Leitartikel

„Fit für die Grenze“

Fit für die Grenze

Fit für die Grenze

Apenrade/Aabenraa
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Was haben Fitnessstudios mit dem Grenzverkehr zu tun? Es gibt eine Verknüpfung, spätestens seit Mittwoch, meint „Nordschleswiger"-Journalist Helge Möller.

Als ich kürzlich mein Fitnessstudio um die Ecke besuchte, um eventuellen Haltungsschäden, hervorgerufen durch das Homeoffice, vorzubeugen, kam mir der Gedanke, doch bei den kommenden Besuchen, solange diese noch möglich sind, die Stoßzeiten eher zu meiden, denn der junge Mann gleich hinter mir schnäuzte sein Taschentuch voll, ein anderer hatte besorgniserregenden Husten.

Nun hat die dänische Regierung die Fitnessstudios im Land ins Visier genommen, dort soll der Corona-Pass vorgezeigt werden – in Schleswig-Holstein gilt seit mittlerweile einem Monat bereits 2G (geimpft, genesen).

Wer in Innenräumen Sport treibt, sollte möglichst keine virusgetränkten Aerosolpartikel ausstoßen – eine nachvollziehbare Idee, die Gesundheitsminister Magnus Heunicke (Soz.) am Mittwoch verkündete.

Dabei blieb es nicht. Künftig sollen Einreisewillige, geimpft oder genesen, wieder einen negativen Test vorweisen, wenn sie die Grenze zu Dänemark kreuzen. Ein entsprechender „Nordschleswiger"-Artikel rief eine Reihe von Reaktionen auf unserer Facebookseite hervor – mehr Unverständnis als Verständnis.

Die Regierung habe sich darauf eingestellt, zwei neue Maßnahmen einzuführen, die dazu beitragen sollen, die Infektionsrate einzudämmen, sagte der Gesundheitsminister.

Immerhin für Grenzlandbewohner stellte Heunicke Sonderregeln in Aussicht, was zumindest bedeutet, dass Kopenhagen bewusst ist, dass es ein binationales Grenzland gibt.

So recht einleuchten will die Sache aber nicht. Sowohl das Dashboad des deutschen Robert Koch-Instituts als auch das des dänischen Staatlichen Serum Instituts operieren mit der gleichen Norm, der Inzidenz. Immer noch sind die Inzidenzen in Dänemark höher als in Schleswig-Holstein, im Durchschnitt gilt dies auch für die Bundesrepublik.

Obwohl aus Deutschland genaue Zahlen fehlen, scheint es so, als ob die Omikronvariante des Coronavirus in Dänemark weiter verbreitet als in Deutschland ist, was sich aber bei der exponentiellen Verbreitungsgeschwindigkeit demnächst  auch angeglichen haben dürfte.

Die Frage ist, ob die Pflicht, einen negativen Test an der Grenze nachzuweisen, obwohl eine Impfung vorliegt, das Infektionsgeschehen in Kopenhagen, in Odense, Tingleff oder Tondern abflauen lässt, möglich ist es, wahrscheinlich wohl eher nicht.

Wenn es so wäre, müsste Flensburg eine viel höhere Inzidenz aufweisen, mit den vielen Besuchern aus Dänemark, die ohne Kontrolle über die Grenze reisen.

Nachvollziehbar wäre, wenn Dänemark an der Grenze einen Corona-Pass verlangen würde, so wie es einige Monate praktiziert wurde. Wenn, dann sollte erst einmal dieser Schritt getan werden, als wieder neue Hürden aufzubauen.

Es stimmt schon, manchmal muss man die Initiative ergreifen und etwas tun, auch wenn nicht klar ist, ob die Sache den gewünschten Effekt hat, gerade dann, wenn sich eine Lage zuspitzt und Warten die schlechteste Option ist.

Es beschleicht einen aber der Gedanke, dass die Regierung, nachdem sie die Pandemie für überstanden gedacht hatte, von der Realität eingeholt wird und sich nun etwas ausgesucht hat, das den Einheimischen nicht wehtut, aber dem Volk signalisiert, dass etwas unternommen wird.

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