Leitartikel

„Die Fuzo ist tot – es lebe die Innenstadt“

„Die Fuzo ist tot – es lebe die Innenstadt“

„Die Fuzo ist tot – es lebe die Innenstadt“

Apenrade/Aabenraa
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Welchen Zweck erfüllen Fußgängerzonen in unseren Städten heute, in Zeiten von Einkaufszentren und Online-Shops noch, fragt Sara Wasmund.

Innenstadt, Einkaufsmeile, Shoppingzone, Fußgängerbereich, Gehstraße, Einkaufsstraße, Fußgängerzone oder einfach nur „Fuzo“ – an Bezeichnungen mangelt es der Einkaufsstraße in Städten nicht. An Besuchern und Nutzern indes ganz gewaltig.

Laut neuen Zahlen ist fast jedes zehnte Geschäft aus Dänemarks Innenstädten verschwunden – gefühlt sind es weitaus mehr. Schlendert man beispielsweise durch die nördliche Gehstraße in Sonderburg, beschleicht einen das Gefühl einer verlassenen Stadt. Leere Schaufenster, abgeklebte Fronten und „Wir sind umgezogen“-Schilder an den längst verschlossenen Türen. Der Leerstand spricht eine traurige Sprache. Schön ist das nicht.

Doch was tun gegen veränderte Verbrauchergewohnheiten und die Zentralisierung des Konsums in Einkaufszentren? Bringt es etwas, den Leerstand in den Innenstädten mit neuem Pflasterbelag, hübschen Sitzgelegenheiten und einer Modernisierung des Straßenbildes zu bekämpfen? Oder ist der Zug längst abgefahren – und die Städte und Kommunen sollten sich zusammen mit den Handelsvereinen der neuen Realität stellen?

Das zukünftige Konsumverhalten der Kunden ist vorgezeichnet. Online bestellen und sich die Ware (von schlecht bezahlten Paketdienstsklaven) ins Haus liefern lassen ist unsagbar einfach und bequem und fast immer günstiger als ein Einkauf in einem Geschäft. Dass sich Bequemlichkeit und Sparsamkeit weiter durchsetzen werden, ist nicht gerade unwahrscheinlich. Zwar kaufen mittlerweile einige Konsumenten wieder bewusst in den Geschäften vor Ort, um den Einzelhandel aus ideellen Gründen zu erhalten – aber die Mehrheit dürfte das nicht sein. Das explodierende Paketbringdienstgeschäft spricht für sich.

Der Trend zum Online-Shopping ist durchaus nachvollziehbar: Ein paarmal online einkaufen und man ist nachhaltig beeindruckt von der schier unendlichen Produktpalette, die zur Auswahl steht. Da staunt man beim nächsten Gang ins Geschäft vor Ort nicht schlecht, wie unfassbar winzig das Sortiment ist – und wie oft es genau das, was man will, nicht gibt.

Früher musste man in die Innenstadt, wenn man Kleidung, Schuhe und andere Gegenstände benötigte. Heute ist diese Notwendigkeit nicht mehr da – und die Kunden handeln entsprechend.

In den warmen und regendichten Einkaufszentren kann derweil die Lust am Einkaufsbummel ausgelebt werden. Hier wird an das Einkaufen als Freizeiterlebnis appelliert, nicht als Notwendigkeit, wenn der Welpe den Joggingschuh zerkaut hat und man schnell einen neuen braucht.
Die Innenstädte benötigen eine Neuausrichtung. Viele der leerstehenden Geschäfte werden – zumal wenn es diverse Einkaufszentren in zentraler Lage oder in der Nähe auf der grünen Wiese gibt – nicht wieder neu besetzt werden, im Gegenteil.

Neue Nutzungskonzepte sind dringend gefragt. Können leere Geschäfte zu Senioren- oder Studentenwohnungen umgewandelt werden, ebenerdig und mit perfekter Anbindung an die Innenstadt? Wohnraum in den Innenstädten ist schließlich knapp. Abreißen und neu bauen? Oder wie wäre es mit einem buchstäblichen Stadtkindergarten mit Spielplatznutzung in den städtischen Parks?

Vielleicht ist es an der Zeit, von den Gehstraßen Abschied zu nehmen, damit Platz gemacht wird für neue Nutzungspläne. Vielleicht ist die Idee einer Flaniermeile für die Bürger schlicht veraltet. 1953 entstand in Kassel die erste Fußgängerzone Deutschlands. Am Konzept hat sich seitdem wenig geändert. Wohnen, Einkauf und Verkehr sollten in getrennten Bereichen stattfinden. Ergibt das auch heute noch Sinn? Höchste Zeit, darüber nachzudenken.

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