Gold".

Wann kann ich in Rente gehen? Das ist eines der heißesten Wahlkampfthemen in Dänemark vor der Folketingswahl am Mittwoch,  5. Juni. Wer heute in den Arbeitsmarkt einsteigt, muss bis zum 74. Lebensjahr aushalten – vielleicht sogar länger, wenn die Lebenserwartung steigt.

Die bürgerlichen Parteien, die das Arbeitsleben in Dänemark erweitert haben, wollen jetzt ein Hintertürchen öffnen, und die Sozialdemokraten wollen dem Verschleiß von Angestellten entgegenwirken, indem sie neue Rückzugsmöglichkeiten anbieten. Wer allerdings genau die Möglichkeit bekommen soll, sich früher aus dem Arbeitsmarkt zurückzuziehen, hat zu heftigen Diskussionen geführt. Denn was ist Verschleiß? Gilt es nur für den Maurer, der 50 Jahre schwer gearbeitet hat, oder auch für Mitarbeiter, die unter großem psychischen Druck arbeiten? Sollten die Sozialdemokraten Mittwoch an die Macht kommen, wissen wir in Kürze mehr über die Pläne.

Ein weiterer Wahlkampfstreit hat sich außerhalb der politischen Arena entfacht: Während Arbeitgeber  über einen Mangel von Fachkräften reden und gerne Arbeitskraft aus dem Ausland importieren würden, kontern die Gewerkschaften und sagen, es seien Mitarbeiter genug da – sie müssten nur aus der Arbeitslosenschlange geholt werden. Nun, beide Seiten können recht haben, denn der Fachkräftemangel entwickelt sich in den verschiedenen Branchen unterschiedlich.

Viel wichtiger wäre es vielleicht, sich auf dem Arbeitsmarkt umzuhören und stattdessen flexible Lösungen zu finden.  Denn es gibt nicht nur den Bedarf, sich früher zurückzuziehen. Es gibt auch viele, die einfach weiterarbeiten möchten. Aber vom „grauen Gold“ ist im Wahlkampf kaum die Rede gewesen. Nur vom Verschleiß.

Vielleicht sollten die Politiker eine Studienfahrt nach Uldum machen. Hier arbeitet Apotheker Danji Bhanderi und eine Handvoll von Mitarbeitern – alle um die 70 Jahre, darunter ein früherer Schulleiter, ein ehemaliger Kaufmann, ein Ex-Bankangestellter.  „Viele von uns möchten gerne noch arbeiten – vielleicht aber nicht mehr Vollzeit“, lautet es aus den Reihen der „Alten“.

Für sie ist das Gehalt nicht das Entscheidende, sondern dass sie immer noch nützlich, und dass sie  immer noch Kollegen haben statt zu Hause zu hocken.

Einfach eine  schöne Geschichte, die  zeigt, dass  die frühe Rente nicht für alle im Lande die richtige Medizin ist.

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