Leitartikel

„Glückstreffer“

Glückstreffer

Glückstreffer

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Siegfried Matlok beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit der deutsch-dänischen Freundschaft im Laufe der vergangenen Jahrzehnte.

Ende des Jahres wird der bundesdeutsche Außenminister Heiko Maas in Kopenhagen offiziell das deutsch-dänische Freundschaftsjahr 2020 ausrufen. Dass der Weg vom Gegeneinander zum Miteinander und Füreinander bestimmt kein leichter war, dafür gibt es viele,  auch traurige, Beweise. Daran hat man sich gewiss gestern Abend bei einem Empfang in der neuen deutschen Botschaft in den Portland Towers, Nordhavn, erinnert, wo „Dansk-tysk Selskab“ ihr 50-jähriges Bestehen feierte. Dass die deutsch-dänische Gesellschaft erst 1969 in Kopenhagen gegründet wurde,  zeigt eben, wie mühevoll der demokratische Neustart damals gewesen ist, um die Grundlagen für den Erfolgsweg zum Freundschaftsjahr zu schaffen.  

Die Schatten der Vergangenheit mussten erst verjagt und verdrängt werden: 1960 nahm in Kopenhagen „Dansk-Tysk Oplysningsudvalg“ seine aufklärerische Arbeit auf. Es waren bemerkenswert just ehemalige Widerstandskämpfer, die für die Wende sorgten. Namen wie Jørgen Hatting, Flemming Foss, Per Federspiel, Jørgen Outze, Ebbe Munck  – alle Schwergewichtler im Kampf gegen die deutsche Besatzung von 1940-1945 –  waren als Erste bereit, der neuen Bundesrepublik die Hand zu reichen. Die Gründung der neuen Gesellschaft – die natürlich nicht „Dansk-Tysk Forening“ heißen durfte, um just Abstand zu  jenem im Juli 1940 von den Nazis ins Leben gerufenen gesellschaftlichen Verein zu wahren –  erfolgte im März 1969. Dass aus Bonn Staatssekretär Georg Ferdinand Duckwitz zur Gründung nach Kopenhagen kam, war kein Zufall.

Duckwitz hatte als ehemaliger deutscher Diplomat einen Heldenstatus in Dänemark wegen seiner Verdienste 1943  bei der Rettung der dänischen Juden nach Schweden. Auf die Frage, ob die Gesellschaft zu früh gegründet wurde, meinte Duckwitz: „Ich glaube nicht, dass es zu früh ist. Als ich 1955-1958 hier  Botschafter war, empfand ich, dass die Zeit für den Gedanken noch nicht reif war. Aber heute hat sich die Situation geändert, viele alte Streitfragen sind aus der Welt geschafft.“ Bemerkenswert war auf  dänischer Seite der damalige Außenminister und Venstre-Vorsitzende Poul Hartling, der auf diese Gründung drängte. Mit dem Generaldirektor von Danmarks Radio, Hans Sølvhøj, fand man den richtigen Mann als ersten Vorsitzenden. Der Sozialdemokrat, der später Kulturminister und Vize-Außenminister sowie sogar Hofmarschall von Königin Margrethe wurde, erinnerte im April 1988 „an die schwierige Geburt“, denn unter dem Deckmantel des angeblichen deutschen Revanchismus gab es noch „nationalen Hass“. Einerseits die Vergangenheit nicht zu vergessen – dies galt auch in eigenen Reihen, denn vier Personen wurde wegen ihrer braunen Vorzeit die Mitgliedschaft verwehrt – und andererseits ein neues Deutschland zu vermitteln war eine tägliche Sisyphusarbeit, die allerdings im Herbst 1969 in Dänemark durch die Wahl von Willy Brandt als Kanzler neue Impulse gewann.

Nach Sølvhøj – für ihn war „Deutschland wichtigster Präferenzpunkt für Dänemark –  war es vor allem der Sohn eines zum Widerstand gehörenden deutschen Diplomaten, Finn Rowold, der von 1988 bis 2015, also 27 Jahre lang Vorsitzender war und sich dabei unschätzbare Verdienste um die deutsch-dänische Verständigung erwarb. Dem Programmdirektor von „Danmarks Radio“ gelang es,  durch zahlreiche Veranstaltungen mit Politikern und Kulturpersönlichkeiten, das oft noch durch Vorurteile verzerrte Deutschlandbild in Dänemark langsam aber sicher zu differenzieren. Dabei ist mit Interesse zu vermerken, dass sich die Gesellschaft 1969 – als die DDR ja noch nicht von Dänemark anerkannt war – nicht westdeutsche Gesellschaft nannte, sondern „deutsche“, um so auch Kontakte zum anderen Teil Deutschlands, insbesondere zu Künstlern in der DDR, sichern zu können. 

Dansk-Tysk Selskab  – später kam auch noch der Deutsch-Dänische Industrie-und Handelsklub hinzu, der enorme Schrittmacherdienste für das gegenseitige Wirtschaftsleben leistete – war von Anfang an ein kleiner, ja in gewisser Weise „elitärer“ Klub, was jedoch nicht vorwurfsvoll gemeint ist. Es waren eben Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wirtschaft, die mutig und visionär in Deutschland Dänemarks künftigen Partner in Europa sahen.  

Auch im Freundschaftsjahr ist die Gesellschaft kein Massenverein, und der heutige Vorsitzende, der Schriftsteller und Dramaturg Steen Bille, ist sich der neuen Herausforderungen sehr bewusst. Vor allem bereitet nicht nur ihm Sorgen, dass die Deutschkenntnisse in Dänemark unter jungen Menschen bedrohlich nachgelassen haben. Deshalb ist es ein Glückstreffer, dass die Gesellschaft gestern die frühere Ministerin und heutige Deutschland-Korrespondentin von „Berlingske“, Lykke Friis, mit dem deutsch-dänischen Preis ausgezeichnet hat. Kaum einer (eine) im Lande verkörpert die deutsch-dänische Freundschaft 2019 wie sie: zweisprachig und auch noch mit charmantem Appell an die gemeinsame Zukunft!

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