Leitartikel

„Friede, Freude, Grenzkontrollen“

Friede, Freude, Grenzkontrollen

Friede, Freude, Grenzkontrollen

Apenrade/Aabenraa
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Das deutsch-dänische Verhältnis ist schon seit Jahrzehnten gut bis sehr gut. Jetzt ist es dabei, ausgezeichnet zu werden, meint Cornelius von Tiedemann. Die Besuche der Staatsministerin und des Außenministers in Berlin jedenfalls würden das untermauern.

Der Besuch Mette Frederiksens in Berlin war aus  Minderheiten-Sicht eine Wonne – mit leichter Schattenseite. Dass die Regierungschefin zuerst nach Berlin fährt, bevor sie London, Washington oder einen der engen nordischen Freunde besucht, ist schon ein ermutigendes Signal für alle, denen die deutsch-dänische Zusammenarbeit am Herzen liegt.

Wenn Außenminister Jeppe Kofod dann auch noch im „Nordschleswiger“ schreibt, dass er Dänemark mit Deutschland in einem Team sehe, und das auch noch „i den grad“, also in höchstem Maße, oder, anders ausgedrückt, unumstößlich, dann klingt das fast nach dem Anbruch neuer Zeiten.

Der Umstand, dass der Vorname William, der sehr eindeutig britische, nicht aber deutsche Bezüge hat, im vergangenen Jahr erneut der beliebteste Jungenvorname in Dänemark war, kann dieses neue Licht, unter dem die dänisch-deutschen Beziehungen stehen, nicht trüben.

Erstens hat Deutschland schlicht kein Königshaus wie die Briten zu bieten, nach dessen Sprösslingen man Kinder benennen kann, zweitens gibt Deutschlands Alternative zum Königshaus, der Bundespräsident, in vielen Bereichen ein großes Vorbild ab, in Sachen Vorname jedoch dürfte Frank-Walter bei aller Liebe für dänische Jungeltern nicht in die engere Auswahl kommen.

Im Ernst: Von einem „neuen“ Licht ist deshalb die Rede, weil unter den rechtsliberalen Staatsministern seit 2001 der außenpolitische Fokus scharf auf die Achse Washington-London-Kopenhagen gestellt war. Erst als beide Partner sich unmöglich machten, in zunehmenden Maße mehr mit sich selbst als mit kleinen aber treuen Partnern wie Dänemark beschäftigt waren, lenkte Frederiksens Vorgänger Lars Løkke Rasmussen ein und erwähnte die Europäische Union hin und wieder auch mal gegenüber der dänischen Öffentlichkeit positiv.
Dass Mette Frederiksen bisher in Sachen EU und Deutschland so gut wie fast gar nicht in Erscheinung getreten ist, hat auch damit zu tun, dass diese Themen vor der Wahl schlicht unpopulär waren. Deutschland war vom großen Vorbild in Sachen Finanzkrisenbewältigung zum großen Buhmann in der sogenannten Flüchtlingskrise (die eigentlich zuerst eine Krise der internationalen Zusammenarbeit nationaler Regierungen war) geworden.

Dass Dänemark sich mit Frederiksen für Berlin und somit für Europa entscheidet, ist ein historisches Signal, das vielleicht erst später in seinem Ausmaß begreiflich wird. Dass es nicht mehr Schlagzeilen macht, liegt daran, dass Dänemark erstens gar keine reale andere Wahl hat – und dass es zweitens für so viele Menschen faktisch ganz selbstverständlich ist, dass Dänemark zu Europa gehört, und dass Deutschland der wichtigste Nachbar ist und somit ein ganz enger Freund sein sollte.

Hier im Grenzland wissen wir das schon längst. Und deshalb ärgert es, dass auch das Thema Grenzkontrollen in Berlin wieder Thema war. Sie werde für Grenzkontrollen kämpfen, sagte Frederiksen in Berlin.

Doch – oh Wunder – von Schlagbäumen und Kontrollen direkt an der Grenze sind wir inzwischen weg. Frederiksen hat die noch im Wahlkampf von Løkke definierte Linie übernommen, mit der er dem harten Kern der Grenzkontroll-Fanatiker ein Schnippchen schlagen wollte: Auch Kontrollen im Hinterland sind demnach Grenzkontrollen – und Nummernschildscanner auch. Ganz ohne Passkontrolle. „Smarte“ Kontrollen nennen sie das.

„Smarten Wahlkampf“ könnte man das auch nennen ...

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