Leitartikel

„Die EU zum Umarmen“

Die EU zum Umarmen

Die EU zum Umarmen

Nordschleswig/Sønderjylland
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Das deutsch-dänische Grenzland profitiert in hohem Maße von Fördermitteln aus der EU. Nicht nur finanziell, sondern auch im zwischenmenschlichen Bereich, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Die Europäische Union wird oftmals als bürokratisches, alles-bestimmendes Monster dargestellt. Als Erklärung wird oft die physische und psychische Distanz genannt: Es ist weit von Dänemark nach Brüssel oder Straßburg, und Entscheidungen können oftmals nicht nachvollzogen werden, weil sie nicht den dänischen Erwartungen oder Anforderungen entsprechen. Ähnlich halten es auch die Bürger anderer Länder, doch die EU-Skepsis war in Dänemark schon immer groß, und so ist die EU hierzulande oft zum Prügelknaben geworden.

Dabei ist die Europäische Union gar nicht so weit entfernt, wie es manchmal erscheint, wenn man als kleines Land nur 13 Vertreter im 751-köpfigen Europaparlament hat. Die EU ist vor allem im deutsch-dänischen Grenzland zum Greifen nahe.

Zum einen ist da natürlich die Landwirtschaft, die ohne EU-Zuschüsse gar nicht auskommen würde (und die Verbraucher übrigens auch nicht, denn sie sind die wahren Nutznießer des EU-Geldes), zum anderen sind es die umfassenden Interreg-Programme, die seit 1989 die Grenzregionen Europas gefördert haben. Auch im deutsch-dänischen Grenzland sind Hunderte von Millionen Kronen in grenzüberschreitende Kooperationen geflossen.

Im neuesten Förderprogramm gibt es inzwischen über 50 deutsch-dänische Projekte – zum Beispiel in der Pharmaindustrie, im Technologie-Bereich (Clean-Tech), auf dem Arbeitsmarkt, zwischen den Museen, im Ausbildungssektor, im Gesundheitsbereich und in der Kultur.

Sowohl die Wirtschaft als auch das kulturelle Leben im deutsch-dänischen Grenzland sind Nutznießer dieser Förderung. Die EU und Interreg schaffen Arbeitsplätze und bauen Grenzen ab – auch in einer Zeit, in der es die Politik für nötig hält, Grenzen aufrechtzuerhalten.

Vorige Woche ging auch das Projekt Kurskultur 2.0 in die Verlängerung. In den kommenden drei Jahren werden 24 Millionen Kronen an kleine und große Kultur- und Sprachprojekte ausgeschüttet, die unter anderem dafür sorgen, dass sich Jung und Alt im Grenzland treffen und kennenlernen.

Viele mögen ihre eigene Meinung zur EU haben. Aber ohne das Geld aus der europäischen Gemeinschaft wären unser Landesteil und das deutsch-dänische Grenzland ärmer dran. Das sollten die Nordschleswiger nächstes Mal bedenken, wenn sie zum Rundumschlag gegen den Prügelknaben ausholen. Vielmehr sollten wir die EU umarmen.

 

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